Gemeinden in Êlih ebenfalls unter Zwangsverwaltung

Nachdem Anfang der Woche die drei kurdischen Hochburgen Amed, Mêrdîn und Wan unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt wurden, rücken nun auch kurdische Gemeinden wieder verstärkt ins Visier der AKP-Regierung.

In der nordkurdischen Provinz Êlih (Batman) sind vier Gemeinden unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt worden. Die Behörden werfen den Ortsvorstehern der Stadtteile Çay, Korik und Bağlar sowie des Dorfes Kösetarla „Mitgliedschaft in oder Verbindungen zu Terrororganisationen und Aktivitäten für diese” vor. Das gab das türkische Gouverneursamt der Provinz am Donnerstag in einer schriftlichen Stellungnahme bekannt. An Stelle der demokratisch gewählten Vorsteher wurden Beamte aus dem AKP-Lager eingesetzt. Gegen den Ortsvorsteher in Çay liege außerdem ein rechtskräftiges Urteil vor. Seine Wahl wurde bereits durch die türkische Wahlbehörde annulliert.

Drei Kommunalverwaltungen unter Zwangsverwaltung

Rund fünf Monate nach den Kommunalwahlen hat die AKP-Regierung am Montag die Oberbürgermeister von Amed und Mêrdîn, Adnan Selçuk Mızraklı und Ahmet Türk, sowie die Oberbürgermeisterin von Wan, Bedia Özgökçe Ertan, ihres Amtes enthoben. Die HDP-Politiker*innen waren am 31. März mit 63, 56 und 54 Prozent der Stimmen gewählten worden. Nun wird ihnen nach Angaben des Innenministeriums in mehreren Ermittlungsverfahren „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation” und „Terrorpropaganda” vorgeworfen. Konkret sollen die Betroffenen ihre Bürgermeisterposten für die Unterstützung von Aktivitäten der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) genutzt haben. Unter anderem hätten sie angeblich versucht, öffentliche Gelder an die PKK zu leiten. Zudem werden sie beschuldigt, mit dem Prinzip der Doppelspitzen, das die HDP auf allen Ebenen verfolgt, auf Anordnung der PKK eine nicht verfassungsmäßige politische Struktur eingeführt zu haben, die vom Ganzen des Landes abweicht. Desweiteren seien in den Verwaltungen Personen eingestellt worden, deren Angehörige wegen PKK-Kontakten im Gefängnis sitzen. Die Anklagen gegen die abgesetzten Bürgermeister gehen teilweise auf ihre Zeit als Abgeordnete in früheren Jahren zurück.

Altbekannte Strategie

Die HDP erklärte, dass die Begründung für die Zwangsverwaltung vollkommen erfunden sei. Die Maßnahme zeige die feindliche Haltung zum erklärten politischen Willen des kurdischen Volkes. Das Innenministerium mache sich damit zum Zentrum eines Putsches, mit dem Rechte und Freiheiten usurpiert und Entscheidungen getroffen werden, die keine Spur von Demokratie aufweisen.

Die Absetzungen und die Festnahmewelle erinnern an das Vorgehen der Regierung kurz nach dem sogenannten Putschversuch im Juli 2016. Damals waren im Zuge des Ausnahmezustands 98 von 102 Bürgermeister der HDP in kurdischen Städten abgesetzt und durch staatliche Zwangsverwalter ersetzt worden. Viele von ihnen wurden daraufhin inhaftiert. Die Wiederholung dessen hatte Erdogan in diesem Jahr schon im Kommunalwahlkampf angedroht: Jeder Kandidat, der Verbindungen zu „Terrororganisationen” aufweise, werde im Falle seiner Wahl wieder abgesetzt, kündigte der AKP-Chef an.

In der Zeit der Zwangsverwaltung sind in den betroffenen drei Großstädten und den anderen Kommunalverwaltungen alle Ressourcen aufgebraucht worden. Die staatlichen Treuhänder haben der HDP einen Trümmerberg hinterlassen. Durch die Zwangsverwaltung sind die Rathäuser zu Zentren der Korruption und des Diebstahls gemacht worden. Die HDP glaubt, dass die Regierung und das Innenministerium verhindern wollen, dass die während der Zwangsverwaltung erfolgten Regelverstöße und die Korruption aufgedeckt werden. Die lokale militärische und zivile Bürokratie habe diese Korruption unterstützt, weil sie selbst davon profitierte.