Den Menschen aus Efrîn wird dasselbe wie den Armeniern angetan

Der Vater von Sadiye Ibrahim war einer der Armenier aus Riha (Urfa), die sich beim Genozid von 1915 retten konnten. „Was uns damals angetan wurde, wird heute den Menschen aus Efrîn angetan“, sagt sie.

Sadiye Ibrahim (64) ist in Amûde in Nordsyrien zur Welt gekommen. Ihr Vater war einer der Armenier aus der nordkurdischen Provinz Riha, der sich vor dem armenischen Genozid 1915 retten konnte. Ihre Mutter war Kurdin. Heute lebt Sadiye Ibrahim in Qamişlo. Sie bezeichnet sich selbst als Armenierin und ist mit der Ermahnung ihres Vaters aufgewachsen, ihre Wurzeln niemals zu vergessen. Das Leid ihres Vaters und des gesamten armenischen Volkes ist für sie allgegenwärtig. Zur aktuellen Situation in Efrîn sagt sie: „Genau wie 1915 werden heute die Menschen in Efrîn vertrieben und ermordet, Frauen und Kinder werden verschleppt.“

Von ihrer Familie haben nur ihr Vater und eine Tante den Genozid überlebt. „Ich habe meinen Vater immer traurig in Erinnerung. Er hat keinen schönen Tag erlebt. In der Hoffnung, seine Familie zu finden, fragte er ständig überall herum. Wir waren sechs Geschwister, er hat uns immer diese Geschichten von damals erzählt. ‚Kinder, vergesst eure Wurzeln nicht. Ihr seid heute Moslems, aber eigentlich seid ihr Armenier und Christen‘, sagte er. Die Familie, die ihn aufgenommen hatte, hat nämlich immer verheimlicht, dass er Armenier war, weil die Türken alle Armenier ermordet haben“, berichtet Sadiye Ibrahim.

Blutig und unvergesslich

Weiter erzählt sie: „Die Geschichte meines Vaters ist sehr schmerzlich und blutig. Es tut immer noch weh, unsere Wunden sind seit 103 Jahren nicht verheilt. Selbst unsere Kinder und Enkel werden diese Wunde weiter spüren. Wir werden niemals vergessen, was die Türkei uns angetan hat.

Heute können wir unsere armenische Identität in den Strukturen der demokratischen Autonomie frei ausleben. Was uns damals angetan wurde, findet jedoch heute in Efrîn statt. Unsere Wunden sind dadurch neu aufgerissen worden. Niemand sagt etwas dagegen. Wir kriegen vielleicht nicht alles mit, aber den Menschen in Efrîn wird Furchtbares angetan. Sie werden aus ihren Häusern geholt und an ihrer Stelle werden andere Menschen dort angesiedelt, genau wie damals mit den Armeniern.“