Strafe für Wahlniederlage der AKP
In der Provinzhauptstadt Wan (tr. Van) wird das öffentliche Leben seit der Kommunalwahl vom 31. März durch ein großes Polizeiaufgebot lahmgelegt. Die DEM-Partei hat in allen 14 Wahlkreisen der Provinz gewonnen, die Regierungspartei AKP wurde zurückgeschlagen. Unmittelbar nach der Wahl wurde der Sieg des neugewählten Ko-Oberbürgermeisters Abdullah Zeydan (DEM) annulliert. Der Wahlausschuss erklärte, dass der zweitplatzierte AKP-Kandidat Abdulahat Arvas das Amt antreten solle. Zuvor hatte ein Gericht Zeydans Kandidatur nachträglich für ungültig erklärt. Die Bevölkerung wehrte sich dagegen und ging auf die Straßen. Nach tagelangen Protesten wurde die Entscheidung rückgängig gemacht und Abdullah Zeydan konnte als Ko-Bürgermeister zusammen mit Neslihan Şedal ins Rathaus ziehen.
Seit dem Aufstand der Bevölkerung sind anderthalb Monate vergangen, Polizei und Militär sind jedoch immer noch mit einem Großaufgebot präsent. Die „Sicherheitskräfte“ blockieren den Verkehr, erschweren den Handel und legen das öffentliche Leben lahm. Auf allen großen Straßen sind Einsatzkräfte mit Wasserwerfern positioniert. Polizeihubschrauber kreisen Tag und Nacht über der Stadt. Der Gouverneur kündigte an, dass die Personenkontrollen auf den Zufahrtsstraßen fortgesetzt werden und das allgemeine Versammlungsverbot verlängert wird. Im Zusammenhang mit den Protesten wurden in der Türkei über hundert Personen verhaftet.
Der DEM-Provinzverbandsvorsitzende Veysi Dilekçi bezeichnet den Belagerungszustand als staatliche Reaktion auf den Widerstand der Bevölkerung gegen die Aberkennung ihrer Wahlentscheidung. Die Bevölkerung habe sich mit einer demokratischen Haltung durchgesetzt, erklärte der Politiker gegenüber ANF: „Der in der Türkei 2016 ausgerufene Ausnahmezustand wurde 2018 aufgehoben, aber in Wan gilt er weiterhin. Das in der Verfassung verankerte Versammlungsrecht ist außer Kraft gesetzt und das Alltagsleben wird durch diesen Belagerungszustand erschwert. Nach den Wahlen hat sich die Situation verschärft. Die staatlichen Maßnahmen richten sich gegen die Willensbezeugung der Bevölkerung. Die Verfassung hat in Wan keine Gültigkeit mehr. Es herrscht eine repressive Atmosphäre, die wir nicht hinnehmen können. Wir fordern die Regierung auf, von dieser Politik abzusehen und ein normales Leben in Wan zuzulassen.“
Rechtsanwalt Mahmut Kaçan erklärte, dass die „Sicherheitsmaßnahmen“ keine rechtliche Grundlage haben: „Es wird so getan, als ob es in Wan jeden Tag zu Aufständen kommt. Meiner Meinung nach sind die Maßnahmen politisch motiviert, weil die Regierung die Bevölkerung für ihre demokratische Haltung bestrafen und sich dafür rächen will.“