Ayten Dersim: Die PKK ist ein lebendiges Wesen

Ayten Dersim, Mitglied der PAJK-Koordination, hat auf dem PKK-Kongress den auf eine mentale Revolution der Gesellschaft hinführenden roten Faden der Geschichte des kurdischen Freiheitskampfes ideologisch-philosophisch anhand von Öcalans Analysen erörtert.

Demokratie entsteht als innere Dynamik

Der 12. außerordentliche Kongress der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) fand vom 5. bis 7. Mai gleichzeitig parallel in zwei verschiedenen Regionen der Medya-Verteidigungsgebiete statt. Ayten Dersim, Koordinations-Mitglied der Partei der freien Frauen Kurdistans (PAJK), beschrieb in ihrer Ansprache, wie die aktuellen Entwicklungen in den Schriften und Vorschlägen Abdullah Öcalans vorbereitet und angebahnt wurden.

Sie erklärte, der kurdische Vordenker habe immer versucht, durch ständige Erneuerung zu wachsen, und fügte hinzu: „Öcalan zu verstehen bedeutet, sich ihm in der Praxis anzuschließen. Es bedeutet, seine Worte in Taten umzusetzen und sie so mit Leben zu füllen. Das wiederum bedeutet, einen angemessenen und entschlossenen Kampf zu führen.“

„Die sich nicht selbst erneuern, werden von anderen erneuert“

Zu Beginn ihrer Ansprache sendete Dersim Grüße an den seit 1999 inhaftierten PKK-Begründer Abdullah Öcalan. Sie gedachte aller im Kampf um Freiheit Gefallener und erneuerte im Andenken an Ali Haydar Kaytan und Rıza Altun ihr Versprechen, weiterhin nach Wahrheit zu suchen.

Ayten Dersim setzte in ihren Darstellungen die aktuellen Entwicklungen ins Verhältnis zu ideologischen Analysen und Richtungsweisungen, die der kurdische Vordenker Abdullah Öcalan insbesondere seit seiner Inhaftierung verfasste. Hierbei deckte sie einen klaren roten Faden auf, der darin sichtbar wird: „Seit dem 6. Kongress und in jeder folgenden Phase zielen alle seine Vorbereitungen, Perspektiven, Theorien und Ideologien auf die Erneuerung und Ausweitung der PKK ab.“


Die PKK handelt(e) nicht im luftleeren Raum, führt das PAJK-Mitglied aus, denn internationale Mächte, die im Nahen Osten intervenieren, versuchten beständig ihn nach ihrer eigenen Politik und Ideologie umzugestalten. Dies werde im Zusammenhang mit dem Irak besonders deutlich. Dersim zitierte Öcalan an dieser Stelle: „Diejenigen, die sich nicht selbst erneuern, werden von anderen erneuert werden; diejenigen, die sich nicht verändern, werden verändert werden.“

Innere Dynamik und Stärke als Grundsteine

Demgegenüber stehe eine demokratische und dynamische Herangehensweise, die die PKK angestrebt habe. Abdullah Öcalan habe immer wieder darauf hingewirkt, „dass die PKK über die Erfüllung ihrer historischen Rolle hinausgehen und zu einer gesellschaftlichen Kraft werden muss, die auf ihrer eigenen inneren Dynamik, Stärke und Ideologie aufbaut.“ Dem zugrunde liege Öcalans Definition von Demokratie, nach der diese sich „durch innere Dynamik, innere Stärke und inneres Bewusstsein“ entwickele.

„Öcalan hat den Frauen immer eine Aufgabe zugewiesen“

Ausgehend von dieser ideologischen Einordnung betrachtete Dersim die Rolle der Frau und inwiefern Abdullah Öcalan diese in der PKK geprägt und weiterentwickelt hat: „Rêber Öcalan hat das Wesen der PKK als Frau definiert, und wir haben versucht, uns um dieses Wesen herum zu formen.“ Selbstkritisch betrachtete Dersim, den Verantwortungen und Möglichkeiten in Bezug auf diese Aufgabe nicht immer vollständig gerecht geworden zu sein.

Seit Gründung der PKK habe Abdullah Öcalan den Frauen immer eine Aufgaben zugewiesen und sie gleichzeitig zu einem mentalen Kampf herausgefordert, innerhalb dessen sich „ideologische Tiefe, eine philosophische Weiterentwicklung und eine leidenschaftliche, sogar romantische Hingabe an die Freiheit“ entfaltete, welche in einem Organisationssystem ihren Ausdruck gefunden und so zu einem Mittel des Kampfes umgewandelt werden konnten.

„Die PKK ist ein lebendiges Wesen“

Auf Grundlage dieses Verständnisses von Geschichte und Entwicklung sowie der Rolle Abdullah Öcalans, führte Ayten Dersim weiter aus: „Unser Vorsitzender Abdullah Öcalan sagte: ‚Wartet nicht auf Veränderungen von der anderen Seite; ihr müsst die Kraft haben, sie zu verändern.‘ Als er sagte, die PKK habe ihre historische Mission erfüllt oder das Ende eines Kapitels erreicht, verstand ich dies durch seine Aussage: ‚Heute ist die Geschichte in den Tiefen unseres Wesens verborgen.‘

Die Geschichte ist ein lebendiges Wesen. Auch die PKK ist ein lebendiges Wesen. Sie ist nicht nur ein Name. Die PKK ist eine Philosophie, eine Ideologie und ein Lebensmaßstab. Die PKK hat sich selbst ins Leben gerufen. Deshalb verstehe ich es auch so, wenn Rêber Apo sagt, dass ein Wesen vollendet wurde. Was den organisatorischen Aspekt der PKK, ihren Ansatz, ihre Methoden und ihren Umgang mit dem Wachstum betrifft, so gibt es Bereiche, in denen sie nicht ausreichend war.“

„Wir stehen vor einer großen Aufgabe und Verantwortung“

Hiermit führt Dersim ihre Ausführungen wieder zu ihrem Anfang, dem roten Faden, der sich seit den 1990er Jahren in den Resultaten der eingeschlagenen Richtung zeigt. Öcalans Worte in die Tat umzusetzen ist nach Dersim die entschlossene Herangehensweise, um für das Ziel angemessen und unbeirrt zu kämpfen – dementsprechend müssten nämlich die Methoden des Kampfes der jeweiligen Stufe des Kampfes angepasst sein.

Aber trotz ihrer bedeutenden Rolle sei die derzeitige Charta der PKK nicht ausreichend, um eine Antwort auf die Umstrukturierung des Nahen Ostens zu geben. Dersim führte hierzu aus: „Deshalb müssen die Charta und das Programm nun von der Gesellschaft angenommen, durch die eigene Kraft und das eigene Bewusstsein verinnerlicht und in die gelebte Realität umgesetzt werden. Sie hat eine Grundlage für Ethik, Bewusstsein und Existenz geschaffen. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir diese Existenz aufbauen.“

Dieses tiefe Bewusstsein und mit ihm verbunden das „Erfassen des Wesens“ Abdullah Öcalans bezeichnete Dersim als Schlüssel zur Nachhaltigkeit. In den 52 Jahren Kampf sei durch ihn eine wahrhaft demokratische, sozialistische Kultur erschaffen worden. Das von Öcalan vorgeschlagene Regierungsmodell sei „ein gemeinschaftliches Leben, eine kollektive Einheit, die auf gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Befähigung beruht“.

„Die Pflicht und die Verantwortung liegen bei uns“

Abschließend betont Dersim, die umfassende Bedeutung der Verteidigungsschriften von Abdullah Öcalan. In ihnen habe dieser all seine Ansichten und Analysen ausführlich dargelegt und Vorschläge abgeleitet. Aufgrund der großen aktuellen Veränderungen, ergäben sich wiederum völlig neue, bisher ungesehene Bedeutungen seiner Schriften. Das, was bisher erarbeitet und erschaffen worden sei, gelte es nun nicht schlicht zu bewahren, sondern es gehe darum „diese Werte um eine sozialistische, demokratische und freiheitsorientierte Perspektive zu erweitern, die mit einer Liebe verbunden ist, die die Ebene der Leidenschaft erreicht.

Wir müssen diese Liebe wirklich vertiefen. Die Pflicht und die Verantwortung dafür liegen bei uns. Als Einzelperson unterziehe ich mich in dieser Hinsicht einem ernsthaften Prozess der Selbstkritik. Ich erkenne einmal mehr, dass das, was wir angesichts der Geschichte versäumt haben, nicht etwas Einfaches oder Geringfügiges ist. Von nun an bin ich mir voll und ganz bewusst, dass solche Versäumnisse von der Geschichte nicht mehr akzeptiert werden. In Gegenwart dieses Kongresses möchte ich mein persönliches Bekenntnis zu dieser Wahrheit erneuern.“