Das Rettungsschiff Sea-Watch 3 hat in sieben Rettungseinsätzen seit dem 17. Oktober insgesamt 412 Menschen aus Seenot retten können. Dem Schiff wird bisher das Anlaufen eines sicheren Hafens verweigert. Zu den Rettungen berichtet Sea-Watch: „Zwei der Seenotfälle wurden vom Sea-Watchs Aufklärungsflugzeug Seabird entdeckt, darunter ein Boot, das Luft verlor und zu sinken drohte. Auch die ins Wasser gefallenen Menschen konnten in einer schwierigen Rettung alle geborgen und in Sicherheit an Bord unseres Schiffes gebracht werden.“
Bei über 150 der Geretteten handelt es sich um Minderjährige und Kinder. Die Menschen werden von der Crew an Bord der Sea-Watch 3 betreut und medizinisch versorgt. Zahlreiche weisen chemische Verbrennungen durch die hochätzende Mischung aus Benzin und Salzwasser auf, die sich in den Booten sammelt. Im Rahmen medizinischer Evakuierungen wurden von der italienischen Küstenwache bereits sechs Frauen vom Schiff an Land gebracht, den verbleibenden 406 Menschen wird weiterhin ein sicherer Hafen verwehrt.
Carolin Möhrke, Ärztin an Bord der Sea-Watch 3, kommentiert die Situation: „Die medizinischen Kapazitäten auf unserem Schiff kommen aufgrund der schieren Anzahl der Patient:innen an ihre Grenzen. Es gibt hochschwangere Frauen an Bord, andere leiden unter großflächigen Verbrennungen. Diese Art von Verletzungen müssen in einem Krankenhaus unter angemessenen Bedingungen behandelt werden. Die Menschen brauchen so schnell wie möglich einen sicheren Ort, an dem sie von Bord gehen können. Mit jedem Tag auf See wird die Situation gefährlicher.”
Mit dem aufkommenden Herbststürmen verschlechtert sich die Situation auf See. Aufgrund der vielen Geretteten sind viele von ihnen auf dem Oberdeck des Schiffes Wind und Regen ausgesetzt. Wegen des begrenzten Raums kann an Bord nur schichtweise Platz zum Schlafen gefunden werden.
Der Einsatzleiter an Bord der Sea-Watch 3, Philipp Hahn, fordert: „Die Entrechtung von Flüchtenden muss aufhören, Menschenrechte müssen auch ohne europäischen Pass gelten. Die Menschen an Bord unseres Schiffes mussten ihr Leben riskieren, weil Europa ihnen keine andere Wahl als die Flucht übers Meer lässt. Das Wetter verschlechtert sich, die Lage an Bord spitzt sich zu. Wir können nicht warten, bis jeder einzelne der über 400 Menschen aus medizinischen Gründen evakuiert wird. Alle haben ein Recht auf einen sicheren Hafen, und zwar jetzt.“
Die UN-Migrationsorganisation IOM hat in diesem Jahr bereits 1.507 Todesfälle von Schutzsuchenden auf der Mittelmeerroute registriert. Dies dürfte allerdings nur einen Bruchteil der realen Zahl der Toten durch das EU-Grenzregime ausmachen. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtler:innen fordern schon lange das Sterben durch sichere Fluchtwege nach Europa zu beenden. Die EU setzt jedoch auf immer massivere Abschottung.