Kurdischer Unterricht wird nach Razzia fortgesetzt

Kulturschaffende haben nach den gestrigen Massenfestnahmen und Razzien in Einrichtungen zur Förderung der kurdischen Sprachen in Amed das Unterrichtsprogramm bei MED-DER fortgesetzt. Das Thema lautete „Kultureller Völkermord“.

Qirkirina Çandî - Kultureller Völkermord

Im Zuge eines 2022 von der Generalstaatsanwaltschaft Diyarbakir (ku. Amed) eingeleiteten Ermittlungsverfahrens sind am Dienstag drei Einrichtungen und diverse Privatwohnungen durchsucht worden, es kam laut aktuellem Stand zu 29 Festnahmen. Bei den durchsuchten Einrichtungen handelt es sich um die Buchhandlung Payîz Pirtûk, den Forschungsverein für Sprachen und die Kultur Mesopotamiens (MED-DER) und die Bildungskooperative für Sprache und Kunst (Anka), die sich für den Erhalt und die Förderung kurdischer Sprachen einsetzen. Die Polizei beschlagnahmte über 500 Bücher und Magazine sowie Speichermedien. Die in Amed Festgenommenen werden von der Antiterrorpolizei festgehalten. Was ihnen konkret vorgeworfen wird, ist nicht bekannt. Das Verfahren unterliegt einer Geheimhaltungsklausel und basiert offenbar auf Aussagen des langjährig bekannten Kronzeugen Ümit Akbıyık.

Aus Solidarität mit den Festgenommenen haben Kulturschaffende aus Amed heute die Räumlichkeiten von MED-DER geöffnet und den Unterricht fortgesetzt. Der Verein bietet seit Jahren Unterricht in den kurdischen Sprachen Kurmancî und Kirmanckî an, seine Ko-Vorsitzenden Mehmet Remzi Azizoğlu und Şükran Yakut sind unter den Festgenommenen. An dem ersten Unterrichtsprogramm nach der gestrigen Razzia nahmen Kulturschaffende aus verschiedenen Einrichtungen teil, darunter Ma Music, KASED (Verein für Frauen, Kultur, Kunst und Literatur), das Stadttheater Amed (Şanoya Bajêr e Amedê) und die Filmakademie Mittlerer Osten. Das Thema lautete „Kultureller Völkermord“ (ku. Qirkirina Çandî).

Die KASED-Vorsitzende Saliha Ayata leitete den Unterricht und sagte, dass Kurdisch bis heute erhalten werden konnte, obwohl es keine offizielle Sprache und keine Schriftsprache sei, „weil dafür hart gekämpft wurde. Auch wenn die Autoritäten behaupten, dass die kurdische Sprache nicht verboten ist – die Buchstaben x, w, q, ê sind in der Türkei verboten“.

Die kurdische Sprache lebt

Nach dem Unterricht erklärte Şêrko Kanîwar, Koordinator des Ma Music Center, im Garten von MED-DER: „Als Kurden muss uns klar sein, dass der gestrige Angriff nicht der letzte war, die Angriffe auf unsere Sprache werden weitergehen. Solange nicht vierzig Millionen Kurdinnen und Kurden ermordet werden, wird auch ihre Sprache nicht aussterben. Die kurdische Sprache lebt. Wenn uns der Mund zugebunden wird, werden wir weiter in unserer Muttersprache denken. Kurdisch wird kriminalisiert. Unsere festgenommenen Kolleginnen und Kollegen können verhaftet oder freigelassen werden, der Kurdisch-Unterricht wird weitergehen.“

Namen der 29 Festgenommenen

Bei den Festgenommenen handelt es sich um Mehmet Remzi Azizoğlu ve Şükran Yakut, Rıfat Ronî, Ramazan Holat, Dilan Güvenç, Nazan Çelik, Rezan Aktulum, Beritan Gürbet Orak, Berivan Duman, Ayhan Karatekin, Cihat Güney, Mehmet Salih Öngün, İlyas Gün, Hebun Yağmur, Mine Karakaş, Ahmet Boltan, Rabia Karayıl, İpek Oyur, Fatma İgin, Mustafa Açmaz, Hasan Gürpınar, Şilan Elmas Kan, Şehriban Ayluçtarhan, Niştiman Gül, Cihat Çağrıcı, Yaşar Aslan, Jiyan Yağmur, Hasan İkvan und Belkısa Süleymanoğlu Bitkin. Letztere ist Mitglied im Vorstand des in Izmir im Südwesten der Türkei ansässigen Kunstvereins „JÎN ART Huner“. Sie wurde in Izmir festgenommen und nach Amed gebracht. Şehriban Ayluçtarhan ist in Istanbul festgenommen worden und soll ebenfalls zur Antiterrorpolizei nach Amed überführt werden.

Fotos © MA