Die vor knapp einer Woche in ihrem Dorf in der nordkurdischen Provinz Mêrdîn am Rande einer Militäroperation festgenommenen Eheleute Faize und Ibrahim Dinler befinden sich noch immer in Polizeigewahrsam. Was ihnen zum Vorwurf, ist weiterhin unklar. Inzwischen bekannt gewordene Details über die Umstände der Festnahme der beiden über Siebzigjährigen deuten jedoch auf einen Racheakt der türkischen Militärpolizei hin. Das vermutet auch der Menschenrechtsverein IHD, der das Paar in Polizeihaft besuchen konnte.
Faize (72) und Ibrahim (73) Dinler stammen aus dem Dorf Qurdîsê (tr. Yardere) in der östlich von Mêrdîn gelegenen Omeriya-Region unweit der antiken Stadt Dara. Vergangenen Montag wurden sie überfallartig festgenommen und in das Polizeipräsidium in Mêrdîn gebracht. Drei Tage zuvor war in der Region eine Militäroperation eingeleitet worden, in deren Verlauf zwei HPG-Mitglieder ums Leben gekommen sein sollen. Aufgrund des extrem aggressiven Auftretens des Militärs der Zivilbevölkerung gegenüber wird davon ausgegangen, dass es bei den Auseinandersetzungen auch zu Verlusten in den Reihen des Militärs kam.
Wie der Rechtsanwalt Fevzi Adsız, der die IHD-Zweigstelle in Mêrdîn leitet, berichtet, seien Faize und Ibrahim Dinler bei ihrer Festnahme teils schwer misshandelt worden. Zwar sollen beide Eheleute geschlagen worden sein, den Mann habe es aber schlimmer getroffen. „Ibrahim Dinler wurde über den Boden geschleift, geschlagen und getreten. Auch als er bereits am Boden lag, wurde er noch mit Fußtritten massiv traktiert“, äußert Adsız. Der 73-Jährige habe während des Gesprächs immer wieder mit der Hand auf seinen Brustkorb gegriffen und über Schmerzen zwischen Brustbein und Rippen geklagt. Zusätzlich zur körperlichen Misshandlung beklagt der IHD psychische Folter.
„Sowohl Ibrahim Dinler als auch seine Ehefrau Faize wirkten erschöpft und ermüdet. Zudem machten beide einen vollkommen verstörten Eindruck. Die Polizei setzte sie unter Druck, um ein Verhör zu erzwingen. Obwohl sich ihre Kinder nicht in Gewahrsam befinden, wurde das Gegenteil behauptet. Es wurde suggeriert, dass die Kinder verhaftet und im Gefängnis landen würden“, schildert Fevzi Adsız. Mit Methoden wie diesen versuchen türkische Sicherheitskräfte, falsche Geständnisse zu erzwingen oder Informationen über vermeintliche Rückzugsgebiete oder Unterstützer:innen der Guerilla zu erpressen.
Der Druck auf das Paar wurde erhöht, als es den Namen von Eren Keskin, Ko-Vorsitzende der IHD-Zentrale und bekannte Menschenrechtsverteidigerin, als seinen Rechtsbeistand nannte. „Es wurden etliche Fragen wie ‚Warum ist Eren Keskin eure Anwältin? Woher kennt ihr sie? Auf welche Weise soll sie euch überhaupt helfen können?‘ gestellt. Es lief auf eine Kriminalisierung unserer Kollegin hinaus“, sagt Fevzi Adsız. Der IHD ist besorgt um das Leben von Faize und Ibrahim Dinler und fordert ihre sofortige Entlassung aus dem Polizeigewahrsam. „Statt die Senior:innen weiterhin in einer Arrestzelle festzuhalten, müssten sie umgehend in ein voll ausgestattetes Krankenhaus eingeliefert werden“, verlangt Adsız.