Der Menschenrechtsausschuss der Rechtsanwaltskammer Amed (tr. Diyarbakır) hat beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) sowie beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) Strafanzeige gegen die radikalislamistische Miliz „Hayat Tahrir al-Sham (HTS) eingereicht. Die Gruppierung des syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa wird beschuldigt, in den von ihr kontrollierten Küstenregionen Syriens systematische Angriffe auf Zivilist:innen, insbesondere auf Alawit:innen und andere religiöse sowie ethnische Minderheiten, verübt zu haben.
Massaker, Zerstörung der Infrastruktur, Beschlagnahmungen
In ihrer Beschwerde an den IStGH fordert die Anwaltskammer die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Die Vorwürfe umfassen unter anderem Massaker, die Beschlagnahmung von Eigentum, die Zerstörung religiöser und kultureller Stätten sowie gezielte Angriffe auf zivile Infrastrukturen wie Schulen, Krankenhäuser und Gotteshäuser. Bei den Angriffen sollen Drohnen und schwere Waffen eingesetzt worden sein, was zu erheblichen Schäden und zahlreichen zivilen Opfern geführt habe.
Systematische Gewalt und Zerstörung
Die Anwaltskammer verweist auf Berichte von Menschenrechtsorganisationen, journalistische Recherchen und Zeugenaussagen, die auf eine systematische und groß angelegte Kampagne gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen hindeuten. Diese Angriffe könnten den Tatbestand der ethnischen Säuberung erfüllen.
Parallel dazu wurde der UN-Sicherheitsrat aufgefordert, Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Zivilbevölkerung zu ergreifen. Dazu zählen die Einrichtung sicherer Zonen, die Öffnung humanitärer Korridore und die Entsendung unabhängiger Beobachter:innen zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Zudem wird der Sicherheitsrat gebeten, die Situation an den IStGH zu überweisen, um eine internationale Strafverfolgung zu ermöglichen.
Der kurdische Rechtsanwalt Baver Mızrak © MA
Baver Mızrak, Koordinator des Menschenrechtsausschusses der Anwaltskammer Amed, betonte gegenüber der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) die Dringlichkeit des Anliegens: „Seit dem Zusammenbruch des Assad-Regimes im Dezember 2024 hat HTS in den von ihr kontrollierten Gebieten zahlreiche Gräueltaten begangen. Tausende Menschen wurden getötet oder zur Flucht gezwungen. Es ist unerlässlich, dass die internationale Gemeinschaft handelt, um weitere Verbrechen zu verhindern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.“
Rolle der Türkei beleuchten
Die Anwaltskammer kritisiert zudem die Rolle der Türkei, die bislang keine klare Position zu den Angriffen von HTS bezogen habe. Es wird gefordert, dass die Türkei und andere Staaten ihrer Verantwortung nachkommen und Maßnahmen gegen die Täter ergreifen. „Die internationale Gemeinschaft steht nun vor der Herausforderung, angemessen auf die dokumentierten Menschenrechtsverletzungen zu reagieren und sicherzustellen, dass die Täter nicht straflos bleiben“, so Mızrak.
Titelfoto: Protest in Köln gegen Massaker an Alawit:innen © Velev | Selahattin Sevi