Menschenknochen unter JITEM-Folterzentrum gefunden

Unter einem ehemaligen Folterzentrum des militärpolizeilichen Geheimdiensts JITEM in Amed-Sûr wurden menschliche Knochen gefunden. Aufgrund der Aufmerksamkeit der Bauarbeiter konnte eine Vertuschung der Leichenfunde verhindert werden.

Bei „Restaurierungsarbeiten“ am ehemaligen Saraykapı-Gefängnis in Amed-Sûr (tr. Diyarbakır-Sur) wurden menschliche Überreste gefunden. Der historische Ort wurde in den 1990er Jahren als Verhör-, Folter- und Hinrichtungsstätte des türkischen Militärgeheimdiensts JITEM genutzt. Die Firma YSO Inşaat A.Ş. versuchte, die Knochenfunde im Cevatpaşa-Viertel von Sûr als „Tierknochen“ zu deklarieren und auf dem Müll zu entsorgen. Aber später wurden vollständige menschliche Skelette gefunden. Die fraglichen Knochen wurden auf einen Bagger geladen und abtransportiert. Es ist nicht bekannt, wo die Knochen hingebracht wurden.

Ständig kamen neue Knochen zum Vorschein“

Ahmet Kayar, einer der an der Grabung beteiligten Arbeiter, berichtete der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) über die Geschehnisse. Kayar erklärte, dass bereits seit Februar immer wieder Knochen auf der Baustelle gefunden worden seien: „Ständig kamen neue Knochen zum Vorschein. Sie wollten, dass wir sie auf den Müll werfen. Das ließ unser Gewissen nicht zu. Wir weigerten uns. Als sie dann sagten, es handele sich um Tierknochen, begannen wir, sie in den Müll zu geben. Sie sagten uns: ‚Wenn hier archäologische Strukturen oder Leichen auftauchen, dann verzögert sich unsere Arbeit.‘ Später stießen wir auf zwei vollständige Skelette.“ Kayar sagt, man habe die Skelette Archäologen gezeigt: „Die Archäologen erklärten, es handele sich um zwei Männer. Unter den Skeletten wurden weitere Knochen gefunden. Auch Asche wurde entdeckt. Auf die Frage, wem diese Knochen gehören könnten, wurde uns keine Antwort gegeben.“


Geschichte wird vernichtet

Kayar sagte, dass auch archäologische Strukturen bei den Aushubarbeiten zerstört wurden: „Durch den Einsatz der Baumaschinen wurde viel Geschichte zerstört. So gab es antike Wasserleitungen. Sie beschädigten ständig solche Strukturen, nur damit die Arbeit auf der Baustelle nicht gestört wurde. Man sagte uns: ‚Zerstört sie, sie sollen verschwinden, sonst kommt unser Unternehmen nicht voran. Sonst müssen wir sie erst dokumentieren, um sie entfernen zu können.‘ Wir entdeckten ein historisches Becken. Das haben wir wieder zugeschüttet, damit es nicht zu sehen ist. Es wurde dann ein Gerüst darauf gestellt. Dem kulturellen Erbe wurde großer Schaden zugefügt.“

Der Bauarbeiter berichtete, dass auch ein 100 Meter langer Aquädukt entdeckt und zerstört worden sei: „Dieser Aquädukt wurde unter Aufsicht der Verantwortlichen zerstört. Als die Arbeiter zum Essen gegangen waren, wurden dazu zwei Personen ausgewählt und das Aquädukt wurde zerstört.“ Sogar die Museumsdirektion, die zu Untersuchungen auf der Baustelle war, habe die Augen vor der Zerstörung verschlossen. Kayar forderte, es müssten Maßnahmen gegen diese Zerstörung getroffen werden.

JITEM-Basis

Der Ort wurde in den 1990er Jahren als Stützpunkt des JITEM benutzt. Systematisch wurden Menschen dorthin verschleppt und „verschwanden“. Bereits 2012 waren bei Grabungsarbeiten Knochen aufgetaucht. Die Grabung wurde damals von der Generalstaatsanwaltschaft Diyarbakır ausgeweitet, aber anschließend wurden keine Schritte in Bezug auf Ermittlungen zu den Knochenfunden unternommen.

Tausende Menschen „verschwunden“

Zu Tausenden wurden in den achtziger und neunziger Jahren Politiker:innen, Journalist:innen, Rechtsanwält:innen, Geschäftsleute oder einfache Bauern im schmutzigen Krieg gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) entführt und ermordet. Wie viele es genau waren, weiß niemand, nur in wenigen Fällen wurden die Opfer identifiziert. Ihre Leichen wurden in Massengräbern, Höhlen oder in stillgelegten Industrieanlagen verscharrt, auf Müllhalden geworfen, in Brunnenschächten und Säuregruben versenkt oder durch den Abwurf aus Militärhubschraubern beseitigt. Oft waren die Menschen von der Polizei oder der Armee zu Hause abgeholt worden, oder man hatte sie in die Wache vor Ort zu einer „Aussage“ bestellt. Viele waren auch bei einer Straßenkontrolle festgehalten worden. Das ist oft das letzte, was ihre Angehörigen vom Verbleib der Vermissten wissen. Die Täter: Die Spezialeinheiten der türkischen Militärpolizei ‒ zuständig für „Nachrichtenbeschaffung und Terrorabwehr“, kurz JITEM.