Der ehemalige Vorsitzende der Anwaltskammer in Amed (tr. Diyarbakir) ist zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Mehmet Emin Aktar wird aufgrund seiner Teilnahme an Aktivitäten des Demokratischen Gesellschaftskongresses (KCD) im Jahr 2018 Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen.
Der Angeklagte selbst nahm an der Verhandlung vor der vierten Strafkammer des Schwurgerichts Diyarbakir nicht teil und wurde von seinen Verteidiger*innen Resul Tamur und Semra Balyan vertreten. Aufgrund der Corona-Beschränkungen waren Prozessbeobachter nicht zugelassen.
Verteidiger Resul Tamur verwies vor Gericht auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall des ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş, in dem der KCD als legale Organisation eingestuft wird. Die Verteidigung forderte Freispruch.
Das Gericht warf dem Angeklagten in der Urteilsbegründung vor, nicht von dem in der Türkei praktizierten „Reuegesetz“ Gebrauch gemacht zu haben. Daher komme auch keine Strafminderung in Betracht.
Mehmet Emin Aktar ist praktizierender Rechtsanwalt und vertritt zahlreiche inhaftierte Politikerinnen und Politiker der Demokratischen Partei der Völker (HDP). Zu seinen Mandant*innen gehören Gültan Kışanak, Sebahat Tuncel, Feleknas Uca, Emine Ayna und Adnan Selçuk Mızraklı.
Was ist der KCD?
Der Demokratische Gesellschaftskongress fungiert als Dachverband politischer Parteien, zivilgesellschaftlicher Organisationen, religiöser Gemeinden sowie Frauen- und Jugendorganisationen. Er versteht sich als gesellschaftlicher Gegenentwurf zu staatlichen Strukturen, der – gestützt auf Räte- und Basisdemokratie – Konzepte zur Selbstorganisierung der Bevölkerung und Alternativen der kommunalen Selbstverwaltung erarbeitet. Der KCD besteht aus etwa 1000 Delegierten, von denen 60 Prozent durch die Bevölkerung direkt gewählt und 40 Prozent aus zivilgesellschaftlichen Organisationen benannt werden, und ist in Kommissionen gegliedert. Sowohl innerhalb des Dachverbands wie auch in den Stadtteilräten und Stadträten gibt es keine Frauenquote, sondern eine Geschlechterquote. Das bedeutet, dass der Anteil von Frauen beziehungsweise Männern 40 Prozent nicht unterschreiten darf.