HPG geben Tod von Kommandant Diyar Norşîn bekannt

„Diyar Norşîn hat einen ehrenvollen Platz in der Freiheitsgeschichte unseres Volkes eingenommen“, erklären die HPG. Der Guerillakommandant hat unter anderem in Kobanê gegen den IS gekämpft und ist im Oktober 2021 in der Zap-Region gefallen.

Der Guerillakommandant Diyar Norşîn ist am 20. Oktober 2021 bei einem türkischen Angriff in der südkurdischen Zap-Region ums Leben gekommen. Das teilt das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) mit. In dem Nachruf heißt es: „Die seit 2021 andauernden Besatzungsangriffe des türkischen Kolonialstaats auf die Regionen Zap, Avaşîn und Metîna gehen auch heute noch weiter. Unser wertvoller Kommandant Diyar Norşîn hat sich dem Feind vom ersten Tag an im Zap entgegengestellt und dafür gesorgt, dass ihm schwere Schläge versetzt wurden. Sein Einsatz ist auch im heutigen Widerstand noch präsent. Mit der kreativen Art und Taktik, die von ihm entwickelt wurde, war er einer der führenden Kommandanten der neuzeitlichen Guerilla. Er hat uns ein großes Kampferbe und zu bewältigende Aufgaben hinterlassen und ist unsterblich geworden. Wir geben unser Wort, dass wir die von Diyar Norşîn übergebene Fahne der Revolution hochhalten werden, um ihm und allen Gefallenen gerecht zu werden. Wir werden seinen Traum von einem freien Kurdistan auf jeden Fall wahrmachen. Seiner wertvollen Familie, der Bevölkerung des Lagers Şehîd Rustem Cûdî [Camp Mexmûr] und dem Volk Kurdistans sprechen wir unser Mitgefühl aus.“

                                 

Codename: Diyar Norşîn
Vor- und Nachname: Feyzi Kaya
Geburtsort: Colemêrg
Namen von Mutter und Vater: Sarya – Şemsettin
Todestag und -ort: 20. Oktober 2021 / Zap

Diyar Norşîn ist im Dorf Marînos in der nordkurdischen Provinz Colemêrg (tr. Hakkari) geboren. Aufgrund der patriotischen Einstellung seiner Familie kannte er die PKK bereits als Kind. Nahe Verwandte von ihm schlossen sich dem bewaffneten Kampf an und die Guerilla war in der Region sehr präsent. Im Zuge der Dorfzerstörungen durch den türkischen Staat in den 1990er Jahren musste seine Familie wie Zehntausende weitere Kurdinnen und Kurden flüchten und ging in den Süden Kurdistans (Irak). Dort wurde nach mehreren Zwischenstationen und großen Entbehrungen das noch heute bestehende Camp Mexmûr gegründet. Diyar wuchs in dem selbstverwalteten Lager auf und konnte in eine Schule gehen, in der in seiner kurdischen Muttersprache unterrichtet wurde. Das Leben als Flüchtling war hart, aber die Menschen konnten mit ihrer eigenen Identität in Würde leben. Nach der Verschleppung von Abdullah Öcalan in die Türkei wollte Diyar sich 1999 der Guerilla anschließen, aber er war noch zu jung. Seinen Wunsch machte er 2001 wahr und ging in die Berge. Im selben Jahr fiel sein Onkel Diyar in Kato und er übernahm dessen Namen. Die Verbundenheit mit den Gefallenen des Freiheitskampfes war für ihn ein Grundsatz, der sein gesamtes Kampfleben prägte. 2005 fiel seine Verwandte Norşîn (Zahide Kurt) in Mêrdîn und er übernahm auch ihren Namen, um ihren Kampf weiterzuführen.


In den Bergen absolvierte Diyar mehrere Ausbildungslehrgänge, in denen er sich ideologisch und militärisch weiterbildete. Von Anfang an zeigte er großes Interesse an den Erfordernissen des Guerillakriegs und er begann früh, taktische Fähigkeiten zu entwickeln. Er hielt sich in den Regionen Garê, Metîna, Qendîl, Zagros, Zap und Xakurke auf und nahm an zahlreichen Aktionen gegen die türkische Armee teil, bei denen er vorbehaltlos vorging und durch seinen Mut und seine Opferbereitschaft auffiel. 2007 war er an der nach Mazlum Doğan benannten Kaderschule, 2012 kam er zur Weiterbildung an die Haki-Karer-Akademie. In der Ausbildung setzte er sich intensiv mit dem Paradigma Abdullah Öcalans von einer demokratischen, ökologischen und frauenbefreienden Gesellschaft und seiner eigenen Persönlichkeit auseinander.


Als die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) 2014 Kurdistan angriff, ging Diyar wie Tausende weitere Militante nach Kobanê, um die Revolution von Rojava zu verteidigen. In dem legendären Widerstand, durch den der IS seine erste Niederlage erlitt, wurde Diyar am Bauch verletzt und musste eine Zeitlang behandelt werden. Danach kehrte er in die Medya-Verteidigungsgebiete zurück und ging von dort aus nach Botan. Sein Kampf in Nordkurdistan war von seinem Wunsch geprägt, die Gefallenen zu rächen. 2018 kam er erneut an die Haki-Karer-Akademie, an der er die Möglichkeit hatte, seine bisherige Praxis zu hinterfragen und sich der Neustrukturierung der Guerilla zu widmen. Er übernahm große Verantwortung und ging als Gebietskommandant in die Zap-Region. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte die Ausbildung seiner Mitkämpfer:innen und die Errichtung der Tunnelanlagen, die auch heute noch die Basis des Widerstands gegen die türkischen Besatzer sind. Er organisierte zahlreiche Aktionen und war ein Pionier der Guerillataktik, den Feind in kleinen Einheiten zu beobachten und im geeigneten Moment zuzuschlagen. Sein vorbehaltloser Mut im Kampf wirkte ansteckend auf seine Weggefährt:innen und sorgte für viele erfolgreiche Aktionen. Mit seinen Genossinnen und Genossen ging er sehr wertschätzend um und wurde dafür geliebt und respektiert. „Diyar Norşîn hat einen ehrenvollen Platz in der Freiheitsgeschichte unseres Volkes eingenommen“, erklären die HPG.