KCK: Neue gefährliche Entwicklung auf Imralı wahrnehmen

Die KCK-Führung hat zum Jahrestag des Beginns des Komplotts gegen Öcalan am 9. Oktober eine schriftliche Erklärung veröffentlicht in der es heißt: „So wie die Errungenschaften der Kurd*innen wachsen, vertieft sich die Isolation Öcalans.“

Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) erinnerte daran, dass das Komplott nun in sein 20. Jahr geht und wies auf den Widerstand Öcalans auf Imralı hin. Dieser Widerstand habe die Grundlage für die Errungenschaften der Kurd*innen und der Völker der Region gelegt. So heißt es in der Erklärung: „So wie die Errungenschaften der Kurd*innen wachsen, vertieft sich die Isolation Öcalans.“ Die KCK rief die Kurd*innen und ihre Freund*innen zu Aktionen auf. In der Erklärung heißt es, man versuche das Komplott „neu aufzuwärmen“ und die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR, auf Imralı gäbe es keine Folter, habe eine „neue und gefährliche Situation“ geschaffen, sie appellieren: „Unser Volk muss gegenüber dieser neuen und gefährlichen Situation aufmerksam sein.“

Die vollständige Erklärung der KCK-Führung lautet:

Nun beginnt das 20. Jahr nach dem internationalen Komplott, das in der Verschleppung unserer Führung und ihrer Auslieferung an den türkischen Kolonialstaat resultierte. Wir verfluchen dieses Komplott zum 20. Jahrestag einmal mehr in großer Wut. Wir grüßen den Vorsitzenden Apo [Abdullah Öcalan], der die Bedingungen der Gefangenschaft, die das internationale Komplott geschaffen hat, mit einem großen Widerstand und Kampf beantwortet. Wir erinnern an die aufopferungsvollen Genoss*innen, die unter der Parole „Ihr werdet unsere Sonne nicht verdunkeln“, sich selbst zu einem Ring aus Feuer machten. Wir grüßen den Widerstand, den das patriotische kurdische Volk und seine Freund*innen seit 20 Jahren an den Tag gelegt haben und damit Verantwortung für den Vorsitzenden Apo übernommen haben.

Das Komplott richtete sich gegen die freie kurdische Identität

Das kapitalistische System des 20. Jahrhunderts hat die Kurd*innen, ein würdiges Volk, das über eine eigene Sprache, Kultur und Identität verfügt, nicht als Nation anerkannt. Als Nationalität wurde den Kurd*innen ihre Existenz verweigert, sie wurde verleugnet. In Folge einiger Verabredungen, welche die imperialistischen Staaten im Sinne ihrer Profitinteressen getroffen haben, wurde die Region Kurdistan ausgebeutet und ihre Quellen des Reichtums untereinander aufgeteilt. Das Land wurde mitsamt der auf ihm lebenden Bevölkerung geteilt und zerstückelt. Das größte Stück bekam der türkische, kolonialistische Nationalstaat. Er stützte sich in seiner Kurdenpolitik auf diese Abkommen und praktiziert seit etwa 100 Jahren eine systematische Politik der Vernichtung und Verleugnung. Die Haltung der Kurd*innen demgegenüber spiegelt sich in einem permanenten Aufstand wider. Der kurdische Freiheitskampf, der vom Vorsitzenden, dem Genossen Abdullah Öcalan und seiner ideologischen Gruppe unter Führung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) auf der Grundlage der legitimen Selbstverteidigung entwickelt worden war, stellt den größten dieser Aufstände dar. Dieser Kampf unter der Führung der PKK versteht sich selbst als Kampf um „sein oder nicht sein“ und in seinem Rahmen wurden zu einem hohen Preis Errungenschaften für die Kurd*innen und ihre demokratischen Freiheiten erkämpft. Während die internationalen Mächte sich darauf vorbereiteten, das 21. Jahrhundert mit dem Greater Middle East Project beginnen zu lassen, sahen sie den von der PKK und dem Vorsitzenden Apo angeführten Kampf der kurdischen Freiheitsbewegung als größte Bedrohung ihrer kapitalistischen und imperialen Interessen an. Die Identität der „Freien Kurd*in“, des „Freien Menschen“ und der „Demokratischen und freien Gesellschaft“, welche die Bewegung aufzubauen sucht, wurde als Hindernis für das Greater Middle East Project angesehen. Das internationale Komplott, das am 9. Oktober begann, zielte darauf ab, dieses größte Hindernis für ihre kapitalistischen und imperialistischen Profite aus dem Weg zu räumen. Das größte Ziel des Komplotts war es, zu verhindern, dass die Kurd*innen als ein freies, entschlossenes Volk, das seine nationale Identität gefunden hat, ins 21. Jahrhundert gehen. So wollten sie den Mittleren Osten im Sinne ihrer Ausbeutungsinteressen neu ordnen. Aus diesem Grund haben sie in der Person des Vorsitzenden Apo, das kurdische Volk und seine Bewegung mit seinen nationalen, demokratischen Errungenschaften eingekerkert.

Großer Widerstand gegen das Komplott

Die Reaktion unserer Führung auf dieses Komplott legte die Grundlage für das Scheitern des Plans und der Projekte dieser Mächte für den Mittleren Osten und die Kurd*innen. Die Art unserer Führung, des kurdischen Volkes und seiner Bewegung, diesem Komplott zu entgegnen, wird in einer Haltung des entschlossenen Widerstands und der Erneuerung deutlich. Der Ring des Widerstands, den unser Volk und unsere mutigen Gefallenen um unsere Führung geschaffen hatten, waren das erste Glied in der Kette, die das Komplott zum Scheitern bringen sollte. Die Antwort des kurdischen Volkes auf dieses große Spiel war es, sich überall und aus jeglicher Lage zu erheben. Es protestierte umfassend gegen dieses große Spiel, gegen diese Verschwörung. Hunderte Gefallene waren der Preis. Unzählige unserer Genoss*innen bildeten unter der Parole „Ihr werdet unsere Sonne nicht verdunkeln“ mit ihrem Willen, als auch mit ihren Körpern einen Wall aus Feuer um unsere Führung. Denn sie sahen die Führung als Summe der geschaffene Werte. Das kurdische Volk hat erkannt, dass der in Person der Führung ausgegrenzt und zum Folterzentrum in Imralı verurteilt werden soll, das „freie Kurd*innentum“ oder „die freie Menschheit“ ist. Darüber hinaus hat es erkannt, dass die Gefangenschaft der Führung, die eigene Gefangenschaft bedeutet. Das kurdische Volk hat die Verbindung dieses Prozesses mit seiner eigenen historischen Tragödie sehr klar verstanden und im Bewusstsein, dass die Befreiung durch die Zerstörung dieser Tragödie erfolgt, sich diesen Widerstand zu eigen gemacht.

Der türkische Nationalstaat befindet sich in einer Auflösungsphase

In den 20 Jahren, die seit dem Komplott vergangen sind, gab es in Kurdistan und im Mittleren Osten große Turbulenzen und wichtige Entwicklungen. Im Umfeld dieser Entwicklungen errangen die Kurd*innen durch große Kämpfe Erfolge. Es wurde ein politisch-intellektuelles Bewusstsein erkämpft, die eigene Verteidigungskraft wurde entwickelt; mit der Organisierung und Institutionalisierung der demokratischen Gesellschaft ist das Volk willensstark, organisiert und entschlossen geworden. Seine verlorene Sprache, Kultur, Identität und Organisationskraft wurden wieder erweckt. Eine bewusste, würdige, demokratisch-freiheitliche Haltung, die sich vor keinem Hegemonen fürchtet, eine Haltung, nicht bereit zu sein das Haupt zu beugen, hat sich durchgesetzt. Nach dem Widerstand um Leben und Tod, der gegen den Feind der Menschheit, den Islamischen Staat geführt wurde, wurde die Revolution von Rojava Realität. Auch wenn sie versuchen, mit faschistischen Praxen ihr Leben zu verlängern, der kolonialistische türkische Nationalstaat befindet sich in einer Phase der Auflösung, während in Nordkurdistan die Phase des demokratischen Aufbruchs und des revolutionären Widerstands begonnen hat. Die unvergleichliche Akkumulation von Erfahrung durch Şengal und Kobanê haben diese Phase hervorgebracht. Sowohl mit den Völkern der Region, als auch mit den Völkern der Welt gibt es geschwisterliche Beziehungen und eine gemeinsame Dimension des Kampfes. Der Kandidat für das gesellschaftliche Modell des 21. Jahrhunderts ist das demokratische, konföderale System. Eine neue demokratisch-konföderale Lebenskultur hat begonnen sich zu entwickeln und sich mit Leben zu füllen und aktiv zu werden. Um diese Erfolge hervorzubringen haben die Kurd*innen mehr als 20.000 Gefallene gegeben. Hunderte wurden zu Opfern von Morden unbekannter Täter. Hunderttausende erlebten Folter und Festnahmen. Zehntausende wurden in die Kerker geworfen und dort bestraft. Millionen wurden zum Ziel aller möglichen Formen von Repression, Gewalt, Folter und Grausamkeit.

So wie die Erfolge der Kurd*innen wachsen, verschärft sich das Imralı-System

Die Erfolge im Sinne der Kurd*innen, im Sinne der Demokratie und der Freiheiten, sind Entwicklungen, die als Konsequenz der tiefgehenden Auseinandersetzung des Vorsitzenden Apos, seiner großen Voraussicht, seiner wertvollen Arbeit und seiner Bemühungen entstanden sind. Alle Anstrengungen des türkischen Kolonialstaats und seiner internationalen Unterstützer gingen in die Richtung, dass die Kurd*innen im 21. Jahrhundert wieder ohne ihre Führung sind. Die Führungslosigkeit der Kurd*innen steht ganz oben auf der Liste der Gründe, warum die Kurd*innen hundert Jahre ohne Freiheit geblieben sind. Deswegen hängt unsere Führung am Kreuz von Imralı. Deshalb verschärft sich das Imralı-System, so wie die Erfolge der Kurd*innen wachsen. Die Isolation wird gerade noch weiter verschärft. Denn an jedem Tag, der vergeht, wachsen die Errungenschaften im Sinne der Kurd*innen, im Sinne der Demokratie und der Freiheiten ein bisschen mehr und das kolonialistische türkische System macht den Vorsitzende Apo dafür verantwortlich. Konkret heißt das „Warum hast du dieses Volk aus der Sklaverei erweckt, warum hast du ihm einen neuen Lebensgeist eingehaucht, warum hast du es sich erheben lassen“. Deshalb wird er bestraft.

Die Haltung des EGMR gegenüber den Kurd*innen ist eine ernste Situation

Das 20. Jahr des Komplotts begehen die Kurd*innen in der Person des Vorsitzenden Apo in absoluter Isolation im Foltersystem von Imralı. Es gibt keinerlei Nachrichten von der Führung. Seit dem 27. Juli 2011 werden keine Besuche seiner Anwält*innen und seit September 2016 auch von seiner Familie mehr zugelassen. Dafür werden keinerlei rechtliche Gründe vorgewiesen. Zuletzt wurde der Besuchsantrag der Familie und der Anwält*innen mit der Begründung, es gäbe aufgrund einer Disziplinarstrafe ein sechsmonatiges Besuchsverbot abgewiesen. Vor dem Hintergrund, dass seit dem 27. Juli 2011 die Anwält*innenbesuche ohne jegliche juristische Grundlage verhindert werden, wurde nun plötzlich eine Disziplinarstrafe als rechtliches Behelfsmittel aus dem Hut gezaubert. Dass nun kurz darauf das 2010 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingeleitete Verfahren wegen des Fehlens „ausreichender Hinweise“ zurückgewiesen wird, stellt für die Kurd*innen eine sehr ernste Situation dar. Die Antwort des EGMR auf das 2010 eingeleitete Verfahren macht ihn zum Komplizen des Foltersystems von Imralı. Sein Charakter als unparteiischer, ziviler Menschenrechtsgerichtshof steht in Zweifel. Die aktuelle Haltung des CPT (Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe) sieht ähnlich aus. Das CPT hält seit 2016 seinen Imralı-Bericht vor der Öffentlichkeit geheim und erklärt, dass die Einwilligung des türkischen Staates zu dessen Veröffentlichung notwendig sei. Dies ist nur ein weiteres Beispiel für diese Haltung. Diese Haltung, die beide Institutionen angenommen haben, ist Ausdruck von der Realität, dass die Mitgliedsländer des Europarats die Vernichtungs- und Verleugnungspolitik, die völkermörderische Politik des türkischen Staates gegenüber den Kurd*innen unterstützen. Dies hat sowohl für die Kurd*innen, als auch in Bezug auf die demokratischen Werte Europas eine sehr gefährliche Situation geschaffen. Es zeigt, dass sie das Komplott gegen die Kurd*innen mit den besonderen Bemühungen des türkischen Staates auf internationaler Ebene neu aufwärmen wollen.

Man muss die neuen Gefahren wahrnehmen

Die Kurd*innen müssen diese neue gefährliche Situation wahrnehmen. Insbesondere die kurdische Jugend und die Frauen müssen das sehen. So wie das kurdische Volk es geschafft hat, in der ersten Phase des Komplotts mit seiner starken Haltung die Welt zu erschüttern, so muss es auch jetzt, im 20. Jahr des Komplotts darauf abzielen, die Welt wieder beben zu lassen. Denn das kurdische Volk ist im Verhältnis zu vor zwanzig Jahren stärker geworden. Diejenigen, die versuchen, das Komplott neu aufleben zu lassen, fürchten sich ebenso vor dieser Kraft, welche die Kurd*innen hervorgebracht haben. Der erste unserer Jugendlichen, der aufgewacht ist und diese für die Kurd*innen neue gefährliche Situation erkannt und nicht ertragen hat, und deshalb aus Protest seinen Körper in Brand setzte, ist Ümit Acar. Die Aktionsform der Selbstverbrennung akzeptiert weder unsere Führung noch unsere Bewegung, diese Aktionsform ist entsprechend kritisiert worden. Das Ziel einer Aktion sollte es sein, dem Feind Schaden zuzufügen. Aber es ist für alle Kurd*innen dennoch wichtig, den Widerstandsgeist und die Nachricht, die Şehîd Ümit übermittelt richtig zu verstehen und anzuwenden. Er hat eine neue Gefahr für die Führung und die Kurd*innen wahrgenommen und hat, um darauf aufmerksam zu machen, seinen Körper in Brand gesetzt. Diese Aktion hat alle aufgerüttelt und gewarnt. Jeder wurde zu seiner Aufgabe und zu seiner Verantwortung gerufen. So wurde ein weiteres Glied in die Kette „Ihr werdet unsere Sonne nicht verdunkeln“ eingefügt. Er wurde zum Gefallenen des 20. Jahrs des internationalen Komplotts. Wir verbeugen uns voller Respekt vor seinem Gedenken.

Unser Volk muss sich überall erheben

Wir rufen im 20. Jahr des Komplotts unsere Bevölkerung in allen Teilen Kurdistans und im Ausland dazu auf sich zu erheben und ihre Stimme laut werden zu lassen, um die absolute Isolation unserer Führung zu durchbrechen und die gefährlichen Pläne der Kräfte des Komplotts zu durchkreuzen. Bei der kurdischen Jugend und den kurdischen Frauen liegt in dieser Phase die Verantwortung, die Führung zu übernehmen. Auf dieser Grundlage rufen wir die kurdische Jugend und die kurdischen Frauen dazu auf, sich für die Phase der anhaltenden Aktion zu engagieren, um die absolute Isolation auf Imralı zu durchbrechen und für die Sicherheit, Gesundheit und Freiheit unserer Führung zu sorgen.

Die Anzahl der Freund*innen des kurdischen Volkes ist in den vergangen zwanzig Jahren gewachsen. Sowohl unter den Völkern der Mittleren Ostens, als auch in Europa und auf der ganzen Welt haben sich zu den Menschen an jedem Ort sehr wertvolle Bande der Freundschaft und Geschwisterlichkeit entwickelt. Der Vorsitzende Apo hat, um die Beziehung der demokratischen Gemeinschaft zwischen den ethnischen Identitäten, den Religionen und Kulturen zu entwickeln, für die Menschheit begonnen, neue Werte für Freiheit und Demokratie zu schaffen. Wir rufen im Sinne der Geschwisterlichkeit der Völker und des demokratischen Zusammenlebens alle Freund*innen dazu auf, im 20. Jahr gegen dieses Komplott der Staaten zu protestieren, Haltung gegenüber dem zum Europarat gehörigen EGMR und seiner Komplizenschaft mit dem Imralı-Foltersystem zu beziehen und sich der hundertjährigen Vernichtungs- und Verleugnungspolitik gegen die Kurd*innen des demokratie- und freiheitsfeindlichen türkischen Staates entgegenzustellen.“