In Hesekê hat die erste Sitzung des Ausschusses zur Erneuerung des Gesellschaftsvertrags von Nordsyrien stattgefunden. Beteiligt an den Beratungen sind neben einer 30-köpfigen Fachgruppe auch 157 Personen aus Politik, der Zivilgesellschaft und Medien, die als Mitglieder mehrerer Arbeitsgruppen bei der Bevölkerung im Autonomiegebiet für einen neuen Gesellschaftsvertrag Öffentlichkeitsarbeit leisteten. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurden Dörfer, Städte und Gemeinden besucht und Treffen mit Menschen aus allen Bereichen des Lebens geführt, um politische, wirtschaftliche und soziale Probleme zu diskutieren und ihre Vorschläge über die Reform des Gesellschaftsvertrags in die Ausschussarbeit einzubeziehen.
Für die erste Runde der Beratungen wurden drei Sitzungstage angesetzt. Wie Daham Al-Sattam vom Ausschuss am Samstag am Rande des Treffens äußerte, setzte das Gremium zunächst eine ausführliche Diskussion über den vorgelegten Entwurf in Gang. Dieser wurde auf Grundlage der Vorschläge aus der Bevölkerung erarbeitet. „Wir haben bereits einige Änderungen im Gesellschaftsvertrag beschlossen. In den nächsten Sitzungstagen werden wir weitere Paragraphen in Einklang mit unserem Entwurf bringen“, erklärte Al-Sattam. Weitere Details nannte er zunächst nicht.
Daham Al-Sattam
Warum wird der Gesellschaftsvertrag erneuert?
Der Gesellschaftsvertrag ist hervorgegangen aus der Revolution von Rojava, die am 19. Juli 2012 in Kobanê ihren Anfang nahm. Als „Gesellschaftsvertrag der Demokratischen Föderation von Nordsyrien“ wurde er im Dezember 2016 von der Verfassungsgebenden Versammlung ratifiziert. Frauenbefreiung, Ökologie und Basisdemokratie sind die Grundprinzipien des Gesetzeswerkes. Insbesondere die Hervorhebung der lokalen Selbstverwaltung der Menschen in Räten und zivilgesellschaftlichen Organisationen hebt dieses Werk von anderen Verfassungen deutlich ab. Im Rahmen des Gesellschaftsvertrages haben alle Menschen im Autonomiegebiet das Recht, über ihre eigenen Anliegen zu entscheiden: Die Macht liegt in der Region und nicht im Zentrum. Das gibt der Bevölkerung die Möglichkeit, sich selbst zu repräsentieren und über ihr Leben zu entscheiden.
Mit dem militärischen Sieg über den IS ist das selbstverwaltete Territorium seit 2019 um Ostsyrien erweitert worden. Der Gesellschaftsvertrag soll jetzt an die neuen Entwicklungen angepasst werden. Zweck der Neuausrichtung ist es in erster Linie, den Schutz der Rechte aller Menschen in Nordostsyrien zu gewährleisten.
Kriegs- und pandemiebedingte Verzögerungen
Der Ausschuss zur Erneuerung des Gesellschaftsvertrags war Mitte Juli gebildet worden. Hatte es zunächst noch geheißen, dass der neue Entwurf innerhalb von zwei Monaten vorgelegt werden soll, verzögerte sich das Zeitfenster um weitere Monate. Durch die Bedingungen des Krieges - fortgesetzte Angriffe der Türkei und dschihadistischer Verbündeter sowie der Kampf gegen die Terrorgruppe IS - und der Corona-Pandemie war es den Arbeitsgruppen oftmals nicht möglich, ihre Treffen wie geplant durchzuführen.