Ain Issa: „Auch ich werde zur Waffe greifen“

Durch permanenten Artilleriebeschuss will die Türkei die Bevölkerung von Ain Issa in die Flucht treiben, um die nordsyrische Kleinstadt anschließend zu erobern. Viele Menschen aus der Bevölkerung sind entschlossen, sich zu wehren.

Ain Issa wird jeden Tag von den türkischen Invasionstruppen angegriffen. Die nordsyrische Kleinstadt liegt südlich der türkischen Besatzungszone und ist als Verbindungsglied zwischen den selbstverwalteten Regionen Euphrat (Kobanê) und Cizîrê von strategischer Bedeutung. In bewohnten Siedlungen in und um Ain Issa schlagen täglich Granaten ein. Es kommt zu Toten und Verletzten sowie zu Sachschäden von erheblichem Ausmaß. Zuletzt sind zwei Kinder ums Leben gekommen, die einen nicht detonierten Sprengkörper gefunden hatten. Auch in der vergangenen Nacht sind die Angriffe fortgesetzt worden.

Die Angriffe zielen offenbar darauf ab, die Bevölkerung mürbe zu machen und vor der eigentlichen Invasion in die Flucht zu treiben. Viele Menschen haben die Stadt bereits verlassen, um sich und ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Sicherheit gibt es jedoch auch in anderen Gegenden im Autonomiegebiet nicht. Die Auffanglager für Vertriebene sind überlaufen, die Versorgungslage ist prekär. Die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien erhält fast gar keine Unterstützung von außen.

 

Einer der Bewohner von Ain Issa sagt zu der aktuellen Situation: „Auch hier schlagen Granaten ein. Hier leben Zivilisten mit Kindern, es gibt hier keine militärischen Verbände. Wir sind alle Zivilisten. Das hier ist unser Land, unser Boden. Wo sollen wir denn mitten im Winter hingehen? Russland ist hier präsent, was wollen die Russen hier? Sind sie gekommen, um uns zu verraten und zu vertreiben? Angeblich sollen sie uns schützen, aber sie haben überhaupt keine Funktion. Bei den Gefechten am Morgen sind die Kugeln bis hier hingekommen. Wir können das Haus nicht verlassen. Das alles geschieht im Einverständnis der Russen. Die ganze Welt kann das sehen, warum wird dazu geschwiegen?“

Eine weitere Anwohnerin sagt: „Was will Erdogan von uns? Das hier ist unser Land, wir werden es nicht verlassen. Er kann noch so viele Angriffe durchführen, wir gehen nicht weg. Wir haben einen so hohen Preis gezahlt. Und wir sind bereit, das auch weiter zu tun. Wenn wir sterben müssen, dann auf unserem eigenen Boden. Die Präsenz der Russen hier ist vollkommen sinnlos. Sie haben ein Bündnis gegen uns geschmiedet. Wir haben für unser Land Blut vergossen, wir können es nicht im Stich lassen. Unsere Kinder können nicht mehr zur Schule gehen. Die Russen und das Regime sollen von hier verschwinden, sie helfen uns sowieso nicht. Ich bin Mutter und habe drei meiner Kinder gegeben. Wenn es notwendig ist, werde auch ich zur Waffe greifen.“