Akute Angriffsdrohung gegen Rojava

Eine aus Deutschland nach Rojava gereiste Delegation der feministischen Kampagne „Gemeinsam Kämpfen“ ruft angesichts der türkischen Angriffsdrohung zur Unterstützung der demokratischen Autonomie in Nord- und Ostsyrien auf.

Seit mehreren Tagen kündigt der türkische Präsident Erdoğan an, die Demokratische Föderation Nordsyrien anzugreifen. Unter anderem bei Girê Spî (Tell Abyad) und Serekaniyê an der türkisch-syrischen Staatsgrenze werden türkische Armeeverbände zusammengezogen. Mit der gestrigen Ankündigung der USA, alle Soldaten aus Syrien abzuziehen, hat sich die Situation weiter verschärft. Öffnet sich mit dem US-Rückzug der Luftraum über Nordsyrien für die Türkei, droht dem östlich des Euphrat gelegenen Teils von Rojava und den gerade erst von der Terrorherrschaft des IS befreiten Gebieten in Nord- und Ostsyrien dasselbe Schicksal wie dem türkisch-dschihadistisch besetzten Efrîn.

Frauendelegation aus Deutschland in Rojava

In der Region hält sich seit einigen Wochen eine Delegation der feministischen Kampagne „Gemeinsam Kämpfen“ aus Deutschland auf. In einem aktuellen Aufruf erklären die Delegationsteilnehmerinnen die aktuelle Situation in Nordsyrien und appellieren dringend an die internationale Öffentlichkeit:

„Die Bevölkerung an der Grenze ist in großer Sorge. In ganz Nordsyrien finden Demonstrationen und Mahnwachen statt, Vertreter*innen aller Bevölkerungs- und Religionsgruppen haben sich gegen den Einmarsch ausgesprochen und ihre Bereitschaft erklärt, das Land zu verteidigen.

Leyla Güven, inhaftierte HDP-Abgeordnete und Ko-Vorsitzende des zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses DTK (Demokratischer Gesellschaftskongress), fordert seit über 40 Tagen mit einem Hungerstreik die Aufhebung der Isolation des PKK-Gründers Abdullah Öcalan. Inzwischen unterstützen Tausende ihre Forderung mit Solidaritätshungerstreiks auch in Rojava. Die Hungerstreikenden fordern die internationale Öffentlichkeit zu umgehenden Maßnahmen gegen die Kriegsdrohungen der Türkei auf, die eine Fortsetzung der Totalisolation gegen Öcalan darstellen.

Bei der am 10. September gestarteten Offensive der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) auf die letzte IS-Hochburg Hajin an der syrisch-irakischen Grenze konnten weitere Gebiete befreit werden.

Trump kündigt Rückzug an

In diesem Zusammenhang erklärte Donald Trump über Twitter, der Islamische Staat sei in Syrien besiegt worden. Das sei in seiner Amtszeit der einzige Grund für die US-amerikanische Präsenz in dem Land gewesen. Sollten sich die USA zurückziehen, wäre das eine 180-Grad-Wendung zu ihrer jetzigen Politik. Verteidigungsminister Jim Mattis und andere Regierungsvertreter hatten zuvor erklärt, die Anwesenheit US-amerikanischer Truppen in Syrien sei unvermeidlich, um ein Wiederaufleben des IS zu verhindern.

Salih Muslim: Ernstzunehmende Drohung

Salih Muslim erklärte über Ronahi TV, es gebe noch keinerlei offizielle Verlautbarungen der US-Streitkräfte. Die Drohung der Türkei sei sehr ernst zu nehmen. Rojava, insbesondere der Norden, ist in einem akuten Alarmzustand, von dem auch wir betroffen sind. Die Besatzung von Efrîn zeigt, was Rojava zu erwarten hat, sollte ein türkischer Angriff stattfinden. Seit Monaten plündern und morden dort islamistische Banden, junge Frauen wurden verschleppt, die Bevölkerung ist nach Shahba (Şehba) geflohen.

Als Delegation von ‚Gemeinsam Kämpfen‘ haben wir in den letzten Wochen sehen können, dass die Demokratische Autonomie in Nordsyrien unter größten Opfern aller Bevölkerungsgruppen aufgebaut und verteidigt wurde. Araber*innen, Kurd*innen, Suryoye, Armenier*innen, Turkmen*innen, Ezid*innen unterstützen dieses Projekt, haben Töchter und Söhne im Kampf verloren. Insbesondere von den Frauen geht eine große Kraft aus, dieses frauenbefreite und basisdemokratische Projekt weiterzuentwickeln. Wir haben hier den Aufbau einer Alternative zu Patriarchat und Vernichtung kennengelernt und sind sicher, dass dieses Projekt ein Projekt für alle Menschen ist, die sich nach Freiheit und einem anderen Leben sehnen.

Konkrete Forderung: Flugverbotszone über Nordsyrien

Konkret fordert die Demokratische Selbstverwaltung jetzt eine Flugverbotszone für Nordsyrien.

Wir rufen alle demokratischen, linken, feministischen Menschen auf, sich mit aller Kraft gegen den Krieg der Türkei auf Rojava und Nordsyrien zu positionieren und Widerstand zu leisten.“