Karayilan: In Heftanîn kämpft eine neue Guerilla

In einem Interview hat sich Murat Karayilan (PKK) zum Widerstand in Heftanîn geäußert und konkrete Zahlen zu den Verlusten auf beiden Seiten genannt. Dabei sprach er auch von „erkenntnisreichen Erfahrungen“, die für den künftigen Kampf von Belang seien.

Murat Karayilan, Mitglied im Exekutivrat der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), hat sich in einer Sondersendung bei Stêrk TV zur Guerillaoffensive in Heftanîn geäußert. Wir veröffentlichen einen Ausschnitt aus dem Fernsehinterview:

Vor einem Monat sagte ich, dass die Soldaten der türkischen Armee die Rechnung tragen werden für jeden Gipfel, den sie betreten, ganz gleich, wie lange sie dort verbleiben. Diese Worte sind dank unserer selbstlosen Gefallenen und bedeutenden Helden wahr geworden. Es gibt keinen Gipfel in Heftanîn, den der Feind ohne Verluste betreten kann. Es hat Krieg an jedem Ort stattgefunden, auf den er seinen Fuß gesetzt hat, und er musste zunächst Verluste hinnehmen, um eindringen zu können. Gewiss hat er sich auf einzelnen Gipfeln niedergelassen, aber von Zeit zu Zeit wird er in die Mangel genommen und muss dafür bezahlen. Mit anderen Worten, das Gesagte wird mit Taten gefüllt. Natürlich ist es nicht einfach. Wie schon erwähnt, gelingt dies dank dem heldenhaften Einsatz, der bereits Früchte trägt.

Mit großem Getöse hat der Feind am 15. Juni im Rahmen seiner „Adlerklaue“ genannten Luftinvasion Angriffe auf die Regionen Zap, Avaşîn, Xakurke, Qendîl, Mexmûr und Şengal durchgeführt. In jeder dieser Regionen wurde etwa neun bis zehn Ziele getroffen. Es handelte sich also um einen umfassenden Angriff. In der Nacht vom 16. auf den 17. Juni startete unter der Bezeichnung „Tigerklaue“ der Angriff auf Heftanîn. Wenn es sich bei ihnen tatsächlich um Tiger handeln würde, hätten sie diesen Namen nicht gewählt. Wie jetzt bereits zu erkennen ist, wird auch in Zukunft offensichtlich sein, wer der Tiger und wer der Fuchs ist. Als vermeintliche Tigerklaue haben sie mit Aufklärungsflugzeugen, Cobra-Hubschraubern, Bodenartillerie und zahlreichen anderen Waffen Heftanîn angegriffen. Der Krieg um Heftanîn ist im Grunde ein Luftkrieg. Der Feind will Heftanîn über seine Luftkriegsmittel besetzen.

Hohe Verluste für türkische Armee

Die Bilanz aus einem Monat Krieg für den Zeitraum vom 17. Juni bis 17. Juli sieht wie folgt aus: Insgesamt 95 Aktionen haben unsere Freundinnen und Freunde innerhalb dieser 31 Tage gegen den Feind durchgeführt. Dabei sind 236 türkische Soldaten getötet worden, weitere 18 wurden verletzt, wobei es sich bei dieser Zahl lediglich um die sicher festgestellten Fälle handelt. Die tatsächliche Zahl dürfte weit höher liegen. Außerdem wurden sechs Cobra-Hubschrauber beschossen. Im selben Zeitraum sind 24 unsere Freundinnen und Freunde gefallen, ein weiterer geriet verletzt in Gefangenschaft. Es handelt sich also um einen harten Krieg, der sowohl für uns als auch den Feind Konsequenzen hat.

Sicher, jeder greift das Thema in politischer Sicht auf seine Weise auf, aber ich denke, dass der Feind kalkulieren wird. Denn so etwas hat er nicht erwartet. Er war geschockt. Zum Beispiel hat er Xantur äußerst massiv angegriffen in der Annahme, dass niemand mehr übrig sei. Bei jedem Versuch, Truppen abzuseilen, hat er einen Schlag nach dem anderen zu spüren bekommen und musste jedes Mal umkehren. Dieses Szenario hat sich mehrmals wiederholt. Der Heftanîn-Widerstand hat den Feind überrascht, das lässt sich aus seinem Handeln ablesen. In den ersten beiden Tagen legten sie ein Übermaß an Propaganda hin und veranstalteten Sondersendungen. Danach gab es nur noch heiße Luft. Warum? Weil es nichts mehr gibt, was sie propagandistisch ausschlachten könnten. Es kommt ständig zu Toten in ihren Reihen, weil sie einem Widerstand gegenüberstehen. Daher wurde die Propaganda-Maschinerie eingestellt.

In der gegenwärtigen Situation sieht das Ergebnis in Heftanîn so aus, dass ein willensstarker, mutiger und talentierter Kämpfer jede hochentwickelte Technik bewältigen und dagegen ankämpfen kann, solange er professionell handelt. Dieser Krieg ist der Beweis dafür. Ohne Zweifel ist es eine neuzeitliche Guerilla, die in Heftanîn am Zug ist. Sie bewegt sich auf eine neue Weise und vertieft diesen Stil. Es werden auch neue Taktiken und Methoden angewendet. Wie hat man sich das vorzustellen? In den 90er Jahren beispielsweise gab es eine Reihe von Angriffen des türkischen Staates. Schon damals wurde sogar Heftanîn angegriffen. Zwar nicht immer, aber sobald es damals zu Angriffen kam, zogen sich unsere Kräfte zurück. Dies hatte zur Folge, dass das Kampfgebiet frei wurde und somit eingenommen werden konnte. Der Feind ließ sich für einige Wochen dort nieder und verschwand dann wieder. Jetzt aber ist die Lage eine andere. Niemand von der Guerilla in Heftanîn denkt daran, sich zurückzuziehen. Es stimmt, dass der Feind auf ein paar der dortigen Gipfel ist. Aber die Guerilla ist ebenfalls vor Ort. Es ist eine noch recht junge Methode, mit der aber der Krieg kontinuierlich geführt werden soll.

Mit taktischen Methoden zum Ziel

So sieht die Lage in Heftanîn zusammengefasst aus. Der Krieg dort wird vorerst auch nicht enden. Unsere Freunde handeln sehr temperamentvoll. Unserer Meinung nach ist es sogar ein wenig zu viel des Guten, auch hinsichtlich der Daueraktionen. Schritt für Schritt, aber ohne unter ein bestimmtes Niveau zu fallen, mit ein wenig mehr Guerilla-Methoden – so sollte es sein.

Der Widerstand von Heftanîn stellt für uns eine erkenntnisreiche Erfahrung dar. Daraus resultiert einerseits, wie ich bereits erwähnte, das Wissen darüber, dass sich der feindlichen Technik widersetzt und sie lahmgelegt werden kann, sofern kreative Methoden eingesetzt werden. In Heftanîn war die Gebietsverteidigung eher zweitrangig, in erster Linie ging es um einen taktischen Ansatz im Rahmen unserer Aktionen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dem Feind bereits vor dem Betreten des Kampfgebiets Einhalt geboten werden kann, wenn die Vorbereitung stimmt. Andererseits sind wir uns im Klaren darüber, dass dieser Feind mit den Methoden der neuen Guerilla zu besiegen ist. Das sind also die Schlussfolgerungen, die wir aus unseren Beobachtungen ziehen. Sollte der Feind andere Regionen angreifen, so denke ich, dass sich der Widerstand dort auf Grundlage dieser Erkenntnisse gestalten wird. Wir haben unsere Lehren gezogen, und überall müssen entsprechende Vorbereitungen getroffen werden.