Kein Schutz für afghanische Flüchtlinge in der Türkei

Die Bedingungen für Schutzsuchende aus Afghanistan in der Türkei verschlechtern sich kontinuierlich. Sie sitzen auf der Straße oder werden inhaftiert und abgeschoben.

Ein wesentlicher Bestandteil des EU-Türkei-Abkommens ist die Abschottung der EU-Außengrenze durch die Türkei. So sollen Schutzsuchende daran gehindert werden, Europa zu erreichen. Die Mehrheit von ihnen lebt unter schwierigsten Bedingungen in der Türkei. Versuchen sie dem von Obdachlosigkeit, Kinderarbeit und Diskriminierung geprägten Leben zu entkommen, werden sie, wenn sie die Überfahrt nach Griechenland überleben, immer wieder in die Türkei zurückgeschickt. Vor allem Schutzsuchende aus Afghanistan unterliegen gleich einer mehrfachen Diskriminierung und werden häufig bis zu ihrer Abschiebung inhaftiert. Im Jahr 2018 haben 37.854 afghanische Flüchtlinge einen vorläufigen Aufenthaltstitel erhalten – kein Schutzsuchender aus Afghanistan erhielt allerdings eine langfristige Aufenthaltserlaubnis. Da die Türkei die Genfer Konvention nur mit regionalem Vorbehalt unterzeichnet hat, gibt es für fast alle Schutzsuchenden kein Recht auf Asyl. Sie haben in der Türkei weder das Recht zu arbeiten noch auf Grundversorgung oder Unterbringung. Der Vorsitzende des Hilfsvereins für Flüchtlinge aus Afghanistan (ARSA), Ali Hekmat, berichtet, dass sich Schutzsuchende aus Afghanistan als Illegalisierte durchschlagen müssen.

Hekmat kritisierte insbesondere auch die Politik der „freiwilligen Rückkehr“ nach Afghanistan, welche Europa mit den REAG/GARP und dem ERRIN-Programm sowie die Türkei praktizieren, als unmenschlich. Im Rahmen dieser Programme wird den Menschen ein Arbeitsplatz in Afghanistan versprochen und „besonders vulnerable“ Schutzsuchende erhalten sogar noch eine Prämie. Aufgrund der Lebensbedingungen und der permanenten Abschiebedrohung kann weder in Europa und schon gar nicht in der Türkei von freiwilliger Rückkehr die Rede sein.

Illegale Abschiebungen, katastrophale Lebensbedingungen

Hekmat erklärt, dass in der Türkei etwa 200.000 afghanische Flüchtlinge registriert sind. Von ihnen wurden 3.000 bisher für ein Resettlementprogramm des UNHCR ausgewählt. Hekmat dazu: „Obwohl diese Personen meist seit über zehn Jahren in der Türkei leben, werden leider nicht einmal diese 3.000 Menschen umgesiedelt.“ Er betont, dass die Bedingungen schrecklich sind, die Menschenrechte der Schutzsuchenden systematisch verletzt und sie internationalen Konventionen zum Trotz illegal abgeschoben werden. „Die Abschiebungen aus der Türkei wie auch aus Europa sind nicht humanitär, sondern politisch motiviert. Die Abgeschobenen können nicht wieder in Afghanistan leben, ihnen bleibt nur der erneute Weg der Flucht“, erklärt er.

25.000 Afghanen im ersten Halbjahr abgeschoben

Hekmat berichtet, dass im ersten Halbjahr 2019 mehr als 25.000 Schutzsuchende aus der Türkei nach Afghanistan abgeschoben und 52.934 in Gewahrsam genommen worden sind: „Das bedeutet, dass jeder zweite in Gewahrsam genommene afghanische Flüchtling abgeschoben wird. Aufgrund der flüchtlingsfeindlichen Politik in Europa wird den Schutzsuchenden das Leben schwer gemacht und die Zahl der Abschiebungen steigt. 2018 wurden fast 100.000 Flüchtlinge aus Afghanistan in Gewahrsam genommen. Sie stellen die größte Gruppe unter den 268.000 im Jahr 2018 aufgegriffenen Flüchtlingen in der Türkei dar. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 waren es 52.934. Mit der Verschlechterung der ökonomischen und sozialen Lage im Iran hat sich die Situation noch weiter verschlimmert. Die Türkei hat die 144 Kilometer lange Grenze zum Iran vollkommen durch eine Mauer geschlossen.“

Abschiebelager in Osmaniye

In Osmaniye befindet sich ein Abschiebelager mit 4.000 Plätzen, in dem afghanische Schutzsuchende festgehalten und abgeschoben werden.