Staatsterror in Nisêbîn dauert an
Nach einer nächtlichen Razzia mit einer Toten und zwei Festgenommenen setzen die Behörden den Staatsterror in Nisêbîn fort. Nach zusätzlichen Durchsuchungen hat es fünf weitere Festnahmen gegeben.
Nach einer nächtlichen Razzia mit einer Toten und zwei Festgenommenen setzen die Behörden den Staatsterror in Nisêbîn fort. Nach zusätzlichen Durchsuchungen hat es fünf weitere Festnahmen gegeben.
Nach der nächtlichen Razzia mit einer Toten in Nisêbîn (tr. Nusaybin) und zwei Festgenommenen setzen die türkischen Behörden den Staatsterror fort. Bei weiteren Durchsuchungen in der nordkurdischen Stadt sind erneut mehrere Personen in Gewahrsam genommen worden, als Grund wurde Terrorverdacht angeführt. Die Betroffenen werden auf dem Polizeipräsidium in der Provinzhauptstadt Mêrdîn (Mardin) festgehalten. Zugang zu einem Rechtsbeistand wurde ihnen bislang verwehrt.
Was war passiert? In der Nacht zum Mittwoch wurde auf der Sakarya Caddesi im Zentrum von Nisêbîn eine Wohnung von paramilitärischen „Polizeispezialeinheiten für Terrorismusbekämpfung“ (PÖH) gestürmt. Nachdem sich die Beamten gewaltsam Zugang in die Wohnung verschafft hatten, soll es zu einer Explosion gekommen sein, berichteten Zeugen gegenüber Medien. Eine Frau, die den Verbänden freier Frauen (YJA Star) – der autonomen Frauenguerilla der PKK – zugerechnet wird, kam im Verlauf der Razzia ums Leben. Unklar ist allerdings, auf welche Weise.
Laut dem türkischen Innenministerium sei die Frau, deren Identität bislang unbekannt ist, „neutralisiert“ worden. Angeblich sei zunächst eine Streife auf die Sakarya Caddesi ausgerückt, da man nach einem Tipp davon ausgegangen sei, in der betreffenden Wohnung würde sich eine „Person mit verdächtigem Verhalten“ aufhalten. Es hätte „nur“ eine Identitätsprüfung stattfinden sollen, die Unbekannte habe jedoch das Feuer auf die Beamten eröffnet. Daraufhin sei eine PÖH-Einheit hinzugezogen worden, die schließlich eine „Operation“ durchgeführt hätte. Die Streifenpolizisten seien „wie durch ein Wunder“ unverletzt geblieben.
Bei einer anschließenden Durchsuchung der Wohnung, die der früheren Ko-Vorsitzenden des Bezirksverbands der Partei der demokratischen Regionen (DBP), Bedia Adıgüzel, gehören soll, seien laut dem Innenministerium angeblich mehrere Schalldämpfer, Waffen, Handgranaten und Munition gefunden worden. Eine Überprüfung von „ebenfalls sichergestellten Dokumenten“ soll schließlich ergeben haben, dass „die Terroristin“ eine „aufsehenerregende Aktion“ in Nisêbîn geplant hätte und bereits diverse Orte wie öffentliche Einrichtungen für einen etwaigen Anschlag ausgespäht haben soll. Anwohnende wiesen diese Angaben zurück.
Demnach habe es gar keine Schüsse aus der Wohnung auf Streifenpolizisten gegeben. Lediglich das Geräusch einer Detonation sei vernommen worden, nachdem PÖH-Leute in die Wohnung eingedrungen waren. „Es deutet alles darauf hin, dass der Staat eine extralegale Hinrichtung plante“, sagte eine Person, deren Namen wir aus Sicherheitsgründen nicht nennen wollen. Seit dem Wochenende seien deutlich mehr Polizisten und Militärs im Stadtzentrum von Nisêbîn präsent gewesen als sonst. Die unbekannte Frau sei darüber hinaus nicht „neutralisiert“ worden, sondern habe sich selbst getötet. Die PKK hat sich bisher nicht zu den Geschehnissen geäußert.
Im Zusammenhang mit der Razzia sind indes sieben Festnahmen bekannt. Die DBP-Politikerin Bedia Adıgüzel war unmittelbar nach dem Vorfall zusammen mit einer ebenfalls unbekannten Person, die bei der Erstürmung der Wohnung verletzt worden sein soll, in Gewahrsam genommen worden. Im Laufe des Tages stürmte die Polizei weitere Häuser in Nisêbîn. Dabei wurden vier Mitglieder einer Familie – Mutter, Vater, Tochter und Sohn – sowie Remziye Bayhan, Nachfolgerin von Adıgüzel und damit die aktuelle Ko-Vorsitzende der DBP in Nisêbîn, festgenommen. Womit sie konkret beschuldigt werden, ist nicht bekannt. Die Behörden verweigern jegliche Auskunft.