Zwei Guerillakommandanten in Besta gefallen

Die Guerillakommandanten Mîrza Bargiran und Bengîn Barman sind in Besta bei Angriffen der türkischen Armee gefallen. Die HPG würdigen sie als außergewöhnliche Kämpfer und sprechen dem kurdischen Volk ihr Mitgefühl aus.

Die Guerillakommandanten Mîrza Bargiran und Bengîn Barman sind in der Besta-Region in Nordkurdistan ums Leben gekommen. Das teilte das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) am Dienstag in Behdînan mit und erklärte zu den Todesumständen: „Unsere Genossen Mîrza und Bengîn, die im Gebiet Kanî Xezalê in der Region Besta in Botan im Einsatz waren, haben sich infolge feindlicher Angriffe, die in der Nacht des 3. Juli einsetzten und bis zum Folgetag andauerten, der Karawane der Gefallenen angeschlossen. Beide zählten zu den bedeutendsten Pionieren der apoistischen Militanz und Kommandierenden der Guerilla der demokratischen Moderne, denen es gelang, dem Feind in verschiedenen Regionen Botans schwere Schläge zu versetzen. Mit ihrem Beharren auf der apoistischen Linie und ihrem unerschütterlichen Glauben an den Sieg spielten sie eine aktive Rolle im Widerstand und kämpften jahrelang mit großer Entschlossenheit. Wir sprechen dem patriotischen Volk Kurdistans unser Beileid aus, insbesondere den wertvollen Familien unserer Kameraden Mîrza und Bengîn, die mit ihrer Haltung, ihrem Mut und ihrer Tapferkeit unseren Weg für immer ebnen werden.“

Zur Identität der Gefallenen machen die HPG folgende Angaben:

Codename: Mîrza Bargiran

Vor- und Nachname: Mirza Sezek

Geburtsort: Sêrt

Namen von Mutter und Vater: Leyla – Isa

Todestag und -ort: 4. Juli 2023 / Besta

Codename: Bengîn Barman

Vor- und Nachname: Kahraman Karataş

Geburtsort: Mêrdîn

Namen von Mutter und Vater: Fatma – Mehmet Şükrü

Todestag und -ort: 4. Juli 2023 / Besta

 

Mîrza Bargiran

Mîrza Bargiran wurde als Sohn einer dem Dudêran-Stamm angehörenden Familie in Sêrt (tr. Siirt) geboren. Er wuchs in einem vom kurdischen Befreiungskampf geprägten Umfeld auf, das seinen Charakter bestimmte und mit Patriotismus formte. Er galt als intelligent und fleißig, weigerte sich aber aufgrund der Politik der Türkisierung und Assimilation in Kurdistan, seine schulische Laufbahn nach dem Gymnasium fortzusetzen. Er war aktiv in Sportarten wie Laufen, Volleyball und Tennis und arbeitete von Viehzucht bis zum Handwerk in verschiedenen Berufen, um zum Lebensunterhalt seiner Familie beizutragen. Die kurdische Befreiungsbewegung kannte er bereits im Kindesalter, als Heranwachsender engagierte er sich in der Jugendorganisation der PKK. 2010 geriet er deshalb erstmals in türkische Haft und verbrachte ein halbes Jahr im Gefängnis. Das Leben innerhalb der Mauern ermöglichte ihm, die Realität des Feindes und den Widerstand für die Befreiung des kurdischen Volkes noch tiefer zu begreifen.


Nach seiner Entlassung beteiligte sich Mîrza Bargiran wieder an gesellschaftlichen Aktivitäten. Seine reife Persönlichkeit, seine bescheidene Haltung, sein Einsatz mit seinem moralischen Wesen wirkten sich auf jedes Umfeld aus, in dem er sich aufhielt, auf jeden Menschen, mit dem er sprach, und insbesondere auf die Jugend. In der festen Überzeugung, dass das kurdische Volk nur dann kämpfen und seine Freiheit erlangen konnte, wenn es sich unter der Federführung der PKK bewusst organisiert, konzentrierte er sich auf die Organisation der Gesellschaft. Damit erregte er jedoch erneut die Aufmerksamkeit des Feindes. 2011 wurde er erneut inhaftiert und verbrachte drei Monate im Gefängnis. Danach setzte er sein Engagement noch entschlossener fort. Er arbeitete in Sêrt zu einer Zeit, zu der der revolutionäre Volkskrieg eine wichtige Phase erreicht hatte. Sein Wirken brachten ihm diesmal zwei Jahre in einem türkischen Gefängnis ein. Diese Haftzeit beschrieb Mîrza Bargiran als „revolutionäre Akademie“, die seinen Willen schärfte, in die Fußstapfen von Persönlichkeiten wie Mazlum Doğan, Hayri Durmuş, Kemal Pir und Sakine Cansız zu treten und als Kader Teil der PKK zu werden. Das Gefängnis verließ er als „Berufsrevolutionär“ und war in verschiedenen Bereichen im Einsatz, unter anderem bei der gesellschaftlichen Organisierung während des „Dialogprozesses“ zwischen dem türkischen Staat und dem PKK-Begründer Abdullah Öcalan sowie als Sprecher des Stadtrats von Sêrt. Da er nach wie vor im Fokus der Repressionsbehörden stand und dieser Umstand einen Riegel vor die legale Politik setzte, schloss er sich im Juni 2014 in der Herekol-Region in Botan der Guerilla an.

Seine reife Persönlichkeit, sein Bewusstsein für die Parteikultur, seine im Kerker und innerhalb der Gesellschaft gesammelten Erfahrungen ermöglichten es Mîrza Bargiran, sich frühzeitig in das Leben in den Bergen zu integrieren. Er war von Berwarî bis Garisa, von Herekol bis Garzan im Einsatz, da er über ausgezeichnete Kenntnisse über das Gelände, einen starken Willen und hohes militärisches Feingefühl verfügte. Als Kurier führte er zahlreiche Kameradinnen und Kameraden von Botan nach Garzan und wieder zurück, indem er alle erdenklichen Hindernisse des Feindes überwand. Diese Arbeit setzt ein hohes Verantwortungsbewusstsein und eine Partisanen-Erfahrung voraus. Sein Interesse für die Kunst des Krieges professionalisierte Mîrza Bargiran 2015 in Botan im Rahmen einer Spezialausbildung zum Sniper. Zurück in Herekol nahm er am aktiven Widerstand gegen den am 24. Juli 2015 eingeleiteten totalen Vernichtungskrieg des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung teil. Später führte er in Sêrt den Kampf um Selbstverwaltung an. Dieser Widerstand fiel mit dem vermeintlichen Putschversuch in der Türkei am 15. Juli 2016 zusammen. Daher fand die revolutionäre Offensive kaum mediale Beachtung, obwohl sie erfolgreich war und zu vielen Verlusten beim türkischen Militär führte. Um jedoch Provokationen zu vermeiden, nachdem die Machtprobe innerhalb des herrschenden Systems eine andere Dimension annahm, zog sich die Guerilla aus Sêrt zurück.

Nach seiner Rückkehr aus Sêrt war Mîrza Bargiran für ein Jahr bei den mobilen Einheiten in Botan, die er als Kommandant anführte. Im April 2017 startete das Militär eine umfassende und monatelang andauernde Operation in Kato und Herekol. „Die türkische Besatzungsarmee, die ihre Truppen in ganz Herekol stationierte und ihre gesamte Kriegstechnik hierhin lenkte, hatte das Ziel, die Guerillapräsenz in der Region zu vernichten. Doch der epische Widerstand, der sich in Herekol unter der Leitung des Genossen Egîd Garzan (Murat Kalko), einem unserer unsterblichen Kommandanten, entwickelte, ließ den Feind nicht passieren. Unsere Freundinnen und Freunde hielten den Feind auf dem Gipfel und in den Labyrinthen des Herekol-Gebirges auf und fügten ihm schwere Verluste zu. Unser Genosse Mîrza begab sich mit der von ihm angeführten mobilen Einheit in die Region Herekol, um dieser Besatzungsoperation einen Schlag zu versetzen. Dies tat er mit großem Mut und infiltrierte die Reihen des Feindes. Bei einem Zusammenstoß wurde er am Fuß und am Arm verwundet. Obwohl er tagelang allein und verwundet im Kampfgebiet feststeckte, gelang es ihm, unter Umgehung aller Angreifer und feindlichen Techniken unversehrt zu seinen Kameraden zu gelangen. Mit der Unterstützung seiner Kameraden wurde er zwei Monate lang mit den wenigen Mitteln von Bakur behandelt. Sobald er sich erholt hatte, nahm er seinen Dienst wieder auf und machte sich auf den Weg nach Herekol.“

Bengîn Barman

Bengîn Barman wurde in Stewrê bei Mêrdîn in einem vom kurdischen Patriotismus geprägten Dorf geboren. Seine Identität entwickelte sich in einem Umfeld, das stark mit der kurdischen Tradition verbunden ist. Er wuchs in einer Umgebung auf, die sich weitgehend vor den gesellschaftszerstörenden Merkmalen des kapitalistischen Systems schützen konnte und in der das Wesen intakter sozialer Bindungen hervorsticht. Er war Kind einer Arbeiterfamilie, die sich von der Viehzucht ernährte, war von der paradiesischen Natur Kurdistans umgeben und lernte die Geschichte des kurdischen Widerstands durch die Klam kennen, die märchenhaften Erzählungen und historischen Epen, die er von seinem Vater hörte. Er fasste den Entschluss, selbst ein Dengbêj zu werden, Vertreter der oralen Kultur, die dazu beitragen, dass die mündliche Literatur der Kurdinnen und Kurden trotz Unterdrückung der kurdischen Sprache weitergegeben wird.


Die Angriffe des türkischen Staates prägten den Alltag von Bengîn Barman und führten zu einer großen Wut gegen die Realität der Besatzung in Kurdistan. Nicht zuletzt dadurch, dass sein älterer Bruder Seyitxan Karataş 1997 durch die Explosion einer vom türkischen Militär gelegten Mine ums Leben kam. Die PKK und die Guerilla waren ihm daher schon als Kind ein Begriff. 2014 erfüllte er sich den Wunsch, den Tod des Bruders und aller anderen Gefallenen zu rächen. Er schloss sich der Guerilla an. Seine ersten praktischen Erfahrungen sammelte er in Besta und Gabar, nach Mêrdîn verschlug es ihn in die Botan-Region, wo er viele Jahre lang bleiben sollte.


Die HPG beschreiben Bengîn Barman als äußerst intelligenten Menschen, der relativ schnell vom Kämpfer zum Kommandanten reifte. Er beteiligte sich an nahezu jeder Aktion und Offensive in Botan und war dabei stets in vorderster Reihe im Einsatz. Er galt als Experte moderner Guerillataktik. „Jeder Augenblick im Guerilladasein unseres Genossen Bengîn, der mit seinen erfolgreichen Aktionen, an denen er teilnahm, Rache für seine gefallenen Kameraden nahm und den Angreifern an den unmöglichsten Orten und unter den unmöglichsten Bedingungen schwere Schläge versetzte, ist mit Erfolg verwoben“, erklären die HPG.


Nach fünf Jahren im Norden ging Bengîn Barman in die Medya-Verteidigungsgebiete, wo er sein Wissen vertiefte und sich militärisch und ideologisch weiterbildete. „Hevalê Bengîn machte die Philosophie von Rêber Apo zur Grundlage seines Lebens, übertrug das Gelernte auf seine Kameradinnen und Kameraden und spiegelte es im Leben wider. Er zeichnete sich durch eine intensive Teilnahme am Leben und einen ausgeprägten Sinn für Freundschaft in allen Bereichen aus und wurde mit seiner moralischen und enthusiastischen Persönlichkeit zu einer Quelle der Kraft für sein Umfeld. Er fühlte sich stets den Gefallenen und dem unterdrückten kurdischen Volk verpflichtet und strebte immer danach, mehr zu geben und das Tempo seines Kampfes zu erhöhen, ohne sich auszuruhen. Er sang Klams für seine Freundinnen und Freunde, schrieb Gedichte über den historischen Widerstand in Kurdistan. Er professionierte sich in allerlei Bereichen und war in Metîna in verschiedenen Gebieten im Einsatz. Auf eigenen Wunsch hin ging er wieder zurück nach Botan, wo er sich zu einer schwierigen Zeit an der Spitze des Widerstands für die Freiheit und Existenz seines Volkes einsetzte.“