Ein Urgestein des Widerstands von Şehba: Ebû Nedim

An jeder Front in Efrîn und Şehba gibt es besondere Geschichten von Menschen. Es sind Geschichten von Menschen, die an die Revolution glauben. Und es sind Geschichten von hoffnungsvollen Augen, die überzeugt vom Widerstand sind.

In Efrîn und Şehba, den Orten, die der türkische Staat versucht zu besetzen, ist jeder im Widerstand. Manche sind jung, einige sind Mütter von kleinen Kindern. Andere können auch bereits 70-jährige Großväter sein, doch haben alle Menschen in Efrîn und Şehba eine gemeinsame Identität: Widerstand.

Der Widerstand von Efrîn gegen den Angriffskrieg der türkischen Regierung und von ihr kontrollierten Dschihadistenmilizen befindet sich an seinem 28. Tag. Um den Widerstand der Bevölkerung mitzuerleben, bewegen wir uns an den verschiedenen Fronten der Region.

Unsere heutige Station ist eine Front der Dschaisch ath-Thuwwar (Armee der Revolutionäre) in Şehba. Im Hinterhof des Hauses, das wir betreten, treffen wir auf Ebû Nedim, der mit Tolîk, einer Art von Rüben, das Mittagessen zubereitet.

Mit seinen Zahnprothesen, seinen tiefen Falten, die sich im Laufe seines Lebens tief in seinem Gesicht abgezeichnet haben und seinen glanzvollen Augen lächelt er uns hoffnungsvoll an. Seine Augen scheinen mich förmlich zu einem Gespräch einzuladen, deshalb denke ich erst einmal gar nicht daran meine Kamera auszupacken und schieße mit meinem Handy direkt ein paar Fotos. Nachdem unser Gespräch mit Ebû Nedim beginnt, läuft auch meine Kamera.

Als ich frage, wie alt er ist, sagt Ebû Nedim lachend: „63 und noch ein paar Jahre mehr.“ Ich frage, wie viele Jahre mehr er denn genau meint. Onkel Ebû Nedim sagt daraufhin: „Früher gab ich mein wahres Alter nicht an. Aber heute brauche ich nichts mehr zu verheimlichen“ und lacht herzhaft.

Ich scherze und frage, ob es eine Auserwählte gäbe, weil er zunächst sein Alter nicht nannte. Ohne das Lächeln in seinem Gesicht zu verlieren, erzählt Onkel Ebû Nedim, dass er vier Töchter und sieben Söhne hat. Zwei seiner Söhne befinden sich gemeinsam mit ihm in den Reihen der Armee der Revolutionäre. Er sagt, dass er einen weiteren Sohn zum Kämpfer machen wird und fährt lachend fort: „Ihn werde ich auch hierherbringen. Was soll er auch sonst machen?“

Onkel Ebû Nedim beginnt, aus seinem Leben zu erzählen. Er sei aus der kurdischen Gemeinde Til Hesil in Aleppo. Til Hesil gehört neben der kurdischen Gemeinde Til Eran zu den Orten, die 2013 im Anschluss an das Treffen in der Stadt Dîlok (Antep) zwischen der türkischen Regierung und al-Nusra und anderen Dschihadistengruppierungen von Milizen überfallen worden sind. Damals wurden über 50 Zivilist*innen, meist Frauen und Kinder kaltblütig ermordet.

Ich bitte Onkel Ebû Nedim darum, mir über den Überfall auf Til Hesil und Til Eran zu berichten.

„Damals war ich Kämpfer in den Reihen der al-Akrad-Front. Ich gehörte zu der Gruppe, die zuerst auf die Angriffe reagierte. Es folgten Gefechte, bei denen wir viele Angreifer getötet haben. Aber als wir in einen Hinterhalt gerieten, kam es zu einem Massaker. Danach zogen wir fort nach Efrîn. Seitdem bin ich Teil der Armee der Revolutionäre, zu denen auch die al-Akrad-Front gehört.“

An jeder Front in Efrîn und Şehba treffen wir auf Geschichten von Menschen, die in diesem historischen Widerstand kämpfen. Es sind Menschen, deren Hoffnungen sich in ihren Augen widerspiegeln. Und es sind Geschichten von Menschen, die an die Revolution glauben.