Gegen die Hamburger IS-Rückkehrerin Omaima Abdi liegt eine zweite Anklage vor. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat die 36-Jährige wegen Beihilfe zur Versklavung angeklagt. Konkret wird der 36-jährigen Deutschtunesierin vorgeworfen, sie habe 2016 in ihrer Wohnung im nordsyrischen Raqqa zwei von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) entführte ezidische Mädchen Putzarbeiten erledigen lassen.
Omaima Abdi sei bewusst gewesen, dass sie mit ihrem Tatbeitrag das vom IS auch zum Zwecke der Vernichtung der ezidischen Kultur unterhaltene „Sklavereisystem“ unterstützte, glaubt die Generalstaatsanwaltschaft. Die beiden Mädchen hätten sich gegen ihren Willen in der Wohnung aufgehalten und bei Widerstand mit einer Bestrafung rechnen müssen. Die Anklage lautet auf Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form der Versklavung.
Urteil vom Oktober rechtskräftig
Omaima Abdi sitzt bereits für dreieinhalb Jahre im Gefängnis. Vergangenen Oktober wurde sie wegen Mitgliedschaft im IS, Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Verletzung ihrer Fürsorgepflicht und Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig befunden. Strafmildernd wertete das Gericht ihr Teilgeständnis, ihre bisherige Zeit in der Untersuchungshaft, die Trennung von ihren Kindern sowie ihren eingeschränkten Gesundheitszustand. Die Hamburgerin ging zwar nach dem Prozess in Berufung, diesen Montag wurde das Urteil aber rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof wies die Revision von Abdi zurück.
Eines der beiden Mädchen Zeugin beim ersten Prozess
Bereits beim ersten Prozess gegen die IS-Anhängerin ging es um Beihilfe zur Versklavung einer 13-jährigen Ezidin. Damals sagte eines der beiden Mädchen, die von der ebenfalls aus Deutschland stammenden IS-Anhängerin Sarah O. als Sklavinnen gehalten wurden und ab dem Frühjahr 2016 bei Omaima Abdi putzen mussten, als Zeugin gegen die Hamburgerin aus. Vor Gericht schilderte das Mädchen, wie sie 2014 vom IS verschleppt und knapp dreieinhalb Jahre in Gefangenschaft gehalten worden war. In dieser Zeit wurde sie gequält, vergewaltigt und mehrmals weiterverkauft. Daraufhin wurde ein weiteres Verfahren gegen Omaima Abdi fällig.
Erster Ehemann in Kobanê getötet
Omaima Abdi war Anfang 2015 mit ihren drei Kindern ihrem damaligen Ehemann, dem IS-Dschihadisten Nadir Hadra, in die vom IS besetzten Gebieten in Nordsyrien gefolgt. Sechs Wochen nach ihrer Ankunft wurde ihr Ehemann bei den Kämpfen um die Stadt Kobanê getötet. Nach dem Tod Hadras heiratete Omaima Abdi dessen Freund Denis Cuspert. Der Berliner Rapper, der unter dem Namen „Deso Dogg” bekannt wurde, hatte sich 2014 dem IS angeschlossen und wurde im Januar 2018 bei einem Luftangriff in der ostsyrischen Region Deir ez-Zor getötet.
Jahrelang unbehelligtes Leben in Hamburg
Ende 2016 kehrte Omaima Abdi mit ihren inzwischen vier Kindern über die Türkei nach Deutschland zurück. Sie hätte sich mit Cuspert zerstritten, weil er sich eine Zweitfrau nehmen wollte. Gemeinsam mit ihren Kindern führte sie unbehelligt ein Leben im Süden von Hamburg und arbeitete als Eventmanagerin und Übersetzerin, obwohl sie seit 2012 bei den hiesigen Sicherheitsbehörden unter Überwachung stand. Festgenommen wurde sie aber erst Jahre nach ihrer Ankunft dank einer Enttarnung im Frühjahr 2019 durch die libanesische Journalistin Jenan Moussa. Die Reporterin des Dubaier TV-Senders Al-Aan war an ein Handy von Omaima Abdi herangekommen, auf dem zahlreiche Bilder gespeichert waren, auf denen sie beim IS zu sehen ist – unter anderem mit Denis Cuspert, mit einer Kalaschnikow und stets im schwarzen Niqab.