HPG: Sie kämpften opferbereit und führten den Widerstand an

Rêvan Pîro Dilşad, Xwînda Dilbirîn, Êrîş Bawer, Reşit Kiçî und Mem Alan sind im vergangenen Sommer bei der Verteidigung der Medya-Verteidigungsgebiete gegen die Invasion der türkischen Armee gefallen.

Das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) hat die Namen von fünf Gefallenen veröffentlicht. Rêvan Pîro Dilşad, Xwînda Dilbirîn, Êrîş Bawer, Reşit Kiçî und Mem Alan sind im vergangenen Sommer bei der Verteidigung der Medya-Verteidigungsgebiete gegen die Invasion der türkischen Armee ums Leben gekommen. Die HPG würdigen die Gefallenen als opferbereite Militante, die großen Widerstand geleistet haben. Ihren Angehörigen und dem kurdischen Volk sprechen die HPG ihr Mitgefühl aus.

                                           

Codename: Rêvan Pîro Dilşad
Vor- und Nachname: Gulistan Narin
Geburtsort: Amed
Namen von Mutter und Vater: Medine – Emin
Todestag und -ort: 17. Juni 2022 / Medya-Verteidigungsgebiete

 

Codename: Xwînda Dilbirîn
Vor- und Nachname: Dîlan Muhammed Eşref
Geburtsort: Hesekê
Namen von Mutter und Vater: Cemile – Muhammed Eşref
Todestag und -ort: 17. Juni 2022 / Medya-Verteidigungsgebiete

 

Codenname: Êrîş Bawer
Vor- und Nachname: Ferhat Abi
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Nimet – Fuat
Todestag und -ort: 6. August 2022 / Medya-Verteidigungsgebiete

 

Codename: Reşit Kiçî
Vor- und Nachname: Zinar Şahin
Geburtsort: Dêrik
Namen von Mutter und Vater: Emine – Abdullah
Todestag und -ort: 14. August 2022 / Medya-Verteidigungsgebiete

 

Codename: Mem Alan
Vor- und Nachname: Ibrahim Gündoğdu
Geburtsort: Sêrt
Namen von Mutter und Vater: Hediye – Abdullah
Todestag und -ort: 14. August 2022 / Medya-Verteidigungsgebiete

 

Rêvan Pîro Dilşad

Rêvan Pîro Dilşad ist in der kurdischen Hochburg Amed auf die Welt gekommen und unter dem Eindruck der Widerstandstradition der Bevölkerung und der grausamen Angriffe des türkischen Staates aufgewachsen. Sie entwickelte schon früh ein politische Bewusstsein und sah sich als Teil der Befreiungsbewegung. Aus ihrem nahen Umfeld schlossen sich viele Menschen dem Kampf an und sie fühlte sich der Befreiungsideologie von Abdullah Öcalan verbunden. Die traditionelle Frauenrolle in der Gesellschaft lehnte sie ab. Als Heranwachsende beteiligte sie sich an der Arbeit der Jugendbewegung. Den Ausschlag für ihre Entscheidung zum bewaffneten Widerstand gab ihr der IS-Feldzug 2014 in Rojava und Şengal. Sie ging im selben Jahr in die Berge und absolvierte eine Grundausbildung als Guerillakämpferin. Ihr erstes Praxisgebiet war Cîlo im Zagros-Gebirge. In diesem schwierigen Gelände kämpfte die junge Kurdin etwa drei Jahre lang gegen die türkischen Besatzer. In dieser Zeit entwickelte sie sich zu einer kompetenten Kämpferin der Frauenguerilla YJA Star und übernahm Aufgaben auf Kommandoebene. Danach kam sie nach Xakurke und setzte ihren Kampf mit großer Entschlossenheit fort. Sie wurde verwundet und kehrte unmittelbar nach ihrer Genesung zurück an die Front. Zuletzt leistete sie als Kommandantin der YJA Star Widerstand in Avaşîn und kämpfte lange Zeit am Bergmassiv Werxelê. Die HPG beschreiben Rêvan als junge Frau mit einem starken Willen, die ihren Mitkämpfer:innen auf genossenschaftliche Weise tief verbunden war und in ihrem Umfeld Kraft und Moral ausstrahlte.

Xwînda Dilbirîn

Xwînda Dilbirîn stammte aus Hesekê in Rojava. Ihre Familie stand der kurdischen Befreiungsbewegung nahe und Xwînda erlebte die brutale Unterdrückung durch das Baath-Regime aus unmittelbarer Nähe. Sie wuchs unter dem Eindruck der Revolution von Rojava und dem Kampf der Bevölkerung gegen islamistische Gruppen wie al-Nusra und dem IS auf. Als junge Frau nahm sie selbst an vorderster Front an diesem Kampf teil. Gleichzeitig lernte sie ihre Muttersprache Kurdisch richtig und arbeitete eine Zeitlang als Kurdischlehrerin. 2016 ging sie in die Berge und schloss sich der Guerilla an. Sie bildete sich ideologisch weiter und erlernte professionelle Kampftaktiken. So entwickelte sie sich zu einer führenden Kämpferin der YJA Star. In dieser Zeit setzte sie sich intensiv mit der von Abdullah Öcalan vorgelegten Frauenbefreiungsideologie auseinander und teilte ihr Wissen mit ihrem Umfeld. Nach einem Aufenthalt in Gare kam sie nach Avaşîn, wo bis zum letzten Moment ihres Lebens Widerstand gegen die türkischen Besatzungsangriffe leistete. Die HPG beschreiben sie als aufrichtige und bescheidene Persönlichkeit, die als professionelle Kämpferin bekannt war und ihre militärischen Erfahrungen an neuere Weggefährt:innen weitergab. Mit diesem Einsatz spielte sie eine große Rolle bei der Entwicklung ihrer Mitkämpfer:innen.

Êriş Bawer

Êriş Bawer ist im Dorf Germav in Elkê geboren und gehörte dem Stamm der Gewda an. Germav ist für seine patriotische Bevölkerung bekannt, aus dem Dorf haben sich viele Menschen dem kurdischen Befreiungskampf angeschlossen. Aus diesem Grund war das Dorf ständiger Repression ausgesetzt. Auch die Familie von Êriş Bawer musste das Dorf zwangsläufig verlassen und zog nach Wan. Êriş empfand große Wut auf den türkischen Staat und weigerte sich, auf eine staatliche Schule zu gehen. Er engagierte sich eine Zeitlang in der Jugendbewegung und musste gleichzeitig zum Lebensunterhalt seiner Familie beitragen. Als er zum Arbeiten in eine türkische Großstadt ging, wurde ihm noch deutlicher bewusst, wie abwertend der Blick auf das kurdische Volk in der Gesellschaft war. Aus seinem nahen Umfeld schlossen sich mehrere Menschen der Guerilla an, einige von ihnen kamen im Kampf ums Leben. 2012 ging er selbst in die Berge und begann eine Grundausbildung zum Guerillakämpfer in Xakurke, die aufgrund der herrschenden Kriegsbedingungen nach der Hälfte der Zeit abgebrochen werden musste. Êriş nahm an der revolutionären Şemzînan-Offensive teil und wollte sofort an der Front kämpfen. Wegen seiner fehlenden Kampferfahrung wurde er jedoch nur für den Aufbau der Infrastruktur eingeteilt. An dieser Arbeit beteiligte er sich mit großer Einsatzbereitschaft, weil er seine kämpfenden Genoss:innen mit voller Kraft unterstützen wollte. Danach kam er an die Operationsschule „Şehîd Mehmet Goyî“, wo er seine militärische und ideologische Ausbildung fortsetzen konnte. 2015 zog er in den Kampf gegen den IS und erwies sich als vorbildlicher Militanter, dem aufgrund seiner Haltung großes Vertrauen entgegengebracht wurde. Er wurde Mitglied der Sondereinheit Hêzên Taybet und absolvierte einer weitere intensive Ausbildungsphase. Als Mitte April 2022 die türkische Invasion in den Medya-Verteidigungsgebieten begann, ging er auf eigenen Wunsch in die Zap-Region und kämpfte in einer mobilen Einheit. Bei einer Guerillaaktion am Girê FM griff er die türkischen Truppen auf opferbereite Weise an und fügte dem Feind schwere Verluste zu. In dem Gefecht kam er ums Leben.

Reşit Kiçî

Reşit Kiçî ist in Dêrika Hemko geboren, seine Eltern waren Nomaden und standen der PKK bereits seit Anfang der 1990er Jahre nahe. Aus der Familie schlossen sich viele Menschen der Guerilla an. Reşit wuchs in einem von der ursprünglichen kurdischen Kultur geprägten Umfeld auf und lernte bereits als Kind Guerillakämpfer:innen kennen, die ihn mit ihrer Haltung und ihrem genossenschaftlichen Umgang sehr beeindruckten. Er beteiligte sich an der Revolution von Rojava und ging 2013 zur Guerilla. Nach einer Grundausbildung und einer kurzen Zeit der Praxis kehrte er zurück nach Rojava, um sein Land und Volk gegen den IS zu verteidigen. Er nahm an diversen Offensiven gegen die Islamisten teil und gewann dabei militärische Erfahrung. Nach HPG-Angaben zeigte er dabei großen Mut und Talent für militärische Taktik und Technik. Später übernahm er Aufgaben in Militärakademien und bildete zahlreiche Kämpfer:innen aus. Danach ging er wieder in die Berge und wurde Teil der Hêzên Taybet. Er bildete sich zielgerichtet weiter und gab seine Fähigkeit als Scharfschütze an andere weiter. Seit Beginn der feindlichen Operation in den Medya-Verteidigungsgebieten beteiligte er sich auf Kommandoebene am Widerstand.

Mem Alan

Mem Alan stammte aus Botan und wuchs in einer von dem für die Region typischen Widerstand geprägten Familie auf. Die Befreiungsbewegung war ihm bereits als Kind ein Begriff und er hegte große Bewunderung für die Guerilla. Wie viele kurdische Kinder war er gezwungen, schnell erwachsen zu werden. Sein Vater wurde aufgrund seines Engagements für die Bewegung verhaftet und die Familie musste nach Dîlok ziehen. Mem musste fortan für den Lebensunterhalt der Familie sorgen. In dieser Zeit bewunderte er die Guerilla immer noch, fühlte sich selbst jedoch nicht für dieses Leben bereit. Als er später zu einem Festival nach Herekol fuhr, traf er auf einen Genossen, mit dem er sich zwei Stunden lang unterhielt. Diese Begegnung war der Auslöser, dass er 2015 in die Berge ging. Für drei Monate blieb er in Botan, bekam eine Grundausbildung und machte erste Erfahrungen im Guerillaleben. Von dort aus kam er nach Heftanîn und kämpfte erstmalig in einer mobilen Einheit. Heftanîn ist die Region, in der die Guerilla zum ersten Mal Tunnelanlagen als Verteidigungsstellungen errichtet hat. Mam ging danach nach Gare und beteiligte sich auch hier mit großem Einsatz am Tunnelbau. Gleichzeitig bildete er sich ideologisch weiter und baute starke genossenschaftliche Beziehungen auf. Er wurde Teil der Hêzên Taybet und entwickelte sich zu einem jungen Kommandanten, der sich dem opferbereiten Kampf verschrieb. Bis zum Moment seines Todes hielt er an dieser Linie fest und übertrug seinen Mut auf seine Mitkämpfer:innen.