Die Oberstaatsanwaltschaft Diyarbakır hat auf Betreiben des türkischen Justizministeriums ein Verfahren gegen den Jugendrat der DEM-Partei eingeleitet. Begründet werden die Ermittlungen mit dem Vorwurf der Belohnung und Billigung von Straftaten und Straftätern sowie Propaganda zugunsten einer „Terrororganisation“ während dem Kongress der DEM-Jugend, schrieb Ressortminister Yılmaz Tunç am Sonntag auf der Plattform X. Wie der AKP-Politiker weiter mitteilte, seien auch Anordnungen zur Festnahme erlassen worden. Der Jugendrat der DEM-Partei bestätigte seinerseits, dass mindestens dreißig Mitglieder gewaltsam in Gewahrsam genommen wurden. „Diesem Vorgehen liegt die Angst vor dem Potenzial einer Jugend zugrunde, die als Motor des gesellschaftlichen und politischen Wandels fungiert“, so der Verband.
Früher am Tag hatte der Jugendrat der DEM-Partei seinen ersten Kongress abgehalten. An der Zusammenkunft in der nordkurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) nahmen tausende Menschen aus allen Teilen des Landes teil, auch Delegierte aus Deutschland und der Schweiz waren angereist. Da der Andrang im Saal am Ende größer als erwartet war, mussten viele Menschen draußen bleiben. Über eine Leinwand verfolgten sie das enthusiastische Kongressgeschehen und die kämpferischen Solidaritätsbotschaften, die unter anderem von der linksgrünen Jugend Dänemarks, Linksjugend solid aus Deutschland, der Sozialistischen Jugend Norwegens und von der maoistischen Jugendorganisation Anakbayan von den Philippinen kamen.
Im Zentrum des Kongresses stand die Frage, wie ein Ausweg aus der allgemeinen Hoffnungslosigkeit in der Türkei zu finden ist. Die DEM-Jugend sieht junge Menschen nicht nur als die ungefragten Erben der durch die allgegenwärtige Kriegspolitik des türkischen Staates verursachten anhaltend krisenhaften Verhältnisse, sondern auch als die Generation, die in der Lage ist, Antworten zu geben auf die vielfältigen Krisen und Lösungen für sie zu entwickeln. Ihre Überzeugungen dabei, die sich auch in den auf dem Kongress immer wieder skandierten Parolen ausdrückten, sind: Demokratie von unten nach oben, Frauenbefreiung, „Jin, Jiyan, Azadî“, Widerstand gegen Faschismus, Besatzung und Krieg, Revolution der Jugend, gerechte Ökologie und „Das Beharren auf den Sozialismus ist das Beharren auf das Menschsein“.
Die türkische Polizei belagerte seit dem frühen Morgen den Veranstaltungssaal, in dem der Kongress der DEM-Jugend stattfand. Mit Festnahmen im Nachgang wurde gerechnet.
„Das Beharren auf den Sozialismus ist das Beharren auf das Menschsein“ lautet auch der Titel eines Buches von Abdullah Öcalan, dessen andauernde Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali und der damit einhergehenden Verweigerung einer Lösung der kurdischen Frage das „grundlegendste Problem“ in der Türkei sei. Es ergebe sich aus der Ablehnung von Grund- und Bürgerrechten und habe gravierende Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft und folgende Generationen, glaubt die DEM-Jugend. Dieser Umstand mache es daher zu einer Notwendigkeit, eine demokratische und gerechte Lösung der Kurdistan-Frage, dieses jahrzehntelangen Konflikts zu finden. „Und der Weg dorthin führt durch eine verspätete, aber umfangreiche Demokratisierung, die die Jugend erwirken kann.“
Die Abschlusserklärung ihres Kongresses will die DEM-Jugend in den nächsten Tagen vorlegen.