DEM will sich morgen zu Imrali-Besuch äußern

Erstmals nach Jahren hat Abdullah Öcalan Besuch von den DEM-Abgeordneten Sırrı Süreyya Önder und Pervin Buldan erhalten. Die Partei will sich morgen zu den Ergebnissen des Gesprächs äußern.

Gespräch mit Abdullah Öcalan

Erstmals nach fast zehn Jahren hat eine Delegation der HDP-Nachfolgerin DEM den kurdischen Vordenker Abdullah Öcalan besucht. Nach Angaben der Partei sind die Abgeordneten Sırrı Süreyya Önder und Pervin Buldan am Samstag zur Gefängnisinsel Imrali gefahren, um den dort in politischer Geiselhaft gehaltenen Öcalan zu sprechen. Zuvor hatte das türkische Justizministerium einen entsprechenden Besuchsantrag genehmigt.

Wie die DEM am Abend mitteilte, sei keine Pressekonferenz zum Ergebnis des Besuchs aus Imrali geplant. Am Sonntag wolle sich die Partei jedoch schriftlich zu der rund fünfstündigen Konsultation mit Öcalan äußern. Zuvor erklärte der Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tuncer Bakırhan, er hoffe, dass die Gespräche mit Öcalan „eine neue Ära“ für die demokratische Lösung der kurdischen Frage einleiten würden. „Während ich hier spreche, trifft sich unsere Delegation mit Herrn Abdullah Öcalan auf Imrali. Wir glauben, dass dies wichtig ist“, sagte Bakırhan in Qilaban (tr. Uludere) bei einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 13. Jahrestags des Massakers von Roboskî.

Das Tor von Imrali müsse sich öffnen, forderte Bakırhan. Er hoffe, dass die Gespräche auf der Insel es ermöglichten, die ungelöste kurdische Frage „durch demokratische Mittel auf einer demokratischen Grundlage“ zu lösen – und auch Impuls für die Aufarbeitung von Massakern wie dem in Roboskî sein werden. Dafür brauche es aber „ein wenig Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit“, sagte Bakırhan in Richtung Regierung.

Abdullah Öcalan | Archivbild

Sırrı Süreyya Önder und Pervin Buldan gehörten bereits während der Gespräche zwischen dem türkischen Staat und Abdullah Öcalan in den Jahren 2013 bis 2015 der Imrali-Delegation an. Am 28. Februar 2015 wurde in Istanbul der „Dolmabahçe-Konsens“ deklariert. Bei dem Abkommen handelte es sich um einen zwischen Abdullah Öcalan und dem türkischen Staat ausgehandelten Zehn-Punkte-Plan für eine Lösung der kurdischen Frage. Der Dialogprozess wurde kurz danach von Recep Tayyip Erdoğan beendet.

Völkerrechtswidrig verschleppt und in Isolationshaft

Abdullah Öcalan führte von der Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 1978 bis zu seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung aus Kenias Hauptstadt Nairobi auf die türkische Gefängnisinsel Imrali am 15. Februar 1999 den kurdischen Befreiungskampf an. Er gilt nach wie vor als führender Stratege und wichtigster politischer Repräsentant der kurdischen Freiheitsbewegung. Seine in Isolationshaft verfassten Gefängnisschriften, in denen er den Paradigmenwechsel der PKK von einer nationalen Befreiungspartei hin zu einer radikaldemokratischen, multiethnischen und politisch offenen Basisbewegung für den gesamten Nahen und Mittleren Osten anstieß und die politische Philosophie des Demokratischen Konföderalismus begründete, haben weltweit große Beachtung gefunden. Mehrfach initiierte Öcalan einseitige Waffenstillstände der Guerilla und lieferte konstruktive Vorschläge für eine demokratische und politische Lösung der kurdischen Frage. Seine Haft auf Imrali ist geprägt von Bedingungen, die im Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsstandards stehen. Anwalts- und Familienbesuche erhält Öcalan seit Jahren so gut wie gar nicht.

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