Der Widerstand fängt gerade erst an

Der Widerstand der YPJ-Kämpferinnen wird nicht mit der Vernichtung des IS enden.

Jede Kämpferin der YPJ, mit der ich gesprochen habe, unterstreicht, dass der Kampf gegen den Männerfaschismus gnadenlos weitergehen wird. So wie es die Kämpferin Azadî Avesta ausdrückt: „Bis alle Frauen der Welt befreit sind ..." Tatsächlich beginnt ihr Widerstand gerade erst jetzt.

Der Widerstand der Frauenverteidigungseinheiten YPJ, der beim epischen Sieg in Kobanê seinen Höhepunkt erreichte, geht heute in Dêra Zor weiter.

Die Rojava-Revolution ging nicht nur in die Geschichte ein, weil der Islamische Staat angesichts der Menschen, die sich dem Faschismus widersetzten, in die Knie ging. Die Revolution in Rojava ging auch durch die Wiederbelebung des Freigeistes der Frauen in die Geschichte ein. Jeder Sieg über den Islamischen Staat, all die befreiten Dörfer, all die Frauen, die an vorderster Front kämpfen, werden ihre Spuren nicht nur in der Geschichte hinterlassen, sie werden auch den nächsten Generationen ein mächtiges Erbe an Widerstand übergeben.

YPJ als weltweiter Anziehungspunkt

Die YPJ, die kurdische, arabische, ezidische, syrische, turkmenische, aramäische, assyrische Frauen ermutigte, sich gegen Faschismus und Ignoranz zur Wehr zu setzen, verdeutlicht den Willen der Frau nicht nur durch den bewaffneten Kampf, sondern auch im Alltagsleben.

Deshalb wurden sie überall auf der Welt zu einer Anziehungskraft für internationalistische Frauen und erweckten die Aufmerksamkeit von Frauen, die sich in den Fängen der modernen Sklaverei befanden.

Flaggen der YPJ/YJŞ auf dem Naim-Platz

In dem Befreiungskampf, der sich von Kobanê bis Dêra Zor erstreckte, wurden die herzlich lachenden Kämpferinnen zur moralischen Quelle für ihre Genossinnen an der Front. Nach 135 Tagen inmitten von heftigen Gefechten in Raqqa kamen sie mit ihren Genossinnen der Frauenverteidigungseinheiten Şengals (YJŞ) zusammen und gelangten zum Sieg. Dieses Treffen war eine Lektion fürs Leben. Dort, wo der Freibrief gegen Şengal ausgestellt wurde, Märkte gegründet wurden, um êzîdische Frauen zu versklaven, Menschen in der Öffentlichkeit vergewaltigt und hingerichtet wurden, sah ich am Tag des Sieges auf dem Davara-Naim-Platz in Raqqa die gehissten Flaggen der YPJ und YJŞ und dachte: „Das ist die Kraft der Frau. Das ist der Widerstand und der Wille der Frau“. Diese Szenen werde ich niemals vergessen.

Sie koordinieren den Krieg

Nach der Eroberung von Raqqa sind die Kämpferinnen heute an vorderster Front der Einheiten in Dêra Zor. Dabei sind sie auch Teil der Kriegsführungskoordinierung und üben ihre Verantwortung gründlich und diszipliniert aus.

In der Offensive Gewittersturm Cizîre spielen führende YPJ-Kommandeurinnen bei strategischen Entscheidungen eine ausschlaggebende Rolle, die den Verlauf des Krieges bestimmt. YPJ-Kommandeurinnen, besonders diejenigen, die beträchtliche Anstrengungen bei der Planung und Organisation von Angriffen und Säuberungsaktionen unternehmen, schreiben ein regelrechtes Heldinnenepos.

Sie sind überall an der Front

Die Kämpferinnen der YPJ sind nicht nur in den Stellungen, sondern in jeder Hinsicht eine Quelle der Freude. Zeuge der ersten Umarmungen mit der Zivilbevölkerung zu sein, die tiefe und innige Freundschaft unter ihnen zu spüren, bedeutet mir sehr viel.

Ob beim Feuer machen, Essen zubereiten, Vorbereitung der Waffen oder der Pflege ihrer Panzerfahrzeuge; die Kämpferinnen der YPJ gehen ihren Aufgaben mit bedingungsloser und aufrichtiger Verantwortung nach.

Vorbildlich bescheidenes Leben

Suluk, Şedadê, Tebqa, Minbic, Raqqa und nun Dêra Zor … All diese Offensiven waren sehr hart. Die Sandstürme in dieser Gegend wollten einfach nicht aufhören und der Krieg war hart. Unter diesen Bedingungen verloren sie Dutzende Freundinnen, ihre Finger am Abzug der Waffe. Ihre Augen füllen sich mit Tränen, wenn sie von ihren gefallenen Genossinnen sprechen. Doch wenn sie sich vor dem Kampf in Tanzreihen aufstellen, sieht man dieselben Augen vor Freude glänzen.

Der Aspekt, der mich am meisten beeindruckt hat, war ihre bescheidene Haltung. Sie sprechen nicht über die Siege, die sie gewinnen, rühmen sich nicht der vielen guten Dinge, die sie tun. Manchmal teilen sie eine Schüssel Reis oder eine einzige Gurke in unzählige Stücke. In ihren Stellungen, in denen sie in den eiskalten Nächten der Wüste Wache halten, teilen sie ihre Mäntel mit ihren Gefährtinnen. Mit ihrer Lebenshaltung und ihren Idealen, ihrer Solidarität untereinander, ihrer Ideologie basierend auf der Befreiung der Frau stellen die kämpfenden Frauen der YPJ für mich ein Beispiel für alle Frauen dieser Welt dar.

Die Internationalistinnen der YPJ

Vor allem nach dem Widerstand in Kobanê schlossen sich Frauen vieler Länder, darunter Deutschland, die Schweiz, Frankreich, England, Kanada, Spanien und die USA, den Frauenverteidigungseinheiten YPJ an. Angekommen in Rojava, geht es zur Akademie für neue Kämpferinnen. Dort erhalten sie sowohl eine ideologische, als auch eine militärische Ausbildung. Kurdisch steht ebenfalls auf dem Lehrplan. Ihr Interesse an der kurdischen Sprache führt dazu, die Sprache binnen kurzer Zeit fließend sprechen zu können. Vor allem die westlichen Medien interessieren sich brennend für die internationalistischen YPJ-Kämpferinnen.

Ihr Widerstand beginnt gerade erst

Der bewaffnete und ideologische Widerstand der YPJ-Kämpferinnen wird nicht mit der Vernichtung der Banden des Islamischen Staates enden. In den Interviews mit den Kämpferinnen der YPJ unterstrichen ausnahmslos alle, dass sie den männlichen Faschismus weiter bekämpfen werden.

So wie es die Kämpferin Azadî Avesta ausdrückt: „Bis alle Frauen der Welt befreit sind ..." Tatsächlich beginnt ihr Widerstand gerade erst jetzt.

YENI ÖZGÜR POLITIKA