Vierzig Tage nach dem Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion haben starke Regenfälle Überschwemmungen in Riha (tr. Urfa) und den Erdbebengebieten Semsûr (Adiyaman) und Meletî (Malatya) verursacht. Izzet Karadağ von der HDP-Krisenkoordination ist in Semsûr und erklärte gegenüber ANF, dass das Leben durch die Überschwemmungen lahmgelegt wurde. Obwohl bereits Wochen seit der Erdbebenkatastrophe vergangen sind, gibt es nach wie vor nicht genügend Zelte und keine Wohncontainer in der Region. Siebzig Prozent der Bevölkerung haben das Gebiet verlassen.
Das Leben ist lahmgelegt
Izzet Karadağ sagt, dass vor allem der Zeltbereich der Katastrophenschutzbehörde AFAD überflutet wurde: „Es hat eine Überschwemmung gegeben und es werden weiterhin starke Regenfälle erwartet. Vor allem die von AFAD aufgestellten Zelte im südlichen Teil von Semsûr wurden überflutet. Auch die Zelte, die Einzelpersonen vor ihren Häusern oder auf leeren Flächen in dieser Region aufgestellt haben, wurden überschwemmt. Das Leben wurde lahmgelegt. In Semsûr gibt es immer noch keine Wasserversorgung. Es gab bereits kein Trinkwasser, die gesamte Stadt wurde nicht mit Wasser versorgt. Aber jetzt ist auch die Wasserversorgung unterbrochen. Es gibt seit zwei Tagen kein Wasser mehr. Überall liegt noch Schlamm. Gerüchten zufolge sind vier Menschen ums Leben gekommen und drei Personen werden vermisst. Diese Menschen sind noch immer nicht gefunden worden. AFAD führt Arbeiten durch, die jedoch sehr begrenzt sind. Einerseits werden die Trümmer beseitigt. Andererseits geht es um den Schutz von Zeltgebieten vor neuen Überschwemmungen. Es wird gearbeitet, aber die Maßnahmen sind sehr unvollständig."
Keine Wohncontainer in Semsûr
Auf die Frage nach der Situation in Semsûr vor der Überschwemmung sagt Karadağ: „Vor der Flut gab es in vielen Straßen noch Trümmer und zerstörte Gebäude. Sie waren unberührt, und sie sind es immer noch. Mit der Flut haben sich die Schwierigkeiten verdoppelt. Es ist eine zweite Katastrophe hereingebrochen. Obwohl vierzig Tage vergangen sind, ist es, als hätte sich das Erdbeben in Semsûr erst gestern ereignet. Es wird nicht nach Menschen gesucht, sondern die Trümmer bleiben, wie sie sind. Ein großer Teil der Stadt ist bereits abgewandert, über siebzig Prozent. Die Stadt hat sich geleert und die Verbliebenen haben in Zelten in leeren Gebieten rund um die Stadt oder in Parks und vor Häusern Zuflucht gefunden. Es gibt immer noch keine Container. Die Stadtverwaltungen von Izmir und Mersin arbeiten an der Errichtung von Containern, sie bauen Flächen auf. Auch eine Firma von AFAD ist vor Ort, aber es wurden noch keine Container aufgestellt. Es gibt nur eine Vorbereitung der Infrastruktur."
Die Hilfslieferungen nehmen ab
In Hatay beschlagnahmt der Staat weiterhin Zelte und blockiert freiwillige Solidaritätsnetzwerke. Auf die Frage, ob es in Semsûr ähnlich ist, antwortet Izzet Karadağ: „Die Eigentümer der Lagerhäuser, die wir in den ersten Tagen des Erdbebens genutzt haben, wurden unter Druck gesetzt. Wir mussten diese Lager räumen und haben neue Lager errichtet. Die Polizei beobachtet sie ständig und hat mehrmals gefragt, wer wir sind und was wir machen. Aber in den letzten drei oder vier Tagen hat das aufgehört.
Es gibt drei Zeltbereiche, in denen wir als HDP mit dem alevitischen Verein Pir Sultan Abdal als Semsûr-Hilfskoordination arbeiten. Wir verteilen die Hilfsgüter jetzt nach Adressen. Die Menschen schicken telefonische Anfragen an unsere Koordination. Zusammen mit unserem Netzwerk von Freiwilligen verpacken wir sie und liefern sie an Ort und Stelle aus. Nach wie vor besteht großer Bedarf an Zelten. Wir verteilen die von uns gestellten Zelte an die Bedürftigen. Es besteht ein großer Bedarf an Wasser. Manchmal bringen wir zwei Lastwagen mit Wasser pro Tag, manchmal einen Lastwagen pro Tag. Das ist immer noch nicht genug. Ich glaube, es gibt außer uns nur sehr wenige Menschen, die so organisiert Wasser bringen. Wasser ist eines der größten Probleme. Der Bedarf an Toiletten und Sanitäranlagen ist sehr groß. Der erste Grund, warum die Menschen Zelte in den Gärten oder in der Nähe ihrer Häuser aufstellen, ist, dass sie diese Grundbedürfnisse dort befriedigen, obwohl die Häuser stark beschädigt sind.
Wir haben Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Wasser, Waschmöglichkeiten, Toiletten und Reinigungsmaterial. Unsere Möglichkeiten sind begrenzt und die Hilfe wird immer weniger. Auch das sollte bekannt sein. Fast alle drei oder vier Tage kommt ein Hilfsfahrzeug an. Zivile Hilfe ist ja etwas, das in Krisenzeiten geleistet werden sollte, danach sollte der Staat sie organisieren, aber das ist nicht der Fall.“