Oktay Candemir gegen Meldeauflagen freigelassen

Der gestern in Wan festgenommene Journalist Oktay Candemir ist gegen Meldeauflagen freigelassen worden. Die Festnahme erfolgte nicht wie zunächst angenommen wegen Terrorvorwürfen, sondern „Verunglimpfung des Andenkens der Gründer des Osmanischen Reiches“.

Der am Montag bei einer Hausdurchsuchung in der nordkurdischen Provinz Wan (türk. Van) festgenommene Journalist Oktay Candemir ist auf freien Fuß gesetzt worden. Ein Gericht in der gleichnamigen Provinzhauptstadt ordnete am Dienstag die Freilassung des 44-Jährigen an, allerdings nur gegen Meldeauflagen. Zudem wurde ein Ausreiseverbot verhängt. 

Wie Candemir gegenüber ANF äußerte, erfolgte die Festnahme jedoch nicht wie zunächst von der Polizei angegeben aufgrund eines Terrorverfahrens, das weiterhin anhängig ist, sondern wegen Ermittlungen wegen des Vorwurfs der „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ gemäß Artikel 130/1 Türkisches Strafgesetzbuch (TCK).

Konkret geht es um einen Beitrag Candemirs bei Twitter. Mit Blick auf die türkischen Fernsehserien „Diriliş: Ertuğrul (deutsch: Die Auferstehung des Ertuğrul) und „Kuruluş: Osman“ (deutsch: Die Gründung der osmanischen Dynastie), die die Geschichte des oghusischen Clanführers Ertuğrul Gazi erzählen, dessen Sohn das Osmanische Reich gründete, schrieb Candemir sarkastisch: „Vermutlich folgen demnächst auch Serien wie ‚Die Ohnmacht des Yavuz‘, ‚Die Besinnung des Fatih‘, ‚Der Schlaf des Kanuni‘, ‚Die Auferstehung des Murat IV‘, ‚Die Klagen des Abdülhamit‘ und ‚Das Flehen des Vahdettin‘.“ Nach Angaben der Organisation Media and Law Studies Association (MLSA), die Candemir anwaltliche Pro-Bono-Unterstützung bietet, ist es das erste Mal, dass sich ein Journalist wegen der vermeintlichen Verunglimpfung des Andenkens der Gründer des Osmanischen Reiches auseinandersetzen muss.

Immer wieder im Visier der Sicherheitsbehörden

Seit knapp zwei Jahrzehnten arbeitet Oktay Candemir als Journalist, unter anderem für die 2016 per Notstandsdekret verbotene kurdische Nachrichtenagentur DIHA. Auch für ANF war er lange Jahre als Korrespondent tätig. Immer wieder geriet er dabei ins Visier der Sicherheitsbehörden. So wurde er bereits über 40 Mal in den letzten vier Jahren zur Polizei vorgeladen, außerdem musste er sich bereits mit mehr als zwei Dutzend Ermittlungsverfahren auseinandersetzen. Dreimal wurde er bei Razzien festgenommen und nur gegen Meldeauflagen auf freien Fuß gesetzt. Seit Anfang 2018 muss er sich wöchentlich bei den Behörden melden. Ein Jahr saß er in verschiedenen Gefängnissen in Untersuchungshaft.