Kollektivstrafe gegen Kurden
Der türkische Staat geht mit brutaler Gewalt gegen Dorfbewohner in der nordkurdischen Provinz Riha vor. Die Juristenvereinigung ÖHD spricht von einer Kollektivstrafe gegen das kurdische Volk.
Der türkische Staat geht mit brutaler Gewalt gegen Dorfbewohner in der nordkurdischen Provinz Riha vor. Die Juristenvereinigung ÖHD spricht von einer Kollektivstrafe gegen das kurdische Volk.
Nur einen Tag nachdem das CPT, das Antifolterkomitee des Europarats, nach einer mehrtägigen Inspektion von Gefängnissen und Polizeistationen die Türkei verlassen hat, sind am 18. Mai Dutzende Kurdinnen und Kurden in der Provinz Riha (Urfa) festgenommen worden und werden seitdem in der polizeilichen Antiterrorabteilung misshandelt. Ihre genaue Anzahl ist unbekannt, offenbar kommt es täglich zu weiteren Festnahmen. Nach Angaben des HDP-Abgeordneten Nimettulah Erdoğmuş sind die Festgenommenen im Alter zwischen 13 und 70 Jahren. Die Freiheitliche Juristenvereinigung ÖHD spricht von einer „Kollektivstrafe gegen das kurdische Volk“.
Die Massenfestnahmen in der nordkurdischen Provinz Riha haben eingesetzt, nachdem ein Kommissar einer polizeilichen Sonderheit bei einer Operation im Bezirk Xelfetî ums Leben gekommen ist. Laut türkischer Medien sollen auch zwei PKK-Mitglieder getötet worden sein, eine eigene Stellungnahme der Organisation liegt noch nicht vor.
Die Juristenvereinigung ÖHD teilt in einer Presseerklärung von heute mit, dass erst gestern Abend Rechtsanwälte mit einigen der Festgenommenen sprechen konnten. Manche hätten kaum laufen können und die meisten hätten sogar Schwierigkeiten beim Sprechen gehabt. Die Mandantengespräche wurden rechtswidrig von der Polizei überwacht und die Festnahmefrist ist heute um vier Tage verlängert worden. Die Anwaltsvereinigung befürchtet daher, dass die Folter im Polizeigewahrsam weitergeht, und ruft das europäische Folterkomitee, das die Türkei in der vergangenen Woche besucht hat, dringend zum Handeln auf.
Einige der Festgenommenen wurden heute unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in das Justizgebäude in Riha gebracht. Sie konnten kaum laufen, einige hatten keine Schuhe, andere waren halbnackt. Alle hatten Hämatome im Gesicht und an den Händen. Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt, im Justizgebäude mussten sie sich mit dem Gesicht zur Wand in einer Reihe im Flur aufstellen. Der Zugang zum Gebäude war gesperrt, selbst der Platz davor wurde geräumt. Fotografieren und Filmen wurde verboten.
Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP) versuchen unterdessen herauszufinden, auf wessen Befehl die Festgenommenen gefoltert werden. Gesprächsanfragen beim Provinzgouverneur und der Staatsanwaltschaft in Riha sind bisher unbeantwortet geblieben. „Wir finden keinen Ansprechpartner, der uns über die Geschehnisse informieren kann“, erklärte der HDP-Abgeordnete Nimettulah Erdoğmuş. Alle staatlichen Stellen seien jedoch im Bilde über die Vorfälle.