Karayilan: Ein Diktator lässt sich nicht abwählen
Ein faschistisches Regime lässt sich nicht abwählen, erklärt Murat Karayilan (PKK) im Radiointerview zu den Kommunalwahlen in der Türkei.
Ein faschistisches Regime lässt sich nicht abwählen, erklärt Murat Karayilan (PKK) im Radiointerview zu den Kommunalwahlen in der Türkei.
In einer Sondersendung bei Dengê Welat hat Murat Karayilan Bewertungen zur aktuellen politischen Lage angestellt. Im Interview mit der Radiomoderatorin Rosida Mardin äußerte sich Karayilan, der zugleich Mitglied im Exekutivkomitee der PKK und Oberkommandierender des zentralen Guerillahauptquartiers ist, unter anderem zu den Kommunalwahlen in der Türkei und Nordkurdistan vor knapp drei Wochen.
„Die Kommunalwahlen in der Türkei waren nicht gerecht, sondern einseitig. Das AKP/MHP-Regime hat alle staatlichen Mittel und die Medien für den Wahlsieg eingesetzt. Es hat trotzdem nicht gewonnen. Die Haltung der HDP und des kurdischen Volks hat dazu geführt, dass der Faschismus in den Metropolen eine Niederlage erlitten hat. Das war ein harter Schlag für die Regierung. Für unser Volk und die Bevölkerung der Türkei ist das Wahlergebnis ein Erfolg, der trotz des antidemokratischen Vorgehens und der herrschenden Repression erzielt werden konnte.
Keine Wahlen, ein Krieg
„Die Vorgänge in Kurdistan kann man kaum als Wahlen bezeichnen. Es war eher ein Krieg. Orte wie Qileban, Şirnex, Beytüşebap, Çelê und Şemzînan an der Grenze nach Südkurdistan sind im Rahmen des Kriegsplans des Staates als Orte festgelegt worden, die vom Staat übernommen werden müssen. Der türkische Besatzerstaat will an der Grenze zu Südkurdistan einen Krieg führen, die Städte im Grenzgebiet will er dafür in der Hand haben. Dieses Kriegsgebiet soll abgeschottet werden. Es soll nicht von dort berichtet werden, über den Krieg, der hier stattfinden wird, soll nichts nach außen dringen. Die Öffentlichkeit soll die Realität nicht erfahren, sondern nur nach eigenem Ermessen informiert werden. Um das umsetzen zu können, sollten die Rathäuser und alle offiziellen Institutionen unter die eigene Kontrolle gebracht werden. Es handelt sich um eine staatliche Kriegspolitik. Die Bürgermeisterämter sind nicht mit Wahlen gewonnen worden, die AKP/MHP-Koalition hat rein gar nichts gewonnen. Die Armee hat interveniert und Soldaten mit Hunderten Fahrzeugen an die Wahlurnen gekarrt, so ist das Wahlergebnis zustande gekommen. Aus diesem und vielen weiteren Gründen kann in Kurdistan nicht von Wahlen gesprochen werden. Es handelt sich um ein Szenario der staatlichen Kriegspolitik.
Der politische Weg ist den Kurden verschlossen
Der politische Weg ist den Kurden verschlossen worden. Die Kurden haben sich dank des Einsatzes des Volkes und der Politik von Serok Apo eine eigene Kampfbasis geschaffen. Darüber hinaus gibt es für die Kurden in der Türkei keinen politischen Weg.
Die Kommunalwahlen in der Türkei und Kurdistan haben ein weiteres Mal gezeigt, dass man keine großen Hoffnungen in Wahlen setzen sollte. Wahlen sind ein Kampfgebiet, das ist richtig. Für den revolutionären Kampf sollte dieses Gebiet genutzt werden, es darf nicht den kolonialistischen Herrschern überlassen werden. Uns muss jedoch bewusst sein, dass Wahlen in der Türkei zu nichts führen. Das hat sich gerade erst wieder in der Praxis bewiesen. Vor allem als kurdisches Volk sollten wir niemals darauf setzen, dass in Kurdistan mit Wahlen etwas erreicht werden kann. Politik ist notwendig und als ein Mittel des Kampfes sollte man auch an Wahlen teilnehmen. Aber man sollte seine Hoffnungen nicht darauf setzen und keine zu großen Erwartungen haben. Wahlen führen zu keinen Ergebnissen. Die Herrschenden übergehen einfach den Wählerwillen und beschlagnahmen die Orte, an denen sie nicht gewonnen haben. Dafür werden alle möglichen Methoden angewendet, es gibt kein Rechtssystem. Wir stehen dem türkischen Staat gegenüber und er will uns vernichten. In Kurdistan wird eine kolonialistische Politik umgesetzt.
Ein gewählter Diktator lässt sich nicht abwählen
Deshalb muss uns klar sein, dass nur der eigene Kampf des Volkes uns die Freiheit und den Sieg bringen kann. Der eigentliche Erfolg kann sich nur einstellen, wenn wir uns im Rahmen eines revolutionären Volkskampfes als kurdische Gesellschaft selbst organisieren und in Bewegung setzen.
Auch der Bevölkerung der Türkei sollte bewusst sein, dass sich faschistische Regime nicht mit Wahlen zerschlagen lassen. Sie bauen ihre Diktaturen über Wahlen auf und wollen sie mit Wahlen stabilisieren, aber sie lassen sich nicht abwählen. Husni Mubarak war zum Beispiel 32 Jahre in Ägypten an der Macht, Omar al-Baschir 30 Jahre im Sudan, auch in Algerien und anderen Orten ist es ähnlich. Diktatoren, die über Wahlen an die Macht kommen, lassen sich nicht abwählen. Die Bevölkerung im Sudan ist tagelang auf die Straße gegangen und hat al-Baschir gestürzt, in Algerien ist Abdelaziz Bouteflika die Macht entzogen worden, genauso muss Erdoğan in der Türkei durch die Kraft der Bevölkerung gestürzt werden. Mit Wahlen ist das schwierig, und wenn es um Kurdistan geht, ist es gänzlich unmöglich. Aus diesem Grund müssen wir Wahlen als einen Bereich des Kampfes betrachten, aber wir sollten an uns selbst glauben, an unsere Kraft. Wir müssen uns als Volk organisieren, die Bevölkerung muss an den serhildan [Erhebung, Volksaufstand] glauben, wir müssen uns auf den Straßen und Plätzen organisieren.
In Kurdistan die Freiheit erkämpfen
Auf Wahlen zu bauen, darauf zu hoffen und zu erwarten, dass friedliche Methoden den kolonialistischen türkischen Staat zur Milde bewegen, ist eine Illusion. Bestimmte Parteien äußern sich in diese Richtung, aber es stimmt nicht. Wir müssen kämpfen, wir müssen den revolutionären Volkskampf verstärken, wir müssen uns als Volk überall organisieren und Schulter an Schulter unseren Organisierungsgrad ausbauen. Nur mit dem Willen und der Stärke des Volkes können wir zu Ergebnissen kommen. Nur so lässt sich in Kurdistan die Freiheit erkämpfen.“