Unterschriftenkampagne für inhaftierten Bürgermeister von Amed

Für den inhaftierten HDP-Bürgermeister der nordkurdischen Metropole Amed ist eine Kampagne auf Change.org gestartet worden. Adnan Selçuk Mızraklı ist seit anderthalb Jahren in türkischer Geiselhaft.

Der im August 2019 durch das türkische Innenministerium abgesetzte Ko-Bürgermeister der nordkurdischen Großstadt Amed (tr. Diyarbakır), Dr. Adnan Selçuk Mızraklı, ist auf Grundlage der Aussagen der Kronzeugin Hicran Berna Ayverdi im vergangenen März zu knapp neuneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nun wurde auf der Plattform Change.org eine Kampagne unter dem Motto „Stoppt die beschämenden politischen Schauprozesse in der Türkei!“ gestartet.

In dem Aufruf zur Petition heißt es: „Die Verurteilung von Dr. Adnan Selçuk Mızraklı zu neuneinhalb Jahren Gefängnis ohne einen anderen Grund als sein politisches, medizinisches und humanitäres Engagement ist ein klarer Justizirrtum, der dringend aufgearbeitet werden muss.“

Selçuk Mızraklı: Arzt und Ko-Bürgermeister

Die Initiator*innen schreiben über die Biographie Mızraklıs: „Der angesehene Mediziner Mızraklı wurde bei den Kommunalwahlen am 31. März 2019 für die pro-kurdische Demokratische Volkspartei (HDP) zum Bürgermeister gewählt, nachdem er zwischen Juni 2018 und März 2019 als Abgeordneter derselben Partei fungiert hatte. Mızraklı war in seiner geliebten Stadt Diyarbakır, in der er seit 1991 als Chirurg tätig ist, in verschiedenen Positionen tätig, unter anderem als Leiter der Ärztekammer der Stadt.“

Abgesetzt und inhaftiert

Nur wenige Wochen nach seiner Wahl, am 19. August 2019, wurde Mızraklı zunächst von seinem Posten entlassen und durch einen von der Regierung ernannten Zwangsverwalter ersetzt, eine weit verbreitete Methode, die kommunale Selbstverwaltung auszuschalten und kurdische Städte damit unter Direktherrschaft des Staates zu stellen. Mızraklı wurde am 21. Oktober 2019 festgenommen und einen Tag später inhaftiert. Am 1. November erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“. Dabei handelt es sich um einen Standardvorwurf, der in der Türkei als Mittel zur Vernichtung der politischen Opposition und abweichender Meinungen eingesetzt wird.

Kronzeugin kurz vor Wahl aktiviert

Die „Belastungszeugin“ Hicran Berna Ayverdi stammt aus dem Pool der bei jeder Gelegenheit vom Regime herangezogenen Kronzeug*innen und fungiert in einer Vielzahl von politischen Verfahren als Hauptbelastungszeugin. Deutlich wird dies auch anhand der Datengrundlage. Ayverdi wurde am 26. Mai 2016 verhaftet. Die Anklage gegen Mızraklı wurde am 20. März 2019, also genau zehn Tage vor seiner Wahl erhoben. Belohnt wurde die Kronzeugin daraufhin mit ihrer Entlassung aus der Haft.

Vollständige Missachtung der grundlegendsten Prinzipien von Rechtstaatlichkeit“

Im Petitionsaufruf heißt es dazu: „Dr. Mızraklıs Absetzung, Verhaftung und Verurteilung beruhen vollständig auf einer üblen Fälschung von ‚Beweisen‘ unter vollständiger Missachtung der grundlegendsten Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Verfahrensgerechtigkeit. Seine Inhaftierung stellt einen empörenden Justizirrtum dar und ist der aktuellste Beweis für den politischen Charakter der Prozesse gegen die gewählten kurdischen Ko-Bürgermeister*innen, Abgeordnete, Mitglieder der Stadträte und die Opposition im Allgemeinen.“

Die Unterzeichner*innen rufen „Menschenrechtsverteidiger*innen, Akademiker*innen, medizinische und Medienorganisationen sowie alle pro-demokratischen und Menschenrechtsorganisationen in der ganzen Welt dazu auf, ein wachsames Auge auf das anhaltende Vorgehen gegen politisch Andersdenkende, Oppositionelle, gewählte Vertreter*innen und Parlamentsmitglieder in der Türkei zu haben.“

Internationale Gemeinschaft muss politische und diplomatische Initiative ergreifen“

An die Europäische Union, den Europarat, die neue US-amerikanische Regierung von Präsident John Biden und das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte appelliert die Petition, „alle notwendigen diplomatischen und politischen Maßnahmen zu Gunsten der in der Türkei aufgrund ähnlicher fadenscheiniger Anschuldigungen inhaftierter, gewählter Vertreter*innen zu ergreifen“. Weiterhin rufen die Unterzeichnenden die türkische Regierung auf, „alle Bürgermeister*innen und andere gewählte Amtsträger sofort wieder in ihre Ämter einzusetzen und das ihnen und ihren Angehörigen zugefügte Unrecht zu beseitigen.“

Die Petition kann unter folgendem Link unterzeichnet werden: