Werxelê – der Ausdruck des modernen Guerillakriegs
Der dreimonatige Widerstand der Guerilla in Werxelê an der türkischen Grenze in Südkurdistan steht für die neuen Taktiken der Guerilla, mit denen sie die zweitgrößte NATO-Armee ausmanövriert.
Der dreimonatige Widerstand der Guerilla in Werxelê an der türkischen Grenze in Südkurdistan steht für die neuen Taktiken der Guerilla, mit denen sie die zweitgrößte NATO-Armee ausmanövriert.
Der Widerstand der Volksverteidigungskräfte (HPG) gegen die türkische Invasion in den Medya-Verteidigungsgebieten dauert nun schon mehr als vier Monate an. Im fünften Monat des Widerstands ist das Gebiet Avaşîn eine der wichtigsten Fronten. Dort finden die heftigsten Gefechte statt. Gleichzeitig ist Avaşîn eines der Gebiete, die der türkische Staat am dringendsten und intensivsten zu besetzen versucht. Nach den Zusammenstößen in den Gebieten Mamreşo, Merwanos, Aris Faris, Dola Mara, Dola Konferans wurden die türkischen Truppen ab dem 7. Juni gegen das Gebiet Werxelê eingesetzt, um dieses Grenzgebiet unter ihre Kontrolle zu bringen. Es blieb allerdings bei mehreren Versuchen. Vom 7. Juni bis heute, also seit fast drei Monaten, leisten die Kämpfer:innen der HPG und der YJA-Star von den Kriegstunneln aus, die das gesamte Gebiet erfassen, erfolgreich Widerstand gegen die Invasionstruppen.
Werxelê: Das Tor zu den Verteidigungsgebieten
Die türkische Armee wollte die Grenzen der Besatzungsoperation durch die Angriffe auf Werxelê erweitern. Werxelê hat eine besondere strategische Bedeutung, denn das Gebiet ist einer der Grenzpunkte von Avaşîn und stellt ein Einfallstor in die Guerillagebiete dar. Eine Eroberung von Werxelê würde die Möglichkeit eröffnen, die Besatzung auf die anderen Regionen auszuweiten. Deshalb verteidigen die Guerillakämpfer:innen seit dem 7. Juni ihre Kriegstunnel und das Gelände wie eine Festung.
Der Angriff auf die Region startete am 7. Juni 2021 um 18.40 Uhr, als türkische Kampfhubschrauber damit begannen, die Tunnelanlagen in Werxelê zu bombardieren. Der Angriff auf die Tunnel sollte die türkische Operation in dem Gebiet einläuten. Sie kündigten an, was über die Region hereinbrechen sollte. In dieser Nacht griff die türkische Armee mit Kampfflugzeugen, Aufklärern, Kampfhubschraubern, Sikorskys und bewaffneten Drohnen an. Der Angriff dauerte bis zum Morgengrauen. Im Gegensatz zur türkischen Armee warteten die Guerillakämpfer:innen ruhig in ihren sicheren Positionen. Sie waren sich vollkommen klar darüber, was sie tun würden, und griffen sofort die ersten Soldaten an, die versuchten, die Region am Boden zu besetzen.
Von der Verteidigungsposition in die Offensive
Seit dem 7. Juni wurde der Widerstand immer intensiver. Nach dem Versuch der türkischen Armee, in das Werxelê-Gebiet einzudringen, nahm der Krieg in Avaşîn eine völlig andere Dimension an, und die Guerilla wechselte die Position von der Defensive in die Offensive. Von der Abwehr der Angriffe am Anfang, ging die Guerilla dazu über, die Stellungen der türkischen Armee offensiv zu attackieren. Dutzende solcher Aktionen wurden durchgeführt. Nicht mehr die türkische Armee führte eine Operation durch, sondern die Guerilla. Insbesondere die Infiltrationsaktionen am 18. Juli und am 2. August von der Guerilla im Gelände und der Angriff am 12. August aus den Kriegstunneln am Hang des Werxelê, bei dem 200 Kilogramm Sprengstoff von der Guerilla beschlagnahmt wurden, brachten für die türkischen Soldaten das Fass zum Überlaufen. Seitdem wird die Guerilla Zeugin heftiger Streits zwischen Soldaten und Kommandeuren. Auch wenn die türkische Armee es nicht eingestehen will, war es der Fehler ihres Lebens, nach Werxelê vorzurücken.
Als ob die rauen Geländebedingungen des Zagros und die Temperaturen über 45 Grad nicht genug wären, konnten die Soldaten, die unter den Befehlen ihrer Kommandanten verzweifelt waren, nicht einmal mehr ihre Taschen tragen. Die Wege, die die Soldaten in Werxelê benutzten, sind jetzt mit den mit lebenswichtigen Vorräten gefüllten Taschen, welche die Soldaten zurückgelassen hatten, übersät. Man braucht nicht über die Kampfleistung von Soldaten zu sprechen, die nicht einmal mehr in der Lage sind, ihre eigenen Waffen zu tragen. Die Infiltrationsaktion der Guerilla am 2. August offenbarte die Situation. Während die Guerilla in die militärische Stellung eindrang und binnen drei Minuten acht Soldaten tötete, rannten die Soldaten minutenlang umher und suchten ihre Waffen und ihre Munition. Die Guerilla konnte sich ohne Verluste wieder zurückziehen.
Nach diesen Entwicklungen im Feld beschränkten sich die türkischen Soldaten vor allem darauf, wie Hausierer herumzugehen und über Lautsprecher zu erklären: „Kommt und ergebt euch.“ Besonders nach den jüngsten Aktionen verkündet die türkische Armee jeden Tag über ihre Lautsprecher: „Kommt, wir werden euch Wasser geben, wir werden euch Vorräte geben, der Staat wird sich gut um euch kümmern.“ Die Bemühungen der türkischen Armee, Schwachstellen zu finden, werden für die Guerilla immer lächerlicher. Die Guerillakämpfer:innen haben sich in diesen Tunneln auf die Möglichkeit eines, wenn nötig, jahrelangen Krieges vorbereitet. Das wahrscheinlich Letzte wäre es, sich wegen Wasser und Vorräten zu ergeben. Das ist es, was den Soldaten am meisten am Herzen liegt. Mit anderen Worten: Der Glaube der türkischen Armee, die Guerilla des 21. Jahrhunderts mit Wasser und einem Stück Brot über den Tisch ziehen zu können, offenbart letzten Endes ihre eigene Denkweise.
So wie die türkische Armee nach dem Gare-Widerstand ihre Niederlage eingestehen musste, wird sie sicherlich auch jetzt bald ihre Niederlage zugeben müssen, besonders in der Werxelê-Region. Dort wurden Dutzende Soldaten der türkischen Armee getötet und ihre lebenswichtigen Vorräte beschlagnahmt. Die Guerillakämpfer:innen fügten den Soldaten mit den hunderten Kilo Sprengstoff, die sie ihnen abgenommen hatten, immer wieder schwere Schläge zu. Infolge der Aktionen, die im Gelände durchgeführt wurden, warfen die Soldaten die Waffen weg und flohen. Trotz des Einsatzes von chemischem Kampfstoffen in den Kriegstunneln sind sie seit fast drei Monaten nicht in der Lage, eine Kämpferin oder einen Kämpfer zu töten oder zur Aufgabe zu bewegen. Am wichtigsten ist, dass sie in die Gegend von Werxelê kamen und von den Guerillakämpfer:innen, die sie einkreisen wollten, umzingelt wurden. Seit drei Monaten kann die türkische Armee weder vorrücken noch sich zurückziehen. Die Guerillakämpfer:innen sind entschlossen, den Soldaten auch den Rückzug zu verweigern.
Dies ist nicht nur die Niederlage der türkischen Armee im Kampf um Werxelê. Es ist eine der größten Armeen der Welt, die seit drei Monaten nicht in der Lage ist, gegen eine Gruppe Guerillakämpfer:innen zu bestehen.