Der im Typ-F-Gefängnis von Tekirdağ inhaftierte Vefa Kartal (42) befindet sich seit 79 Tagen im Todesfasten. Er möchte mit der Aktion auf die Situation der kranken Gefangenen und seine Nichtbehandlung aufmerksam machen. Kartal wird seit dem 18. September 2017 in einer Einzelzelle gefangen gehalten. Er leidet an multiplen Erkrankungen, unter anderem Herzrhythmusstörungen, Wucherungen am Rücken, Hepatitis B, einem Magengeschwür, Bluthochdruck, Darmspasmen, Geschwüren, Zysten und Erkrankungen der Atemwege.
„Er wird aus Willkür nicht in ein Krankenhaus gebracht“
Umut Kartal berichtet über die Situation seines Bruders: „Bevor er ins Gefängnis von Tekirdağ gebracht wurde, saß er im Kırıklar-Gefängnis. Ihm wird willkürlich das Recht auf Behandlung verweigert. Er hat eine Wucherung an den Hirnlappen. Zuvor war eine MRT angefertigt worden, die absichtlich verloren ging. Dann wurde ein neuer Termin vergeben. Der Krankenhausbesuch wurde meinem Bruder allerdings willkürlich verweigert. Beim Justizministerium hat er einen Antrag auf Behandlung eingereicht. Aber mit dem Argument, er müsse eine Aussage machen, wurde er zur Generalstaatsanwaltschaft Izmir gebracht. Dort fragte man ihn, ob es sich bei den Anträgen um seine handelt. Als er bejahte, wurden sie zerrissen und auf den Boden geworfen. Anschließend wurde er zurück nach Tekirdağ gebracht.“
Als Vefa Kartal am 18. September 2017 nach Tekirdağ verlegt wurde, ist ihm die Nachsendung seines Besitzes verweigert worden. „Er führte einen hunderttägigen Hungerstreik durch und beendete ihn erst, als er seine Sachen bekam", sagt Umut Kartal.
„Ich sterbe in Würde“
Kartal berichtet von einem Telefonat, das er am 12. September mit seinem Bruder geführt hat: „Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, sagte er: ‚Ich kann jetzt nichts mehr erwarten, als mit meiner Würde zu sterben.‘ Als wir gestern wieder anriefen, konnte er nicht zum Telefon, da er nicht mehr laufen kann. Wir haben der Gefängnisleitung erklärt, dass wir ihn besuchen wollen, doch es wurde keine Erlaubnis erteilt. Es gibt die Möglichkeit zum geschlossenen Besuch. Aber er ist nicht in dem Zustand, um so einem Besuchstermin wahrzunehmen.“
Entschlossen, die Aktion fortzusetzen
Sein Bruder sitze nun schon seit einem Jahr in Einzelhaft. Aufgrund dessen gäbe es niemanden, der ihm helfen könne. Solange ihm die Behandlung verweigert wird, werde Vefa sein Todesfasten weiterführen, sagt Umut Kartal. „Er wird keine Intervention akzeptieren. Bei so einer Zwangsernährung ist das Risiko einer Behinderung groß. Immer wenn wir mit der Gefängnisleitung sprechen, wird uns gesagt: ‚Er soll sein Todesfasten beenden, dann bringen wir ihn dorthin, wohin er will.‘ Wir wollen keine Verlegung, sondern seine Behandlung.“
Kartal hebt hervor, dass der Widerstand seines Bruders dazu diene, Aufmerksamkeit auf die Lage der kranken Gefangenen zu ziehen: „Sein Widerstand ist kein individueller Widerstand. Es geht darum, die Aufmerksamkeit auf die Lage der hunderten kranken Gefangenen, die an der Schwelle zum Tod stehen, zu lenken. Statt eines stillen, passiven Todes, will er eine würdige Haltung zeigen. Wir sind an seiner Seite.“