Silêmanî: Fast 20 Festnahmen wegen Protest gegen „Roja Reş“

In Silêmanî ist eine Demonstration der „Tevgera Azadî“ anlässlich des 25. Jahrestags der Verschleppung Abdullah Öcalans in die Türkei unterbunden worden. Mehrere Personen wurden festgenommen, darunter auch die Ko-Vorsitzenden der Bewegung.

Im südkurdischen Silêmanî (Sulaimaniyya) ist eine geplante Demonstration der Tevgera Azadî von der Polizei verhindert worden. Etwa zwanzig Personen wurden auf Anordnung der obersten Sicherheitsbehörde in der von der Patriotischen Union Kurdistans (YNK) regierten Metropole in Gewahrsam genommen, meldete die Nachrichtenagentur RojNews. Zur Begründung habe es geheißen, die Veranstaltung sei nicht genehmigt worden. Unter den Festgenommenen befinden sich auch ranghohe Mitglieder der Organisation.

Die Demonstration in Silêmanî sollte vor dem Hintergrund des Jahrestages der Verschleppung von Abdullah Öcalan in die Türkei stattfinden. Der Begründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wurde am 15. Februar 1999 mit einer internationalen Geheimdienstoperation aus Kenia entführt und auf die türkische Gefängnisinsel Imrali gebracht. Dieser völkerrechtswidrige Piratenakt hatte mit der erzwungenen Ausreise Öcalans aus Syrien am 9. Oktober 1998 seinen Anfang genommen – ein  Ereignis, das von vielen Kurdinnen und Kurden auch als „Roja Reş“ (deutsch: Schwarzer Tag) bezeichnet wird.

Der Vorstand von Tevgera Azadî kritisierte die Polizei und forderte Aufklärung darüber, warum die Demonstration unterbunden wurde. Neben den beiden Ko-Vorsitzenden Tara Hisên und Selam Ebdullah wurden laut vorliegenden Informationen auch die genderparitätische Doppelspitze des Ortsverbands in Silêmanî sowie mehrere politische Aktivist:innen festgenommen. Auch forderte die Bewegung Auskunft darüber, wo genau ihre Mitglieder festgehalten werden. Die Polizei Silêmanî hat sich dazu bislang nicht geäußert.

Tara Hisên (m.) 2020 in Silêmanî 

Die Tevgera Azadî ya Civaka Kurdistanê (dt. „Bewegung für eine freie Gesellschaft in Kurdistan“) wurde 2014 gegründet, nachdem die Partei für eine politische Lösung in Kurdistan (Partiya Çareseriya Demokratik a Kurdistanê, PÇDK) verboten wurde. 2017 hat sie gemäß irakischer Verfassung ihre Gründung bekanntgegeben und ihren Gründungskongress abgehalten. Die Bewegung strebt eine hierarchiefreie, feministische, dezentral organisierte radikaldemokratische und sozial-ökologische Gesellschaft in der von feudalistischen Clanstrukturen geprägten Kurdistan-Region des Iraks an und kämpft gegen Korruption und Vetternwirtschaft.

Mit der Tevgera Azadî verhält es sich ähnlich wie bei der kurdischen Opposition in der Türkei: als politische Organisation einer Alternative ist die Bewegung samt ihrer Gefolgschaft systematischer Repression ausgesetzt, obwohl sie nach irakischem und auch kurdischen Recht vollkommen legal ist. Regelmäßig kommt es zu willkürlichen Festnahmen und Verfahren gegen ihre Mitglieder. 2022 ereignete sich ein mutmaßlich in Ankara koordinierter Auftragsmord an einem ranghohen Mitglied der Bewegung. Bei dem Opfer handelte es sich um den bekannten Autor und Historiker Suheyl Xurşîd Ezîz.