Farqîn: Extralegale Hinrichtung an Guerillakämpfern?

Bei einer Tatortbegehung des Militärangriffs auf Guerillakämpfer und eine Nomadenfamilie bei Farqîn konnten keine Gefechtsspuren gefunden werden. Hinweise auf eine extralegale Hinrichtung verdichten sich.

Am 26. August ging das türkische Militär äußerst brutal gegen eine Nomadenfamilie auf der Bameydan Alm beim Dorf Hêlin in der nordkurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) vor. Das Zelt der Familie im Landkreis Farqîn (Silvan) wurde niedergebrannt, mehrere Mitglieder schwer misshandelt. Bilder, die von Soldaten in den sozialen Medien geteilt wurden, zeigen zwei männliche Familienangehörige in Unterwäsche mit auf dem Rücken gefesselten Händen nahe der Hinterräder eines Radpanzers auf dem Boden liegen. Dies belegt die Grausamkeit des Angriffs. Bei dem Angriff wurden offenbar auch mehrere Guerillakämpfer getötet. Auf den auf der Plattform X (Twitter) von Soldaten verbreiteten Fotos sind drei gelbe Leichensäcke zu sehen. ANF hat vor Ort recherchiert und versucht, Informationen zu dem Vorfall zu erhalten.


Zunächst hatte eine Gruppe von Dorfbewohner:innen versucht, den Ort des Geschehens zu erreichen. Da der Weiler jedoch vom Militär abgeriegelt worden war, gelang dies zunächst nicht. Den ganzen 26. August über versuchten sowohl Anwohnende als auch die Journalist:innen, detaillierte Informationen zu erhalten. Allerdings war es zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, verlässliche Schlüsse aus den Berichten zu ziehen.

Am 27. August konnten Medienschaffende den Tatort zusammen mit einer Delegation von Abgeordneten der YSP (Grüne Linkspartei) und der Zivilgesellschaft untersuchen. Hier bot sich ein Bild des Schreckens. Wie auch auf dem Filmmaterial zu sehen ist, wurde ein Teil des Gebietes in Brand gesetzt. Es war zu sehen, dass das Zelt und einige Tiere der Nomandenfamilie verbrannt worden waren. Vor Ort waren keinerlei Spuren eines Gefechts festzustellen. Weder Patronenhülsen noch Kugeln waren irgendwo zu finden. Daher stellt sich klar die Frage, ob die Guerillakämpfer ohne rechtliche Grundlage hingerichtet wurden.

Auch der Brand am Zelt entstand offensichtlich nicht durch ein Gefecht, sondern wurde vom Militär gelegt. Die YSP-Abgeordnete Adalet Kaya erklärte nach der Tatortbegehung, es habe keine Spuren von Zusammenstößen gegeben. Auch wenn vieles unklar ist, deuten die Zeichen auf ein Massaker hin. Nach dem Besuch des Tatortes begab sich die Delegation zur Beileidsbekundung zur Familie einer der gefallenen Kämpfer. Die Delegation forderte sofortige Aufklärung des Falls. Die Leichen von drei Kämpfern befinden sich derzeit in der Gerichtsmedizin Diyarbakir. Ob und wann sie den Familien übergeben werden, ist weiterhin unklar.