Die von der Türkei gesteuerte Dschihadistenmiliz Faylaq al-Sham weiten den Belagerungsring im ezidisch geprägten Kreis Şêrawa in der nordsyrischen Region Efrîn weiter aus. Wie Informanten der in Rojava ansässigen Nachrichtenagentur Hawarnews (ANHA) melden, hat sich die Zahl der eingekesselten Dörfer inzwischen auf fünf erhöht.
Seit dem 4. Dezember werden ezidische Dörfer in dem nicht vollständig von der Türkei und ihren islamistischen Hilfstrupps besetzten Kreis Şêrawa von Söldnern belagert. Als erstes traf es die Ortschaften Biyê, Basûfanê und Kebaşîn, inzwischen sitzen auch die Menschen in Burc Heyder und Beradê in ihren Dörfern fest. Der Zutritt und das Verlassen sind verboten, die Bevölkerung hat keinen Zugang zu Lebensmitteln. Darüber hinaus komme es permanent zu Razzien, auch wurden bereits mehrere Personen verschleppt. Von Xezal Menan Hisên, einer 45-jährigen Bewohnerin von Basûfanê, sowie fünf Männern im Alter von 22 bis 35 Jahren, fehle weiterhin jede Spur.
Şêrawa soll entvölkert werden
Die Ezidinnen und Eziden sind in den türkischen Besatzungszonen in Nordsyrien besonderer Unterdrückung ausgesetzt. Vor den Invasionen 2018 in Efrîn und 2019 in Serêkaniyê (Ras al-Ain) galten beide Regionen als Hauptsiedlungsgebiete für die ezidischen Kurden in Rojava. Nach der Besatzung wurden ezidische Einrichtungen und Heiligtümer geplündert und zerstört. Die Menschen stehen unter dem permanenten Druck der Besatzungstruppen. Sie gelten als Ungläubige und werden ständig bedroht – einschließlich Zwangskonversion und Enthauptung. In Şêrawa droht der ezidischen Bevölkerung sogar ein Massaker genozidalen Ausmaßes. Trotz eines Appells von 25 Menschenrechtsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen aus Nord- und Ostsyrien, die Bevölkerung in den eingekesselten Dörfern zu befreien, hält die internationale Gemeinschaft an ihrer Politik der Ignoranz fest.
Tausend Frauen verschleppt
Efrîn galt lange Zeit als die einzige friedliche Region in Syrien. Die türkische Armee startete gemeinsam mit islamistischen Milizen am 20. Januar 2018 eine Invasion, die am 18. März zur Besatzung des Kantons und zur Flucht von Hunderttausenden Menschen führte. Die verbliebene Bevölkerung und insbesondere Frauen sind seitdem IS-ähnlichen Methoden ausgesetzt. Frauen müssen sich verschleiern, sie werden verschleppt, vergewaltigt und gefoltert.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Efrîn sind im Zeitraum zwischen dem 20. Januar 2018 und September 2020 mindestens tausend Frauen verschleppt worden. Das Schicksal von 400 der Entführungsopfer ist ungeklärt. 76 Frauen wurden ermordet, weitere 76 Frauen wurden vergewaltigt. Kinderehen sind von zehn Prozent auf vierzig Prozent angestiegen. Allein in den ersten elf Monaten des Jahres 2020 sind 805 Frauen verschleppt worden, 54 von ihnen wurden ermordet.
Das Komitee für Recherche und Statistik des Frauenverbands Kongreya Star in Qamişlo hat einen Dreijahresbericht über die Situation von Frauen in Efrîn erstellt. In dem Bericht werden Vergewaltigungs- und Mordfälle mit genauen Angaben zur Identität der betroffenen Frauen dokumentiert. Für 2020 sind 30 Entführungen und fünf Morde an Frauen recherchiert worden, 13 Frauen wurden gegen Lösegeld freigelassen. „Missing Afrin Women“ berichtet von elf verschleppten Frauen im November. Eine der Verschleppten ist freigelassen worden, das Schicksal der anderen zehn ist unbekannt.