Die türkische Luftwaffe hat auch in der Nacht zum Dienstag Luftangriffe auf Gebiete in der Kurdistan-Region des Irak (KRI) geflogen. Die Bombardements trafen diverse Gebirgsregionen im ländlichen Raum von Silêmanî, Duhok und Hewlêr (Erbil) und hätten auf die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gezielt, erklärte das Verteidigungsministerium in Ankara. Völkerrechtlich sei das in Ordnung. Das Ministerium beruft sich auf Artikel 51 der UN-Charta, dem Recht auf Selbstverteidigung. Angegriffen worden seien ausschließlich Höhlen, Unterstände, Bunker und Lager, wo man Führungskräfte der PKK vermutet hätte. Zwanzig Ziele habe man vernichten können, hieß es in gewohnt martialischer Manier weiter.
Die in der KRI ansässige NGO Community Peacemaker Teams (CPT Iraqi Kurdistan) hingegen gab an, dass die meisten Bombenabwürfe in Siedlungsgebieten sowie deren näherem Umland beobachtet wurden. Mindestens 24-mal hätten türkische Kampfflugzeuge binnen kurzer Zeit Teile der KRI bombardiert, sagte CPT-Sprecher Kamaran Osman. Der Menschenrechtler nannte unter anderem Dörfer in Amêdî, die von dem Beschuss betroffen waren, darunter Spîndarê, Kevnê Mijê und Gîrgaşê. Auch rund um die Massive Koxe und Tale bei Çoman, die Umgebung der Ortschaft Qelatukan in Qeladizê, die Gemeinde Mawet sowie das Asos-Gebirge wurden demnach von der türkischen Luftwaffe ins Visier genommen. „Verletzte oder gar Tote aus der Zivilbevölkerung können nach bisherigem Kenntnisstand ausgeschlossen werden“, teilte Osman mit. Da die betroffenen Gebiete aber weiterhin von Drohnen und Kampfflugzeugen überflogen werden, sei das Ausmaß der durch die Angriffe verursachten Schäden noch unklar.
Krieg ohne Aufmerksamkeit
Die Türkei führt seit Jahren einen Krieg im südlichen Kurdistan, weite Gebiete im Grenzstreifen wurden von dem NATO-Staat bereits besetzt. Von dem grenzüberschreitenden Terror sind auch Regionen außerhalb des Territoriums der KRI betroffen, etwa das ezidische Hauptsiedlungsgebiet Şengal, sowie Rojava bzw. die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien. Auch dort ist die Türkei Besatzungsmacht – und rechtfertigt diesen Umstand und ihre fortgesetzte Militärgewalt mit ihrem angeblichen Selbstverteidigungsrecht.
Selbstverteidigungssituation nach UN-Charta existiert nicht
Bei ihren Angriffen zerstört die Türkei massiv und gezielt zivile Infrastruktur und betreibt eine systematische Politik der Vertreibung, was nach internationalem Recht als Kriegsverbrechen eingeordnet wird. Zahlreiche Organisationen und Gremien, darunter auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, wiesen in der Vergangenheit wiedeholt auf Verstöße der Türkei gegen das Gewaltverbot hin, da es gar keine Selbstverteidigungssituation gebe. Die internationale Gemeinschaft ignoriert dennoch den Krieg des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung. Laut CPT führten die Militäreinsätze der Türkei in Südkurdistan seit 1991 zu mindestens 344 Toten und 358 Verletzten in der Zivilbevölkerung.