„Efrîn leistet Widerstand für die gesamte Bevölkerung Syriens“

Hikmet Habib, Generalsekretär des Arabischen Nationalrats in Syrien, ruft zur Unterstützung des Projekts der demokratischen Selbstverwaltung und des Widerstands in Efrîn auf.

Im ANF-Interview äußert sich Hikmet Habib, der gleichzeitig Mitglied im Leitungsgremium des Rates Demokratisches Syrien (MSD) und Generalsekretär des Arabischen Nationalrats ist, zu der seit 44 andauernden Militärinvasion in Efrîn und dem Widerstand, der gegen die türkischen Angriffe geleistet wird.

Hikmet Habib verweist darauf, dass der IS vom türkischen Staat bei den Angriffen auf Efrîn eingesetzt wird: „Der IS hat im Auftrag der türkischen Regierung einen Stellvertreterkrieg in Syrien geführt. Der türkische Staat hat Mitglieder des IS und anderer Terrororganisationen aus der ganzen Welt über die 910 Kilometer lange Grenze nach Syrien einreisen lassen und sie unterstützt. Es wurde davon ausgegangen, dass der IS unbesiegbar ist. Er wurde jedoch von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und den YPG/YPJ in seiner angeblichen Hauptstadt Raqqa besiegt. Das passte dem türkischen Staat nicht. Er hat daraufhin die vom IS geflüchteten Mitglieder an andere Gruppen angeschlossen und sie unter verschiedenen Namen wie FSA, Opposition Syriens oder Nationale Armee Syrien neu organisiert. Mit diesen Gruppen, also mit dem IS und al-Nusra, greift der türkische Staat jetzt Efrîn an. Und dabei behauptet er in tragikomischer Weise, sowohl gegen die YPG als auch gegen den IS zu kämpfen.“

Türkei will Teile Syriens annektieren

Mit der Militärinvasion in Efrîn wolle der türkische Staat den nordsyrischen Kanton ebenso wie Cerablus, Bab und Azaz besetzen, erklärt Hikmet Habib weiter. Um diese Invasion zu rechtfertigen, habe er die YPG zu einer Terrororganisation erklärt: „Die Erdoğan-Regierung möchte den Traum vom Osmanischen Reich neu beleben. Wir sagen der gesamten Bevölkerung, dass es sich bei diesem türkischen Projekt um eine Besatzung handelt, die die Sicherheit der Region gefährdet.

Der Angriff aus Efrîn ist ein Angriff auf Syrien und die territoriale Gesamtheit Syriens. Wir alle kennen die türkischen Pläne und wissen, dass sich der türkische Staat aus Gebieten, die er wie Cerablus, Bab und Azaz besetzt hat, nicht wieder zurückziehen wird. Er hat es auf syrisches Territorium abgesehen und benutzt die YPG nur als Vorwand.

Wir sagen zu Erdoğan und allen anderen, dass die YPG von Angehörigen des syrischen Volkes gegründet worden sind. Seit Beginn der Krise in Syrien haben sie Syrien beschützt und gegen den Terror gekämpft. Außerdem ist kein einziger Schuss auf die Türkei abgegeben worden. Der türkische Staat hingegen hat den Terror unterstützt. Wo war denn der türkische Staat, als Tausende IS-Mitglieder über die Türkei nach Syrien gereist sind? Was hat die türkische Armee dagegen unternommen? Die Behauptung, die türkische Militäroperation richte sich auch gegen den IS, ist einfach unrealistisch.“

Russland und das Schweigen der internationalen Koalition

Zu dem türkisch-russischen Bündnis, das sich gegen die Völker Syriens richte, und das Schweigen der internationalen Weltgemeinschaft zu dem Angriffskrieg der Türkei erklärt Hikmet Habib: „Zwischen der Türkei und Russland gibt es ein Bündnis, das aufgrund der jeweiligen Interessen gegründet wurde. Russland hat seine strategische Verbindung zum Volk Syriens ignoriert und sich auf seinen eigenen Profit konzentriert. Damit will Russland die Türkei auf die eigene Linie bringen und eine Distanz zur NATO herstellen. Die anderen Staaten schweigen zu dem Angriff. Insbesondere die internationale Koalition gegen den IS schweigt, weil sie eigene Interessen verfolgt.“

Der Widerstand von Efrîn werde von allen Völkern Syriens unterstützt, meint Hikmet Habib: „Vor allem in Nordsyrien gibt es eine große Unterstützung. Wir haben auch Kontakte in die zentralen Gebiete Syriens. Auch dort wird der Widerstand in Efrîn mit großer Bewunderung verfolgt. Die Verteidigung Efrîns bedeutet gleichzeitig die Verteidigung der territorialen Gesamtheit Syriens. Das ist den Menschen in Syrien bewusst.

Auch international findet der Widerstand von Efrîn Anerkennung. Der türkische Staat setzt Kampfflugzeuge und sogar Chemiewaffen ein und kommt trotzdem nicht gegen den Widerstand an, der mit einfachen Waffen geleistet wird. Der Plan, gleich zu Beginn der Invasion eine Fluchtbewegung auszulösen, ist nicht aufgegangen. Die Bevölkerung ist in Efrîn geblieben.“

Ein demokratisches Projekt für ganz Syrien

Nach Ansicht von Hikmet Habib ist der Widerstand von Efrîn ein Resultat der in Nordsyrien aufgebauten Selbstverwaltungsstrukturen, an denen alle in der Region ansässigen Völker beteiligt seien: „In einigen Medien wird behauptet, es handele sich um ein rein kurdisches Projekt. Das ist falsch. Es stimmt, dass aus Syrien stammende Kurden eine Vorreiterrolle dabei gespielt haben. Es ist jetzt ein demokratisches Projekt für ganz Syrien. Daher betrachten sich Menschen aus allen Völkern Syriens als ein Teil davon. Es ist kein nationales Projekt und es basiert auch nicht auf einem Nationalstaat.

Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Nationalstaat erfolglos ist und nicht zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker und Glaubensgemeinschaften führt. Ein demokratischer föderaler Staat dient hingegen allen Menschen in Syrien. Ich rufe daher insbesondere das arabische Volk auf, dieses Projekt und den Widerstand von Efrîn zu unterstützen. Wir werden weiter daran arbeiten, ein demokratisches und föderales Syrien für alle hier lebenden Menschen aufzubauen.“