Das Nordsyrische Heer wird organisiert

Wie Siyabend Welat, der Generalkommandant der Verteidigungskräfte Nordsyrien erklärt, werde die militärische Organisierung in Zukunft die Form einer nordsyrischen Armee annehmen, die auch für die Grenzsicherung sorgen werde.

Die Verteidigungskräfte sind bereits am 1. November 2014 gegründet worden und haben sich in ganz Nordsyrien ausgebreitet. Sie spielten eine wichtige Rolle im Kampf gegen den IS und bereiten sich jetzt darauf vor, die Hauptrolle bei der Sicherung der Grenzen der Demokratischen Föderation Nordsyrien zu übernehmen. Die Verteidigungskräfte, die auch an der Offensive Cizîre-Sturm teilgenommen haben, sollen nun als Nordsyrisches Heer organisiert werden.

Mit Siyabend Welat sprach Berîtan Sarya für ANF:

 

Es gibt ja schon die YPG, YPJ und die QSD, wozu sind die Verteidigungskräfte notwendig?

Bereits vor der Gründung der Verteidigungskräfte am 1. November 2014 übten diese Gruppen schon militärische Aufgaben aus. Insbesondere die YPG und die YPJ haben einen heldenhaften Kampf gegen die Angriffe auf Rojava geführt. Es bestand dennoch die Notwendigkeit, ein Heer aufzubauen. Deswegen wurde die Entscheidung getroffen, Verteidigungskräfte aufzubauen. Die Gründungsphase war aufgrund der vorherrschenden Bedingungen sehr schwer.

Warum?

Es fanden verschiedenste feindliche Angriffe auf Rojava statt. Daher waren die Voraussetzungen für den Aufbau militärischer Strukturen sehr begrenzt.

Was haben Sie getan?

Wir haben zunächst über den Verteidigungsrat ein Militärbüro eingerichtet. Über das Militärbüro haben wir Menschen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren zum Militärdienst aufgefordert. Zu dieser Zeit begann unser erster Ausbildungskurs. In jedem unserer Kurse waren hundert Personen. Wir eröffneten einen Kurs in Girziro und einen in Tilbeyder. Zunächst sagten wir uns: „Lasst uns mit hundert Leuten anfangen und Erfahrungen sammeln.“ Dann kamen jedoch Hunderte junge Menschen und wollten den Militärdienst ableisten. Wir haben weitere Camps errichtet, insbesondere in Cizîre, in Til Kor, Debaka und Hesekê.

Reichte die quantitative Steigerung?

Nein, unser Bedarf ging nicht nur in Richtung Quantität, wir brauchten auch Offiziere.

Wie haben Sie das Problem gelöst?

Um dieses Problem zu lösen, haben wir eine Militärakademie in Amudê gegründet. Bald gab es die ersten fünfzig Absolventen. Danach machten wir mit 120 neuen Anwärtern weiter.

Blieb diese Arbeit auf das Gebiet Cizîre begrenzt?

Nein, blieb sie nicht. Wir haben weitere Camps in Kobanî und Efrîn eingerichtet. Auch in Minbic und Tabqa gibt es Camps von uns. Wir wollen uns nicht auf Rojava begrenzen und beginnen mit unserer Arbeit auch in anderen Teilen Nordsyriens. Minbic, Raqqa und Tabqa werden dabei eine Rolle spielen. So fangen wir gerade eine Ausbildung in Dêra Zor an, an der über 600 Personen teilnehmen. Die Verteidigungskräfte haben in Nordsyrien eine wichtige Rolle an der Seite der YPG und YPJ gespielt. Von nun an werden die Verteidigungskräfte insbesondere bei der Grenzsicherung Nordsyriens eine wichtige Rolle spielen.

In diesem Zusammenhang gab es wohl einige Unruhe in Minbic. Was ist der Grund dafür, was passiert dort?

Bei der Befreiung von Minbic sind 400 unserer Freunde gefallen, dort wurde ein massiver Widerstand geleistet. Niemand glaubte, dass Minbic aus den Händen des IS befreit werden könnte, aber die Bevölkerung hat an uns geglaubt. Spricht man jedoch von Verteidigung oder Militär, erscheint vor den Augen der Menschen das Bild vom Militärdienst für das Regime. Aufgrund dieser Annahme gab es Widersprüche. Außerdem sind die Institutionen dort ihrer Rolle in der Gesellschaft nicht gerecht geworden. Es gelang ihnen nicht, die Verteidigungskräfte richtig darzustellen und ihre Notwendigkeit zu erklären. Deswegen entstand Verunsicherung. Vor kurzem haben die Angehörigen in Dibaka an der Abschlusszeremonie einer Bildungseinheit für 400 Kämpfer teilgenommen. Sie haben sich ein eigenes Bild gemacht und mit den Kämpfern zusammen gegessen. Dadurch ist Vertrauen entstanden. In Minbic gab es Versäumnisse, aber wir arbeiten daran, sie zu überwinden.

Sie nehmen auch an der andauernden Offensive Cizîre-Sturm teil. Was für eine Rolle spielen Sie dabei?

Unsere Kräfte spielen eine entscheidende Rolle an der Seite der YPG und YPJ im Kampf gegen den IS. Wir werden in Dêra Zor die Grenze sichern. Alle unsere Kräfte sind freiwillig und auf eigenen Wunsch dort. Unsere Freunde sind auch in Gebieten wie Dêrik, Kobanê und Serêkaniyê.

Wir wissen, dass es von der US-geführten Koalition ebenfalls ein Projekt für die Verteidigungskräfte gibt. Können Sie das bitte etwas erläutern?

Sie helfen mit Technik und Ausbildung. Wir führen gemeinsam einen Krieg. Der Krieg gegen den IS geht zu Ende und wir gehen in eine Zeit über, in der die Verteidigung wichtiger wird. Wir haben im Moment in Nordsyrien gemeinsame Camps, um ein Verteidigungssystem aufzubauen. Sie geben unseren Kräften Waffen und bilden uns technisch aus. So wie wir den Krieg gemeinsam zu Ende bringen, werden wir danach auch weitermachen.

Sie haben von der Grenzsicherheit gesprochen. Nun ist ein Teil Nordsyriens von der Türkei besetzt. Efrîn, Şehba und Minbic sind bedroht. Welche Rolle werden die Verteidigungskräfte angesichts dieser Bedrohung spielen?

Wir trauen uns zu, ein ausreichend starkes Verteidigungssystem aufzubauen. Bis jetzt haben wir gegen den IS gekämpft und unsere Rolle gespielt. Von nun an werden die Verteidigungskräfte der Grenzsicherung dienen. Wir haben im Kampf gegen den IS bedeutsame Erfahrungen gesammelt. Nun wandeln wir diese Erfahrung in Bildung um. Wir werden unser Land gegen alle feindlichen Angriffe verteidigen.

Wir sagen das ganz offen; hier ist nicht Südkurdistan und auch nicht Kerkûk, hier können Kräfte wie Heşdi Shabi nicht einfach so eindringen. Tausende Menschen sind für die Verteidigung unseres Landes gefallen. Unsere größten Werte sind unser Land, unsere Gefallenen, unser Volk und unsere Menschen. Die Menschen machen bei uns nicht wegen des Geldes mit. Wir vermitteln ihnen Bildung in jeder Hinsicht. Unsere philosophischen und militärischen Erfahrungen betrachten wir als ein Erbe, das wir zu nutzen wissen. Gleich von welcher Seite es Angriffe auf Nordsyrien geben wird, werden unsere erfahrenen Kräfte die Region verteidigen.

Jetzt kann hier kein anderer Nachbarstaat, ob Syrien oder die Türkei, wie früher einfach so eindringen. Der syrische Staat ist vor dem IS weggelaufen. Die Kräfte, die dieses Land gegen den IS verteidigt haben, waren die YPG und die YPJ und die Verteidigungskräfte. Niemand sollte der Propaganda des Regimes Glauben schenken.