Mit einem eindringlichen Appell per Brief haben über dreißig politische Parteien und Organisationen in Nord- und Ostsyrien die Vereinten Nationen (UN) zur Einrichtung einer Flugverbotszone über den Autonomiegebieten aufgefordert. In dem an UN-Generalsekretär António Guterres gerichteten Brief äußern die Unterzeichnenden ihre Besorgnis angesichts der neuerlichen Kriegsdrohungen der Türkei gegen Nord- und Ostsyrien und verurteilen die nahezu täglich stattfindenden Verstöße gegen die Waffenstillstands- und Deeskalationsabkommen, die nach dem Angriffskrieg im Oktober 2019 von Ankara mit den Regierungen in Washington und Moskau ausgehandelt wurden.
„Wir sind besorgt über die Gefahr eines neuen Eingriffs in unsere Regionen, in denen die Idee des gleichberechtigten, multiethnischen und multireligiösen Zusammenlebens von allen Gemeinschaften gemeinsam mit der Selbstverwaltung in die Praxis umgesetzt wird. Wir verurteilen diese Drohungen und betrachten sie als Verletzung der territorialen Integrität und Souveränität Syriens“, heißt es in dem Brief, der am Sonntag an das UN-Büro in Qamişlo übergeben wurde. Xelef Dawûd von der „Bewegung für einen demokratischen Wandel“ trug den Appell im Anschluss an die Übergabe vor der Presse nochmals vor. Der Politiker warnte eindringlich vor den Folgen einer weiteren Invasion der Türkei, der die kriegsbelastete Situation in Syrien weiter destabilisieren, eine Fluchtwelle auslösen und das friedliche Zusammenleben der Völker sowie ihre Kultur zerstören würde. „Ein neuerlicher Einmarsch des türkischen Staates würde auch die Haltung der internationalen Gemeinschaft gegenüber Syrien weiter verkomplizieren und ihre Rolle bei der Lösung der Krise schwächen. Darüber hinaus würden Terrororganisation wie der sogenannte IS und andere Dschihadistenmilizen durch kriegerische Handlungen der Türkei gestärkt werden. Damit wären auch der internationale Frieden und die globale Sicherheit in Gefahr“, zitierte Dawûd aus dem Schreiben.
Mit Blick auf die ernstzunehmenden Drohungen aus Ankara seien die Vereinten Nationen daher nun gefordert, „eine Haltung im Sinne ihrer auf Menschenrechten basierenden Werte“ anzunehmen und eine Flugverbotszone über Nord- und Ostsyrien einzurichten, „damit die Zivilbevölkerung vor Luftangriffen der Türkei geschützt werden kann“, fordern die unterzeichnenden Parteien und Organisationen. „Auch im Hinblick auf eine ernstgemeinte Friedenspolitik müssen die UN handeln und den türkischen Staat für seine Völkerrechtsverletzungen in unseren Gebieten zur Rechenschaft ziehen. Es ist offensichtlich, dass die Regierung in Ankara den Schutz der öffentlichen Sicherheit in Nord- und Ostsyrien und internationale Gesetze ignoriert. Doch die Abnahme von negativen Reaktionen auf seine feindselige Wahrnehmung bestärken dieses Regime in seinem Handeln.“
Nord- und Ostsyrien wolle Probleme im Dialog und mit friedlichen Mitteln „jenseits von Krieg“ lösen, müsse sich aber ständig gegen Angriffe von außen verteidigen. „Wir laden UN-Generalsekretär António Guterres ein, die Rolle eines Friedensstifters einzunehmen und Garant für die friedliche Lösung aller Konflikte zwischen der Türkei und uns durch zu werden. Wir wollen das Leiden unseres Volkes beenden und es vor Gefahren bewahren.“ Niemand dürfe zulassen, dass das Völkerrecht in Nordostsyrien erneut mit Füßen getreten wird, sagte Dawûd.
Was sind Flugverbotszonen?
Flugverbotszonen sind ein Mittel der Vereinten Nationen, um Völkerrecht durchzusetzen. Sie werden eingesetzt, um die Bevölkerung in kriegerischen Auseinandersetzungen gegen Angriffe zu schützen. Als erste militärische Flugverbotszone gilt der Fall Irak aus dem Jahr 1991. Die Vereinten Nationen forderten in der Resolution 688 den besseren Schutz der Zivilisten im Norden des Landes (Südkurdistan), wo sich die kurdische Bevölkerung Angriffen des Regimes von Saddam Hussein ausgesetzt sah.