Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben den Tod von drei Guerillakämpfern bekanntgegeben. Wie das Pressezentrum der HPG am Freitag in Behdînan mitteilte, kamen Ali Xebat Botan, Rênas Raperîn und Cesur Vedat Welat im März bei einem Angriff der türkischen Armee in den Medya-Verteidigungsgebieten ums Leben.
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Codename: Ali Xebat Botan
Vor- und Nachname: Erdinç Bolcal
Geburtsort: Adana
Name von Mutter und Vater: Melahat – Asıf
Todestag und -ort: 10. März 2023 / Medya-Verteidigungsgebiete
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Codename: Rênas Raperîn
Vor- und Nachname: Faik Aydın
Geburtsort: Mûş
Name von Mutter und Vater: Hayle – Sait
Todestag und -ort: 10. März 2023 / Medya-Verteidigungsgebiete
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Codename: Cesur Vedat Welat
Vor- und Nachname: Abdulmuttalip Doğrucu
Geburtsort: Amed
Name von Mutter und Vater: Yüksel – Fahrettin
Todestag und -ort: 10. März 2023 / Medya-Verteidigungsgebiete
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HPG: Drei selbstlose Militante
Die HPG beschreiben die gefallenen Kämpfer als selbstlose Militante, die das demokratische, ökologische und frauenbefreiende Paradigma von PKK-Begründer Abdullah Öcalan als Alternative zum kapitalistischen System ansahen und sich am revolutionären Widerstand mit dem Ideal beteiligten, diese Philosophie und die Völker Kurdistans und der Türkei gegen die genozidale Politik des türkischen Staates zu verteidigen. „Unsere Weggefährten Ali Xebat, Rênas und Cesur kämpften in jederlei Hinsicht mit unermüdlichem Tempo, um die Anforderungen an sich selbst zu erfüllen und ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Mit diesen Eigenschaften hatten sie eine wegweisende Wirkung auf alle Genossinnen und Kameraden. Sie werden für immer in unserem Kampf weiterleben“, erklären die HPG und sprechen den Angehörigen der Gefallenen sowie dem kurdischen Volk ihr Mitgefühl aus. Zur Biografie der Kämpfer machen die HPG folgende Angaben:
Ali Xebat Botan
Ali Xebat Botan wurde als Angehöriger der arabisch-alawitischen Minderheit in der südtürkischen Provinz Adana geboren. Er wuchs in einem revolutionären Elternhaus auf, das auf Grundlage der Idee der Geschwisterlichkeit der Völker großen Wert legte auf eine Erziehung der Kinder zu einer sozialistischen Persönlichkeit. „Aus diesem Grund war unser Genosse Ali Xebat von klein auf sensibel für seine Umwelt“, konstatieren die HPG. „Er hinterfragte ständig die Ereignisse, die im Widerspruch zu dem standen, was er lebte und woran er glaubte. In diesen Gegensätzlichkeiten erkannte er in seiner ganzen Blöße die Realität des türkischen Staates. Ihm wurde bewusst, dass der türkische Staat seine Existenz auf der Auslöschung und Vertreibung anderer in der Region ansässiger Völker absicherte. Als Angehöriger des arabischen Volkes empfand er große Wut auf den türkischen Staat, weil er seine eigene Muttersprache nicht frei sprechen und seine Kultur nicht so leben konnte, wie er es wollte.“
Mit der PKK setzte sich Ali Xebat Botan erstmals 1999 auseinander. Ausschlaggebend war die völkerrechtswidrige Verschleppung Abdullah Öcalans aus Kenia in die Türkei und die Mauer aus Feuer um den kurdischen Vordenker, die Kurdinnen und Kurden damals weltweit unter der Losung „Ihr könnt unsere Sonne nicht verdunkeln“ errichteten – und ihrem Leben aus Protest gegen das internationale Komplott, wie die Entführung des PKK-Begründers auch bezeichnet wird, ein Ende setzten. „Hevalê Ali Xebat glaubte mit seinem ganzen Wesen an den Sozialismus und die gleichberechtigte und freie Einheit der Völker. Er beschloss, an diesem Kampf teilzunehmen, um dem Andenken der Revolutionäre, die bei diesen Aktionen ihr Leben ließen, eine persönliche Note zu verleihen.“ Zunächst war er in den Jugendstrukturen aktiv, eine weitere Station seines Wirkens damals war die Pressearbeit. Zwar fasste er relativ schnell den Entschluss, zur Guerilla zu gehen, blieb zunächst aufgrund seiner zwischenzeitlich erlangten Funktion als Kader in der Türkei. In dieser Zeit wurde Ali Xebat Botan mehrmals festgenommen und verbrachte etwa ein Jahr lang in Untersuchungshaft. „Er blieb aber nicht untätig, sondern nutzte die Haft, um das Gefängnis in eine Akademie zu verwandeln. Nach seiner Entlassung im Jahr 2009 fand unser Freund den Weg in die Berge.“
Bei der Guerilla hielt sich Ali Xebat Botan zunächst in der Mazlum-Doğan-Akademie auf, bevor er sich am bewaffneten Kampf beteiligte. „Schon im ersten Moment hatte er die befreiende Wirkung der Berge verspürt, die er sich mit Leidenschaft und Präzision für jedes Teil zu Nutze machte“, schreiben die HPG. Er hielt sich zunächst in Xakurke und Metîna auf und kämpfte danach drei Jahre lang in der ezidischen Şengal-Region sowie in Rojava gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat” (IS). Zweimal wurde er währenddessen schwer verletzt, setzte seinen Widerstand gegen die Dschihadistenmiliz trotzdem entschieden fort. Nach seiner Rückkehr in die Berge ging er wieder in die Medya-Verteidigungsgebiete, wo er eine maßgebliche Rolle bei der Umstrukturierung der Guerilla sowie dem Ausbau moderner Kriegstaktik spielte.
Rênas Raperîn
Rênas Raperîn wurde in einem Dorf bei Kop in der nordkurdischen Provinz Mûş geboren. Er entstammte einem mit der kurdischen Befreiungsbewegung verwurzelten Elternhaus. Kaum ein Mitglied seiner Familie blieb verschont von der Repression des türkischen Staates.
Einen Großteil seines Lebens verbrachte Rênas Raperîn in Europa. Hier beteiligte er sich an den Aktivitäten der kurdischen Jugendbewegung. „In seiner langjährigen Arbeit als Aktivist setzte er sich dafür ein, dass die kurdische Jugend, die wie er selbst außerhalb ihrer Heimat leben musste, ihr Wesen bewahrt und sich nicht von unserem Kampf und der Realität unseres Volkes abwendet“, erklären die HPG. Später wirkte Rênas Raperîn bei gesellschaftlichen Aufgaben mit und nahm federführend an der Organisierung der kurdischen Exil-Gemeinschaft in Europa teil.
Die Entscheidung seiner Brüder Ferhat Rodî (Saygı Aydın) und Rênas Andok (Ferhat Aydın), sich zu Beginn der 2010er Jahre dem kurdischen Befreiungskampf anzuschließen, prägten Rênas Raperîn. Insbesondere der Verlust seines jüngeren Bruders, dessen Namen er später annahm, 2014 im Widerstand in Rojava war maßgeblich bei seinem Entschluss, in die Berge zu gehen. 2016 ließ er Europa, seine Ehefrau und das gemeinsame Kind hinter sich und schloss sich der Guerilla an.
An der Mazlum-Doğan-Schule durchlief Rênas Raperîn eine ideologische Ausbildung, bevor er in den militärischen Bereich wechselte. Hier vertiefte er sein Wissen und erlernte die Kunst der Kriegsführung, gleichzeitig war er in einem Spezialbereich aktiv, der Opferbereitschaft, Vertrauen und Sensibilität erforderte. 2018 fiel sein Bruder Ferhat Rodî im Kampf gegen die türkische Armee in der nordkurdischen Provinz Çewlîg (Bingöl). Dieser Verlust beeinflusste seine Entscheidung, in den heißen Krieg zu ziehen. An den verschiedenen Fronten der Medya-Verteidigungsgebiete kämpfte er seit 2020.
Cesur Vedat Welat
Cesur Vedat Welat wurde als Sohn einer patriotischen Familie in Farqîn (Silvan) bei Amed (Diyarbakır) geboren. Im Alter von zehn Jahren erlebte er die Vernichtung seines Dorfes; es war die Zeit der Politik der verbrannten Erde. Diese Strategie, die der türkische Staat als Mittel der „Aufstandsbekämpfung“ einsetzte, herrschte in Kurdistan Anfang der neunziger Jahre. Tausende kurdische Dörfer wurden von der türkischen Armee in Brand gesteckt. Die Zerstörung des Dorfes von Cesur Vedat Welat wurde vom Militär mit der Präsenz der Guerilla begründet. Die Familie migrierte in der Folge nach Istanbul.
In der türkischen Metropole ging Cesur Vedat Welat als Heranwachsender verschiedenen Jobs nach, um seine Eltern zu unterstützen. Gleichzeitig engagierte er sich bei der kurdischen Jugend. Die Militärbelagerung im Winter 2015/2016 sowie die Zerstörung kurdischer Städte, in denen zuvor als Antwort auf den totalen Vernichtungskrieg des türkischen Staates die Selbstverwaltung proklamiert worden war, bewogen Cesur Vedat Welat zu der Entscheidung, der Guerilla beizutreten.
In die Berge ging Cesur Vedat Welat im Jahr 2017. Nach ideologischen und militärischen Bildungsprogrammen beteiligte er sich in verschiedenen Gebieten am Widerstand gegen die Besatzung Südkurdistans. Gleichzeitig bildete er sich ständig in der Kunst der Kriegsführung und Guerillataktik weiter. Die HPG würdigen ihn sowie Ali Xebat Botan und Rênas Raperîn als Revolutionäre und Hoffnungsträger des kurdischen Volkes, die bis zuletzt die Militanz der PKK repräsentierten.