Die Liebe der Menschen aus Efrîn zu Bäumen und Pflanzen

Die Liebe zur Natur und die Kultivierung von Olivenbäumen und Pflanzen ist in Efrîn als zentrale und heilige Kultur von Generation zu Generation weitergegeben worden. Die durch die türkische Besatzung Vertriebenen halten an dieser Kultur fest.

Laut einigen Linguisten kommt der Name Efrîn von Kreativität und wir wissen, dass die Menschen aus der ursprünglichen Bevölkerung der Region einen kreativen Geist und Horizont haben. Efrîn ist in Kurdistan und Syrien für seine Landwirtschaft bekannt, insbesondere für den Olivenanbau. Es gibt Millionen von Olivenbäumen in Efrîn. In der Region wird seit Beginn der menschlichen Besiedlung bis heute die Liebe zur Landwirtschaft und zur Natur als zentrale und heilige Kultur von Generation zu Generation weitergegeben. Die Landwirtschaft gilt als Grundpfeiler für den Lebensunterhalt und die wirtschaftliche Entwicklung in Efrîn. Daher haben die Menschen vor Ort viele verschiedene und fortschrittliche Methoden und Mechanismen für die Anbaukultur entwickelt. Vor der Besatzung der Region wurde die Landwirtschaft weiterentwickelt und die Vegetation geschützt. Die grenzenlose Liebe der Menschen Efrîns zur Natur hat dazu geführt, dass Gedichte, Essays und Romane über den Olivenanbau geschrieben wurden.

Mit der am 20. Januar 2018 gestarteten Invasion wurde Efrîn vom türkischen Staat und seinen angeschlossenen Banden besetzt. Ein großer Teil der Bevölkerung wurde gewaltsam vertrieben und musste in andere Regionen Syriens flüchten. Als Folge dieser Invasion wurden Hunderte Liebesgeschichten zwischen den Menschen in Efrîn und den Olivenbäumen zerstört. Nach Ansicht der Menschen in Efrîn bedeutet das Pflanzen von Bäumen, insbesondere von Olivenbäumen, die Erziehung von Kindern. Aufgrund dieser Nähe und Liebe kümmern sich die Menschen um die Olivenbäume wie um ihre eigenen Kinder. Menschen und Olivenbäume wachsen zusammen und die alten Männer oder alten Frauen von Efrîn sehen Olivenbäume als ihre Kinder. Auch deshalb bereitete ihnen die Vertreibung großes Leid.

Hunderttausende Vertriebene kamen im März 2018 in die benachbarte Region Şehba, die für ihren starken Wind bekannt ist und einen eher wüstenähnlichen Charakter hat. Das Gebiet nördlich von Aleppo war bis 2016 von Islamisten besetzt und wurde von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) befreit. Durch den Krieg wurde die Region zerstört und die Landwirtschaft lag brach. Anders als in Efrîn mit seinen Olivenhainen wird in Şehba eher Weizen und Mais angebaut. Deshalb pflanzten die Vertriebenen aus Efrîn Bäume und Sträucher und wollten ihre Umgebung mit Grün schmücken. In den Lagern in Şehba wird vor jedem Zelt mindestens ein Baum gepflanzt oder ein kleiner Garten angelegt.

In den von der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens nach der Besatzung von Efrîn errichteten Camps in Şehba leben noch heute Zehntausende Menschen. Jede Familie in den fünf Lagern hat ein Zelt, das sechs Meter lang, vier Meter breit und zwei Meter hoch ist. Das Pflanzen von Bäumen vor den Zelten ist für alle Familien zu einer selbstverständlichen Verantwortung geworden. Im Laufe der Zeit wurden daraus Gärten und die Bäume wachsen langsam.

Şehba ist eine Enklave zwischen türkischer Besatzungszone und dem Gebiet unter Kontrolle des syrischen Regimes. Die Versorgung der Bevölkerung mit dem Grundbedarf ist aufgrund dieser Umklammerung kaum möglich. Eine der auftretenden Schwierigkeiten ist der Wassermangel. Für die Menschen aus Efrîn ist die Bewässerung ihrer Gärten und Bäume eine wichtige Aufgabe, denn sie ziehen inzwischen ihr eigenes Gemüse. Auch außerhalb der Camps leben viele Vertriebene, zumeist in halbverfallenen Häusern. Die Bedingungen sind hart, aber trotzdem wollen die meisten Menschen vorerst in Şehba bleiben. Der einzige Grund ist die Nähe zu Efrîn. Die Hoffnung auf Rückkehr in ihre alte Heimat lässt die Menschen ausharren. Sie sagen, dass sie sich weder der Türkei noch der syrischen Regierung beugen werden. Sie wissen auch, dass nur ihr Widerstand sie zum Ziel führen wird.