Notizen aus dem Xakurkê-Widerstand – Teil 1

Im Dezember 2017 hat das türkische Militär in der Region Xakurkê mit einer grenzüberschreitenden Operation begonnen. Seitdem dauern die Versuche der Türkei, die Region zu besetzen, an.

Am 14. Dezember 2017 hat das türkische Militär in der Region Xakurkê mit einer grenzüberschreitenden Operation begonnen. Seitdem dauern die Versuche der Türkei die Region zu besetzen, wie auch der Widerstand gegen das türkische Militär, an. Unsere Korrespondent*innen befinden sich direkt in der Region und berichten von den Auseinandersetzungen.

Das türkische Militär bewegt sich zurzeit mit massivem Aufgebot entlang der Linie Geliya Reş, Haci Beg Suyu, Kaniya Reş, Deşta Hayat und Tepe Sîro und versucht, südkurdisches Territorium zu besetzen und eine Pufferzone zu errichten, um die Gebiete, die unter der Kontrolle der Guerilla stehen, zu teilen.

Die Mobilität der Guerilla wird nicht eingeschränkt

Von Beginn der Operation an bis heute kommt es zu häufigen Gefechten zwischen dem türkischen Militär und den Volksverteidigungskräften (HPG). Die Guerilla führt täglich neue Aktionen gegen das türkische Militär durch, das versucht, Überlegenheit durch Aufklärungsflüge und Luftstreitkräfte zu erlangen. Auch wenn das Gleichgewicht durch die technische Überlegenheit des Militärs gestört ist, so ist dennoch deutlich sichtbar, dass die Mobilität der Guerilla dadurch praktisch nicht eingeschränkt wurde. Die Guerilla-Aktionen gegen die Militärpräsenz am Gipfel Siro und Koordine machen diese Realität mehr als deutlich.

Was ist das Ziel des türkischen Militärs?

Während das türkische Militär bei Guerillaaktionen schwere Schläge erlitten hat, ist es ihnen trotz der schweren und schroffen Geländebedingungen nicht gelungen, der Guerilla Verluste zuzufügen. Das hat gezeigt, dass die Besetzung der Region für die Türkei nicht einfach verlaufen würde. Insbesondere im Gebiet Xakurkê, aber auch im gesamten Medya-Verteidigungsgebiet sind die Guerillakräfte auf jedem Berg, an jedem Hang und auf jedem Gipfel entsprechend der Notwendigkeiten des Krieges stationiert.

Auf dem Weg ins Kriegsgebiet, sprechen wir mit den Kommandant*innen. Xelat Şems weist insbesondere auf den Zeitpunkt der Offensive hin: „Sie haben gedacht, dass im Winter die Mobilität der Guerilla eingeschränkt sei und haben ihre Besetzungsoperation daher im Dezember begonnen.“ Şems berichtet, dass das türkische Militär jetzt im Winter vor allem versucht hier neue Basen zu bauen, um seine Präsenz hier dauerhaft zu festigen. „Sie zielen darauf ab, unsere Beziehung zum Norden abzuschneiden und so den Krieg außerhalb ihrer Grenzen führen zu können“, fügt Şems hinzu.

Xelat erklärt, dass durch die Besetzung einzelner Gebiete das Medya-Verteidigungsgebiet gesplittet werden soll. Bei seinen Ausführungen fällt uns sofort die Besetzung von Cerablus ein, um Efrîn von den anderen Kantonen abzuschneiden. Xelat erzählt uns weiter von den Zielen der türkischen Operation: „Der Unterschied dieser Operation zu den vorhergehenden ist, dass die Soldaten jetzt einfallen, um hier außerhalb der Grenzen der Türkei dauerhaft zu bleiben. Deswegen versuchen sie neue Stützpunkte und Stellungen aufzubauen. Gleichzeitig wollen sie ins Innere vordringen und Deşta Hêrtî erobern und ganz Xakurkê in die Zange nehmen. Sie sollten eigentlich wissen, dass das nicht leicht sein wird.“

Die Demokratische Partei Kurdistan (PDK) schweigt

Wenn wir uns die Militärbewegungen vor Ort anschauen, dann sehen wir, wie abgrundtief schmutzig und opportunistisch die Wege sind, welche der türkische Staat einschlägt. Die Türkei versucht, die Probleme zwischen der irakischen Zentralregierung und der nach dem umstrittenen Referendum geschwächten Kurdische Regionalregierung (KRG) für ihre eigenen Interessen zu nutzen. Als Alternative zu den von der Zentralregierung besetzten Grenzübergängen zwischen Südkurdistan und der Türkei plant sie nun einen Grenzübergang am Hacibeg-Fluss in Diyana zu öffnen. Als Gegenleistung für diesen Grenzübergang soll die KRG zur Besetzung der Region durch die Türkei schweigen, ja diese unterstützen.

Als uns diese Information erreicht fragen wir uns, was die Rolle der PDK bei dieser Operation sein könnte. Wird sie, um ihre eigenen engen Interessen zu schützen, eine schmutzige Vereinbarung mit der Türkei schließen? Die Informationen, die wir aus der Region erhalten, sind nicht sonderlich ermutigend. Eine Quelle berichtet, dass der Landrat von Sideka (Region in Xakurkê) ebenfalls die Operation unterstützt. Demnach besteht das Risiko einer Einigung der PDK mit der Türkei wie 1992, 95, und 97.

Wird die PDK nach Kerkûk und Şengal wieder den gleichen Fehler begehen? Und das, wo die Bevölkerung Südkurdistans ohne Arbeit in Armut leben muss und Reformen fordert. In einer Situation, wo alle Organisationen Kurdistans zur nationalen Einheit und zu einem Nationalkongress aufrufen … Die Möglichkeit, dass die PDK ihre klassische Kollaborateurshaltung fortsetzt, wird zum Mittelpunkt unserer Befürchtungen.

Angriffe auf die Bevölkerung und die Natur

Das faschistische Regime, das die Vernichtung eines Volkes für seinen schmutzigen Machtkampf in Kauf nimmt, zeigt eine ähnliche Haltung gegenüber der Natur. Wir hören, wie Xelat Şems uns von den Angriffen des türkischen Militärs auf die Natur Kurdistans berichtet: „Die Artillerie und Mörsergranaten, die hier den ganzen Tag von ihnen abgefeuert werden, verursachen Brände im Gelände. Außerdem baut das Militär Beziehungen zu Dorfbewohnern auf und versucht sie dazu zu bringen, dass sie die Bäume im Gelände abholzen und die Wälder ausdünnen. Auf diese Weise greifen sie die Natur, mit der die Guerilla im Einklang lebt, wie auch die Bevölkerung an.“

Nach kurzer Pause spricht Xelat weiter: „Solang die Guerilla hier in den Bergen ist, braucht sich aber niemand Sorgen machen. Wir haben nicht die Absicht, diese Region aufzugeben.“

Es reicht aus, die mörderischen Praktiken des türkischen Militärs in den ersten zwanzig Tagen der Xakurkê-Operation zu betrachten. Aus Angst vor den Aktionen der Guerilla terrorisiert das türkische Militär die Umgebung mit schweren Waffen und schießt willkürlich mit Mörsergranaten um sich. Meist geht der Beschuss nicht einmal in Richtung der Guerillastellungen, stattdessen treffen die Geschosse die Gärten, Weinberge, Häuser und Felder der Dörfer in dem Gebiet.

Während der türkische Staat auf Massaker und Ausbeutung besteht und seine Aggression über die Grenze trägt, setzen die Guerilla im Traum von einem Kurdistan ohne Grenzen in den Stellungen ihren Widerstand fort.

Fortsetzung folgt ...