Samstagsmütter fragen nach Verschleppten

Die Samstagsmütter in Istanbul haben nach dem Verbleib von sechs Personen gefragt, die im Zusammenhang mit dem versuchten Militärputsch in der Türkei im Februar dieses Jahres verschleppt worden sind.

Seit Jahren kämpfen die Samstagsmütter in Istanbul für die Aufklärung der Fälle ihrer Angehörigen, die nach der Festnahme verschwunden sind, und fordern eine Bestrafung der Täter. Heute gingen sie zum 745. Mal auf die Straße. Ihr angestammter Kundgebungsort auf dem Galatasaray-Platz wird seit letztem Jahr jeden Samstag von der Polizei abgesperrt, daher kamen die Mitglieder der Initiative mit ihren Unterstützer*innen vor dem Gebäude des Menschenrechtsvereins IHD in einer Seitenstraße der Istiklal Caddesi zusammen. An der Kundgebung, die wie gewöhnlich nur in einem Polizeikessel stattfinden konnte, nahmen unter anderem die Abgeordneten Ali Kenanoğlu (HDP) und Sezgin Tanrıkulu (CHP) teil.

Thema der heutigen Aktion waren Vermisstenfälle aus diesem Jahr. Im Februar 2019 sind sechs Personen verschleppt worden und seitdem trotz intensiver Suche ihrer Angehörigen spurlos verschwunden. Laut Zeugenaussagen sind die Betroffenen gewaltsam entführt worden.

Gökhan Türkmen

Gökhan Türkmen wurde nach dem versuchten Militärputsch vom 15. Juli 2016 aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Am 9. August 2016 wurde in seiner Abwesenheit seine Wohnung von der Polizei durchsucht. Seiner Frau wurde mitgeteilt, dass nach ihm gefahndet wird. Noch während der Durchsuchung trafen sechs bis sieben Angehörige einer polizeilichen Sondereinheit ein, die ebenfalls nach Gökhan Türkmen suchten. Türkmen kehrte nicht in seine Wohnung zurück, hielt aber telefonischen Kontakt mit seiner Familie. Am 2. Februar sagte er seiner Mutter am Telefon, dass die Familie Anzeige stellen solle, falls er sich eine Woche lang nicht melden sollte. Am 7. Februar verließ er die Wohnung seines Vaters in Antalya und ist seitdem spurlos verschwunden.

Yasin Ugan und Özgür Kaya

Auch nach Yasin Ugan und Özgür Kaya wurde nach dem versuchten Militärputsch gefahndet und sie konnten nicht in ihre Wohnungen zurückkehren. Stattdessen mieteten sie gemeinsam eine Wohnung in Ankara an. Am 13. Februar 2019 wurde die Tür von bewaffneten Personen aufgebrochen, die sich als Polizisten bezeichneten. Ugan und Kaya wurden mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt, über ihre Köpfe wurden schwarze Säcke gezogen. Sie wurden mit einem weißen Kleinbus abtransportiert. Seitdem gibt es keine Spur mehr von ihnen.

Erkan Irmak

Der Lehrer Erkan Irmak lebte in Istanbul und musste seine Familienwohnung verlassen, weil nach ihm gefahndet wurde. Von Zeit zu Zeit ging er seine Familie besuchen. Nach einem dieser Besuche am 16. Februar 2019 verließ er die Wohnung um 23 Uhr. Seine Frau beobachtete vom Fenster aus, dass Irmak von drei Personen verschleppt wurde. Die Familie erstattete Anzeige, aber bis heute ist sein Verbleib ungeklärt.

Mustafa Yılmaz

Der 33-jährige Physiotherapeut Mustafa Yılmaz lebte in Ankara und wurde im Oktober 2018 wegen vermeintlicher Nähe zur Gülen-Gemeinde verhaftet. Im Januar 2019 wurde er zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, zunächst jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt, weil sein Revisionsverfahren andauerte. Am 19. Februar 2019 ging er zur Arbeit und ist seitdem spurlos verschwunden. Aufnahmen aus einer Überwachungskamera zeigen, dass er gewaltsam in einen schwarzen Transporter gezogen worden ist.

Salim Zeybek

Salim Zeybek lebte in Ankara und wurde per Dekret aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Da er von einer Fahndung gegen sich ausging, tauchte er unter und hielt nur telefonischen Kontakt zu seiner Frau. Am 21. Februar 2019 traf er sich mit seiner Frau und seinen Kindern in Istanbul. Das Fahrzeug, in dem sich die Familie befand, wurde von bewaffneten Zivilpersonen gestoppt. Salim Zeybek wurde von seiner Familie getrennt. Seine Frau und seine Kinder wurden nach Ankara zurückgebracht, das Nummernschild des Fahrzeuges wurde auf dem Weg mehrmals ausgetauscht. Bevor die Frau laufengelassen wurde, sagten die bewaffneten Personen zu ihr: „Wir sind der Staat, geh nicht zur Polizei oder zur Staatsanwaltschaft. Hör auf uns, früher oder später werden wir dich deinen Mann sehen lassen. Zunächst muss er allerdings durch unsere Hände gehen.“ Seitdem ist Salim Zeybek spurlos verschwunden.