Die Türkei praktiziert neben der Politik der ethnischen Säuberungen auch eine klassische Kolonialpolitik gegenüber Efrîn. Am 20. Januar 2018 begann die Invasion des nordsyrischen Kantons, Hunderttausende wurden in die Flucht getrieben, die Natur verwüstet, die historischen Schätze zerstört oder gestohlen. Dieser Prozess der Plünderung wird nun mit dem Diebstahl des Hauptprodukts von Efrîn, der Oliven vollendet.
Am 8. November wurde bekannt, dass der „Grenzübergang Olivenzweig“ in Efrîn-Cindirês für den Handel geöffnet werde. Damit begann die Umsetzung des Plans zum Ausverkauf der Oliven aus Efrîn. Der Türkei selbst befindet sich in einer tiefen ökonomischen Krise, die sich vor allem durch die Milliardenverluste des Krieges im eigenen Land und allen vier Teilen Kurdistans aufgrund der Kurdenphobie der Regierung ständig vertieft. Der Staat will nun durch die Ausplünderung der Oliven im besetzten Efrîn eine weitere Einkommensquelle für den schmutzigen Krieg schaffen.
Was verdient der türkische Staat an den Oliven aus Efrîn?
Zuerst plünderte die Besatzungsmacht den Weizen von Efrîn, nun kauft sie die Oliven zu Spottpreisen auf oder beschlagnahmt sie gleich. Trotz den dabei zu erwarteten Problemen wird der türkische Staat daraus mindestens 80 Millionen Dollar Gewinn ziehen. Von den 18 Millionen Olivenbäumen in Efrîn produzieren 14 Millionen hochqualitative Früchte. Nach Informationen des Landwirtschaftsrats von Efrîn wird für dieses Jahr eine Olivenernte von 200.000 bis 210.000 Tonnen grünen Oliven und eine Produktion von 40.000 Tonnen Olivenöl erwartet.
Der türkische Staat wird mindestens 85 Prozent der Oliven aus Efrîn in die Türkei bringen, dort verarbeiten und diese exportieren. Da der Regierung in Ankara klar ist, dass sie Legitimationsprobleme bekommen wird, wenn sie alle Oliven der Bevölkerung der „Region der Oliven“ raubt, sollen etwa 10-15 Prozent in der Stadt bleiben. Die Oliven der Vertriebenen aus Efrîn, sprich 80-85 Prozent der Bevölkerung, werden ohne jegliche Zahlungen vom türkischen Staat an sich genommen. Die 15 Prozent der Oliven, die der Bevölkerung in Efrîn bleiben, werden ebenfalls extrem billig aufgekauft.
Die Türkei übernimmt die Oliven mit Hilfe des Besatzungsrats von den Produzenten ab, verarbeitet diese in Pressen in Hatay und zahlt für den Kanister Olivenöl die Hälfte des Marktpreises. Auf diese Weise wird erwartet, dass aus dem Verkauf der 40.000 Tonnen Olivenöl aus der Verarbeitung der Oliven von Efrîn in der Türkei nach Spanien nach Marktpreis ein Gewinn von mindestens 80 Millionen Dollar entsteht.
Warum wird das ganze verheimlicht?
Am 8. November haben wir ein Protokoll eines Treffens unter Aufsicht des türkischen Geheimdienstes MIT, zwischen den Besatzungsräten und den Kommandanten der sogenannten FSA-Milizen veröffentlicht. In diesem Protokoll geht es um die Abfuhr der Oliven in die Türkei und die Verschleierung des Olivenraubs in Efrîn. Bezüglich der Nichtverbreitung dieses Abkommens wurde den Parteien Schweigegeld gezahlt. Über die „Räte“ fließen 22 Millionen Dollar an die Dschihadisten, damit diese ihnen die Olivenhaine der aus Efrîn geflohenen Bevölkerung überantworten. Dieser Raub wurde unter dem Motto „Die FSA übergibt den Lokalräten die Olivenhaine“ legitimiert.
Der türkische Staat hält es für notwendig die Plünderung zu verheimlichen und den Verkauf zu legitimieren, da er fürchtet, öffentliche Reaktionen auf dieses Handelsabkommen könnten dazu führen, dass die Partner in Spanien doch noch vor dem Ankauf der Oliven zurückschreckten. Auch wenn die Staaten der Welt keine ernsthafte Reaktion gegenüber der Besatzung zeigen, so fürchten sie dennoch die Reaktion der kurdischen und internationalen Öffentlichkeit.
Details zur Umsetzung des Protokolls
Am 9. November war es bereits zu Konflikten zwischen dem „Lokalrat“ von Şera und den Dschihadisten wegen der Umsetzung des Protokolls gekommen. Aber diese Konflikte bedeuten nicht, dass der türkische Staat seinen Plan für die Oliven in der Region gestoppt hat. Denn das Protokoll hatte vor allem die Aufgabe, den äußeren Anschein zu wahren. Das eigentliche Vorgehen war bereits im September auf einem Treffen zwischen dem MIT und den Milizen vereinbart worden. Bei den Beschwerden geht es allein um die in Efrîn verbliebenen 10-15 Prozent der Oliven. Um keine Steuern an den „Lokalrat“ entrichten zu müssen, hatten die Besitzer der Verarbeitungsanlagen und Pressen die Oliven zur Verarbeitung nach Azaz bringen lassen. Die FSA beteiligt sich an diesem Geschäft mal als Partnerin und mal, indem sie Bestechungsgelder kassiert. Die Grundlage der Beschwerde des „Lokalrats“ der Besatzung von Efrîn ist, dass sie ihren Anteil an den Gewinnen aus der Plünderung der Region nicht erhalten hat. Dass der „Lokalrat“ von Efrîn behauptet, die Felder der aus Efrîn vertriebenen Bevölkerung seien von der FSA widerrechtlich angeeignet worden, ist ebenfalls ein lokales Phänomen. Unsere Quellen berichten, dass der MIT entschlossen ist, an der Übergabe der Felder festzuhalten. Der MIT setzt die FSA-Kommandanten, und die FSA-Gruppen setzen sich gegenseitig unter Druck, damit sie das Protokoll befolgen. So wurde kurze Zeit nach der Vereinbarung des Protokolls Anfang Oktober ein Flugblatt von der „FSA“ verteilt das erklärte, dass alle Gruppen, die sich nicht an das Protokoll hielten, als Opposition betrachtet würden.
Grenzübergang zur Plünderung der Oliven eröffnet
Am 8. November wurde bei Efrîn-Cindirês ein Grenzübergang für die Verbringung der geraubten Oliven in die Türkei eröffnet. Unsere Quellen berichten, der Übergang sei zunächst nur für Oliven eröffnet worden, im Falle eines Erfolges würde er aber für weitere Handelstätigkeiten geöffnet werden. Es heißt außerdem, dass die FSA den Zoll auf die aus Efrîn herausgebrachten Oliven erhalte. Am 9. November erklärte die türkische Handelsministerin Ruhsar Pekcan, der „Grenzübergang Olivenzweig“ sei nun für den Handel geöffnet. Für die Errichtung des Grenzübergangs wurden Tausende Olivenbäume vernichtet.
Wenn es nicht zutrifft, wo ist dann das Olivenöl?
Vor der Besetzung wurden in Efrîn über 280 Pressen betrieben. Von den Früchten der 18 Millionen Olivenbäume wurden 20 Prozent verarbeitet und daraus 30-35.000 Tonnen Olivenöl produziert. Landwirtschaftsexperten prognostizierten für dieses Jahr eine Ausbeute von 40.000 Tonnen Olivenöl. Ein kleiner Teil der jährlichen Ölproduktion von 30-35.000 Tonnen verblieb in Efrîn, der Rest wurde in Rojava und in den vom Regime kontrollierten Gebieten um Aleppo, Latakia und den anderen Städten Syriens verkauft. Dieses Jahr erreichten weder Rojava noch die Gebiete unter Regimekontrolle Oliven aus Efrîn. Denn der türkische Staat hat mit dem Ziel, die Ernte nach Spanien zu verkaufen, die Ausfuhr von Oliven verboten. Auch die Pressen in Efrîn wurden nur noch im Sinne des Eigenbedarfs erhalten, während ein Export durch die Bevölkerung unmöglich geworden ist. All das sind Indizien für die Existenz des durch Dokumente belegten Planes für Efrîn. Wenn dieser Plan nicht existieren würde, dann stellte sich die Frage: „Wo sind dann die Oliven und das Olivenöl?“