Das Massaker von Efrîn und die anderen Gräueltaten der türkisch-dschihadistischen Truppen in Syrien dürfen nicht ohne Konsequenzen bleiben. Das fordert die Abteilung für Außenbeziehungen der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES) und ruft die internationale Gemeinschaft zu notwendigen Maßnahmen gegen die Besatzungsmacht auf. „Rechenschaft muss unvermeidbar sein“, verlangt auch der Demokratische Syrienrat (MSD). In Efrîn sei ein Kriegsverbrechen verübt worden, das geahndet gehöre.
In der Nacht von Montag auf Dienstag waren in der Kreisstadt Cindirês im ehemaligen Kanton Efrîn vier Mitglieder einer kurdischen Familie von der Türkei-treuen Söldnertruppe „Ahrar al-Sharqiya“ erschossen worden. Die Männer im Alter zwischen 18 und 43 Jahren hatten ein Feuer vor ihrem Haus entzündet, um das kurdische Neujahrsfest Newroz zu begehen. Eine Augenzeugin, deren Bruder sich unter den Opfern befindet, berichtete, dass die Söldner die Kurden erst beleidigt und dann mit Steinen beworfen hätten, bevor sie plötzlich ihre Waffen zogen.
Einst galt Efrîn als sicherer Hafen inmitten eines brutal geführten syrischen Bürgerkriegs und wurde nach dem Kantonsprinzip von Rojava selbstverwaltet. Seit der Besetzung durch die Türkei und ihre islamistischen Verbündeten im März 2018 ist der Alltag geprägt von Gewalt in ihren unterschiedlichsten Ausformungen. Unter den Besatzungstruppen wurde ein Terrorregime etabliert: Neben Bombardierungen von zivilen Siedlungsgebieten gehören Verschleppungen, Exekutionen, Folter, Plünderung und Vertreibung zum Tagesgeschäft der türkischen Armee und ihrer Milizen. Die kurdische Bevölkerung wurde zum Großteil vertrieben und durch islamistische Siedler ersetzt.
Terrorregime in Efrîn beenden
„Wir rufen die internationale Gemeinschaft und internationale Menschenrechtsorganisationen auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und diese Verbrecher vor Gericht zu stellen. Es muss eine unabhängige internationale Untersuchung all dieser kriminellen Handlungen eingeleitet und die Täter müssen für alle Verbrechen, die in Efrîn und den übrigen besetzten Gebieten Syriens begangen wurden, zur Rechenschaft gezogen werden“, fordert die AANES. Es sei auch dringend notwendig, die türkische Besatzung in Syrien zu beenden. „Denn die Existenz und Fortsetzung der Besatzung stellt eine große Gefahr für die Region dar“, betont die Selbstverwaltung. In Efrîn und allen anderen besetzten Gebieten gehe es nicht nur um die dortige Bevölkerung, sondern um die ganze Menschheit. Es sei die Pflicht und Verantwortung der internationalen Gemeinschaft und demokratischer Gesellschaften, dafür zu sorgen, dass das Terrorregime in Efrîn endet und alle Vertriebenen in ihre Wohngebiete zurückkehren, damit ein freies und würdevolles Leben für die Menschen möglich wird.
MSD: Antikurdischer Rundumschlag in der Besatzungszone
Der MSD weist darauf hin, dass das Massaker in Cindirês nicht getrennt von der Besatzung, Vertreibung und dem antikurdischen Rundumschlag in der Region betrachtet werden könne. „Dieses Verbrechen hat auch eine politische, sicherheitspolitische und soziale Dimension. Die Besatzungsmacht und ihre Elemente, die Efrîn besetzen, sind für dieses Verbrechen verantwortlich. All jene, die angesichts der Besatzung und ethnischen Säuberung in Efrîn schweigen, sind Mitverantwortliche des Massakers.“ Was jetzt zu tun sei, liege jedenfalls klar auf dem Tisch:
1- Efrîn muss zu einer entmilitarisierten, humanitären Zone erklärt und alle bewaffneten Gruppen müssen vertrieben werden. Die angestammte Bevölkerung muss unter der Aufsicht der internationalen Gemeinschaft sicher in ihre Heimat zurückkehren.
2- Die Verantwortlichen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und täglichen Rechtsverletzungen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
3- Die Verwaltung und die Sicherheit der Region Efrîn müssen der lokalen Bevölkerung übergeben werden und ein faires Strafverfolgungssystem muss eingerichtet werden.
4- Alle verschleppten und inhaftierten Bürgerinnen und Bürger müssen freigelassen werden. Das Schicksal der gewaltsam Verschwundengelassenen muss aufgeklärt werden, und denjenigen, die geschädigt wurden, muss geholfen werden. Betroffene müssen Reparationen und Entschädigungen für Kriegsverluste erhalten.
5- Unabhängige Medien und internationale Rechtsorganisationen müssen Zugang zu Efrîn erhalten.
Über den Demokratischen Syrienrat
Der Demokratische Syrienrat ist eine 2015 gegründete Versammlung, die politische Parteien und Organisationen in Nord- und Ostsyrien vertritt. Der MSD schafft einen politischen Rahmen für die Regierungsführung in Syrien nach einem dezentralen und föderalen Modell. Er ist das politische Gremium, dem die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) Bericht erstatten. Er ist auch das politische Gegenstück zur Selbstverwaltung, die mehr administrative und exekutive Funktionen übernimmt. Die Verhandlungen mit der syrischen Regierung sowie die diplomatischen Beziehungen mit anderen Ländern werden in der Regel über den MSD geführt.