Identität von Amed-Gefallenen veröffentlicht

Die HPG haben die Identität der drei Guerillakämpfer veröffentlicht, die Ende August in Farqîn bei einem türkischen Militärangriff ums Leben gekommen sind. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass sie extralegal hingerichtet wurden.

Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben die vollständige Identität der drei Guerillakämpfer veröffentlicht, die bei dem türkischen Militärangriff am 26. August bei Farqîn (tr. Silvan) in der nordkurdischen Provinz Amed (Diyarbakır) ums Leben gekommen sind. Bei den Gefallenen handelt es sich um Dilgeş Zîlan Gûzereş, Berxwedan Farqîn und Mervan Wan. Die HPG erklären über sie: „Diese drei Kameraden waren Pioniere unserer Partei und Verfechter des apoistischen Willens. Von Zap bis Mêrdîn, von Garzan bis Amed kämpften sie selbstlos gegen den Feind und repräsentierten bis zu ihrem letzten Atemzug den Geist des Widerstands.

Hevalê Dilgeş, dessen Name für Entschlossenheit, Wissen, Kreativität und die Befehlshaberschaft in der Fedai-Linie (Der Begriff Fedai steht in der kurdischen Befreiungsbewegung für Menschen, die bereit sind, ihr Leben für ihre Ziele zu opfern, Anm. d. Red.) steht, war in den dreizehn Jahren seines von Erfolg gekrönten Guerilladaseins stets ein Kämpfer, der etwas zu bewegen wusste. In jedem Gebiet, in dem er sich aufhielt, bei jeder Aufgabe, die er ausführte, eilte er mit einer unerschütterlichen und hingebungsvollen Mitwirkung von Sieg zu Sieg. Er war ein Wegbereiter, der durch seinen Widerstand allen Freundinnen und Freunden die Richtung wies, es ihm gleichzutun.

Unser Genosse Berxwedan schloss sich der Guerilla auf der Grundlage der Loyalität gegenüber den Gefallenen an und wurde zum herausragenden Beispiel dafür, wie man ihrer würdig ist. Indem er diese Haltung in jedem Moment seines Kampfes beibehielt, gelang es Hevalê Berxwedan, einer der führenden Kämpfer der PKK zu werden, der Partei von Rêber Apo und der Gefallenen.

Hevalê Mervan, mutiger Sohn von Serhed und Miltanter für schwierige Aufgaben, war ein vollkommener Kämpfer unserer Partei, der seit seinem Beitritt in die Reihen der Guerilla jede Aufgabe und Verantwortung mit absolutem Erfolg und mit großem Ernst erfüllte. Jeden Moment seines revolutionären Marschs, den er in Wan begonnen hatte, füllte er mit Erfolgen und verwirklichte seinen Traum, in Amed zu kämpfen.

Wir sprechen dem gesamten patriotischen Volk Kurdistans unser Beileid aus, insbesondere den Familien unserer Genossen Dilgeş, Berxwedan und Mervan, denen es gelungen ist, den apoistischen Geist des Widerstands zu repräsentieren, und wir versprechen, dass wir den Kampf, den uns unsere Genossen hinterlassen haben, mit dem hohen Bewusstsein, ihres Andenkens würdig zu sein, zum Sieg führen werden.“

Zur Biografie der Gefallenen heißt es:

Codename: Dilgeş Zîlan Gûzereş

Vor- und Nachname: Ferhat Akdeniz

Geburtsort: Colemêrg

Namen der Eltern: Meryem – Ömer

Todestag und -ort: 26. August 2023 / Amed

Codename: Berxwedan Farqîn

Vor- und Nachname: Hanifi Saygı

Geburtsort: Amed

Namen der Eltern: Fatma – Cemil

Todestag und -ort: 26. August 2023 / Amed

Codename: Mervan Wan

Vor- und Nachname: Muhterem Koç

Geburtsort: Wan

Namen der Eltern: Siyanal – Ahmet

Todestag und -ort: 26. August 2023 / Amed


Dilgeş Zîlan Gûzereş

Dilgeş Zîlan Gûzereş wurde in der kurdischen Widerstandshochburg Gever (Yüksekova) in der Provinz Colemêrg geboren. Seine dem Pinyanîş-Stamm angehörende Familie lebte ursprünglich in Çelê (Çukurca), musste ihr Dorf jedoch aufgrund der Militärgewalt des türkischen Staates verlassen. Die PKK lernte er früh kennen; seine Kindheit und Jugend verbrachte er inmitten von zahlreichen Volksaufständen (ku. Serhildan), bei denen er nicht nur dem Widerstand in Kurdistan begegnete, sondern auch der Realität des Feindes. Dabei wurde er auch Zeuge der schmutzigen Politik des türkischen Staates, die kurdische Jugend mit Elementen der Spezialkriegsführung zu manipulieren und sie von der Politik zu entfremden. Er kämpfte dagegen an, schärfte das Bewusstsein anderer junger Menschen und führte sie zum Kampf.


Die Tatsache, dass es Menschen aus seiner Familie und dem direkten Umfeld in den Reihen der kurdischen Befreiungsbewegung gab, hatte schon früh bei Dilgeş Zîlan Gûzereş das Interesse an der Guerilla geweckt. Das Aufwachsen im widerständigen Gever und die Verbundenheit seiner Familie mit den Werten Kurdistans wirkten sich prägend auf seinen Charakter aus. 2010 ging er inmitten eskalierender Angriffe gegen die Guerilla in die Berge. Seine Grundausbildung erhielt er in Xakurke, wo er relativ früh auch erste praktische Erfahrungen im Kampf sammelte. Er wechselte ins Zagros-Gebirge und stach dort durch seine Rolle im revolutionären Volkskrieg gegen die türkische Armee hervor. Dabei konzentrierte er sich auf Spezialtaktiken der Guerilla.


 Mit dem Aufkommen des Terrors gegen die Rojava-Revolution ging Dilgeş Zîlan Gûzereş nach Westkurdistan. Dort beteiligte er sich eine Zeitlang am Krieg gegen die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS). Er erlitt zwei Verletzungen, unter anderem am Kopf, weigerte sich jedoch, die Verteidigungsstellungen zu verlassen. Erst nach der vollständigen Vertreibung der IS-Banden aus Rojava kehrte er zurück in die Berge Kurdistans und wurde Kommandant mit dem Spezialgebiet Sabotagetaktik. „Hevalê Dilgeş war ein Freund, der den Guerillakampf der demokratischen Moderne besonders verinnerlichte und sich intensiv darum bemühte, ihn in die Praxis umzusetzen. Er erneuerte sich immer selbst, war stets auf der Suche und verfolgte den Anspruch, seine eigene Weiterentwicklung mit der seiner Genossinnen und Genossen zu vollziehen. Im Verlauf seines Lebens in den Bergen übernahm er die Verantwortung für eine lange Serie kritischer Einsätze. Er repräsentierte die Linie des Erfolgs und schaffte Vertrauen“, schreiben die HPG in ihrem Nachruf auf Dilgeş Zîlan Gûzereş. Nach Aufenthalten in Gare und Heftanîn, wo er sich an zahlreichen Offensiven gegen die Besatzung Südkurdistans beteiligte, wechselte er auf eigenen Wunsch hin in den Norden. Bis zu seinem Tod kämpfte er in Amed.


Berxwedan Farqîn

Berxwedan Farqîn wurde in Amed als Sohn einer ursprünglich aus Botan stammenden und dem Stamm der Aligî angehörenden Familie geboren. Durch den Umstand, das Kind von Nomaden zu sein, wuchs er in der Natur auf. Das Bildungssystem des türkischen Staates in Kurdistan verstand er als „Zentrum der Assimilation“ und weigerte sich nach der Grundschule, eine weiterführende Schule zu besuchen. Zu jener Zeit hatte der kurdische Befreiungskampf bereits alle Regionen des Landes erfasst, es fanden Volksaufstände statt und zahlreiche Menschen gingen in die Berge. Auch die Familie von Berxwedan Farqîn lernte damals den Widerstand kennen. Es war die Phase der Politik der verbrannten Erde – die Nomadenfamilie verlor mehrfach Haus und Zelt in den Flammen, die von Soldaten gelegt wurden. Diese Erlebnisse lösten bei Berxwedan Farqîn eine Wut aus, die er später in den Wunsch kanalisierte, in die Berge zu gehen. Von 2007 bis 2009 wirkte er zunächst als Milizionär, 2011 verlor er seinen Bruder Serdar Amed (Refik Saygı), der Guerillakämpfer war. Der Mord an der kurdischen Revolutionärin und PKK-Mitbegründerin Sakine „Sara“ Cansız, die im Januar 2013 zusammen mit Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî) in Paris von einem Attentäter des türkischen Geheimdienstes in Paris erschossen wurde, war sein Signal, sich der Guerilla anzuschließen.


Nach seiner Grundausbildung hielt sich Berxwedan Farqîn etwa zwei Jahre lang in Metîna auf. Hier vertiefte er sein Wissen und erlernte die Kunst der Kriegsführung, bevor er für ein Jahr in einen Spezialbereich wechselte, der Opferbereitschaft, Vertrauen und Sensibilität erforderte. Mit der Verschärfung des totalen Vernichtungskrieges des türkischen Staates in Kurdistan kehrte er nach Metîna zurück. Zwei Jahre lang kämpfte er an vorderster Front und wurde „mit seinem Kampfmut, seiner Verbundenheit zu seinen Freundinnen und Freunden und seiner ehrlichen Teilnahme zu einem führenden apoistischen Militanten“, so die HPG. Danach übernahm er erneut Sonderaufgaben, hielt sich an der Şehîd-Ibrahim-Akademie auf und konzentrierte sich auf die Bereiche Ideologie und moderne Guerillataktik. In Amed zu kämpfen, war ihm bereits zu Beginn seiner Zeit bei der Guerilla ein Bedürfnis gewesen, das nicht unerfüllt blieb.

Mervan Wan

Mervan Wan wurde im Landkreis Payîzava (tr. Gürpınar) in Wan geboren. Seine Familie ist Teil des Stammes der Pinyanîş, der bekannt ist für seine Verbindung zum kurdischen Widerstand. „Er wuchs in einer einfachen, aufrichtigen und bescheidenen Familie auf, die an gesellschaftlichen und moralischen Werten festhielt“, erklären die HPG. Seine Kindheit verbrachte der Mervan in Wan. Hier hatte er die Gelegenheit, die PKK näher kennenzulernen, erklären die HPG: „Hevalê Mervan fing bereits früh an, das System und dessen bestehenden Zwänge zu hinterfragen. Seine Suche nach einer Alternative führten ihn dazu, eine radikale Haltung einzunehmen. Auf dieser Grundlage begann er, die Fragen, die sich ihm stellten, selbst zu beantworten. Erste Schritte setzte er in Richtung organisatorischer und militanter Aktivitäten: 2008 war er Zeuge dessen geworden, wie kurdische Mütter von Polizisten des faschistischen Staates mitten auf der Straße misshandelt wurden. Er entschied, nicht zu schweigen, sondern aktiv zu werden. 2012 wurde er deshalb festgenommen. Eine Woche war er in Polizeihaft und wurde erniedrigt, um ihn zur Kapitulation zu zwingen. Doch er wandelte seine Wut angesichts dieses Angriffs in eine organisierte Haltung um. Er entfesselte seine Entrüstung auf den Feind, indem er sich intensiv an den Aktionen der revolutionären Jugend beteiligte.“


Der Anschluss von Verwandten und Bekannten zur Guerilla und der Verlust einiger von ihnen im Kampf führten Mervan Wan zu der Entscheidung, seinen Widerstand auf eine andere Stufe zu heben. Er ging ebenfalls in die Berge, weil er es als seine vorrangige Aufgabe ansah, sich dem würdigen Gedenken an die Gefallenen zu widmen. Der Guerilla schloss er sich 2015 in Wan an und nahm den Nom de Guerre seines Bruders Erkan Koç an, der 1997 in Çarçella im Kampf fiel. Nach seiner Grundausbildung kämpfte er von Feraşîn bis Kato Marînos und beteiligte sich an diversen Aktionen gegen die türkische Armee. 2017 erlitt er in einem ideologischen Camp eine ernsthafte Verletzung durch einen Lawinenabgang. „Er hielt den harten Bedingungen des Winters stand und brachte trotz seines Zustands noch große Opfer, indem er seinen Freunden zur Hilfe eilte“, schreiben die HPG.

Noch im selben Jahr ging Mervan Wan in die Medya-Verteidigungsgebiete. Er durchlief ein Weiterbildungsprogramm an der Haki-Karer-Akademie und setzte sich intensiv mit dem Paradigma einer demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan auseinander. Bevor er nach Amed ging, beteiligte er sich im Süden neben der Basisarbeit der Guerilla auch am Auf- und Ausbau von Verteidigungsstellungen und unterirdischen Tunnelanlagen.