Dreieck des Widerstands: Bradost

Das Dreieck von Bradost bildet die Grenzregion zwischen drei Teilen Kurdistans. Die Region wurde zur Bühne im russischen, osmanischen, arabischen und britischen Krieg.

Bradost ist nicht nur der Name eines Aşirets (Stamm) sondern auch die Bezeichnung für zwei verschiedene Regionen in Kurdistan. Eine dieser Regionen gehört zum Kreis Sîdekan in Hewlêr, die andere ist die ostkurdische, bei Urmiye gelegene Region Somaya Bradost.

Bradost war seine gesamte Geschichte hindurch ein Zentrum des Widerstands gewesen. Insbesondere der Widerstand der Festung Dim Dim ist von besonderer Bedeutung. 1609 hatte Şah Abbas die Region angegriffen. Von den kurdischen Anführern leistete Xanê Lepzêrîn von der Festung Dim Dim aus hartnäckig Widerstand. Nach diesem Widerstand war der kurdische Bradost-Aşiret gezwungen, aufgrund der Angriffe in die vom Osmanischen Reich beherrschte Bradost-Region in Südkurdistan zu fliehen.

Der letzte traditionelle Herrscher von Bradost war Ebdullah Begê Bênarî, der die Region von seiner in der Grenzregion befindlichen Burg aus kontrollierte. Mîr Benarî spielte eine wichtige Rolle im Krieg mit Russland 1916.

Nach der Ermordung der Widerstandsführer Simkoyê Şikakî migrierte die Mehrheit der dort lebenden kurdischen Bevölkerung auf die andere Seite der Grenze in die kurdische Region Sîdekan. Zur Zeit dieser Fluchtbewegung befand sich die Region unter britischer Herrschaft. Obwohl mittlerweile hundert Jahre vergangen sind, bezeichnet man die zu dieser Zeit in die Region gekommenen Kurd*innen immer noch als „Umgesiedelte“. Sîdekan, wohin die Kurd*innen migrierten, ist heute ein Landkreis in der Region Soran in Südkurdistan. Lolan war in dieser Zeit eines der mächtigsten Zentren von Şêx Rashîdê Bradostî (Lolanî). Es war als politisches und religiöses Zentrum bekannt. Nach dem Tod von Şêx Reshîdê Lolanî wurde das religiöse Zentrum nach Hewlêr verlegt.

Das Dreieck von Bradost bildet die Grenzregion zwischen drei Teilen Kurdistans. Aufgrund dieser strategischen Bedeutung wollten viele Staaten, um Kurdistan zu beherrschen, diese Region unter ihre Kontrolle bekommen. Jedoch ließen die Berge von Bradost alle Invasoren scheitern.

Die Kolonialmächte schlossen viele Geheimabkommen über Bradost. Die Politik der Kolonialstaaten war zu jeder Zeit auf einer Spaltung der Kurd*innen aufgebaut. Insbesondere die kurdischen Stämme wurden gegeneinander aufgehetzt. Die Kolonialstaaten setzten ihre Herrschaft fort, indem sie Widersprüche schufen. Der Widerstand von Bradost und seine Geschichte stellt sich aber genau gegen diese Spaltung.

Das russische Massaker von Rawanduz

Die Bradost-Region wurde zur Bühne der Konflikte zwischen den Osmanen und den Safawiden, zwischen dem Iran und den Arabern, und zwischen den Russen und den Briten. In den Jahren 1915–1916 wollten die Russen und die Briten hier eine Basis schaffen, indem sie die von den Osmanen beherrschte Region angriffen. Die Erinnerung an das russische Massaker von Rawanduz ist immer noch wach.

Großbritannien spielte eine entscheidende Rolle bei der Aufwiegelung der Aşirets von Bradost gegeneinander. Die Widersprüche zwischen dem Barzanî-Aşiret und dem Zêbarî- und Berwarî-Aşiret liegen in dieser Politik begründet. Der Barzanî-Aşiret versuchte die Region unter seine vollständige Kontrolle zu bekommen und keine andere Kraft dort zuzulassen.

Die Briten hatten den Aufstand 1943 in der Barzan-Region mit aller Gewalt niedergeschlagen. Nach dem Aufstand war Mele Mistefa Barzanî 1945 gezwungen nach Rojhilat (Ostkurdistan) zu gehen. Der Barzanî-Aşiret wurde als eine Bedrohung für die irakische Regierung angesehen und man wollte seinen Einfluss brechen.

Während die Kurd*innen gerade aufgrund der Ereignisse der jüngsten Vergangenheit aus diesen Praxen ihre Lehre hätten ziehen müssen, haben sie nicht gemeinsam in ihrem Interesse gehandelt. Anstelle der Zukunft der Kurd*innen insgesamt wurden die Interessen des Aşirets und der Familie in den Vordergrund gestellt und auf diese Weise den Kurd*innen großer Schaden zugefügt.

Von Emîrxanê Bradostî bis heute

Als Emîrxanê Bradostî den Kampf gegen die Safawiden kommandierte, war er 45 Jahre alt. Im Kampf gegen Russland hatte er im Kampf im Heer der Safawiden zuvor einen Arm verloren. Wegen seiner Tapferkeit im Kampf gegen die russischen Truppen will ihm der Şah (Schah) einen Arm aus Gold schenken. Daher ist er auch als Xanê Lepzêrîn (Han Goldhand) bekannt. Über ihn gibt es sehr viele kurdische Lieder. Nachdem der Widerstand der Festung Dim Dim gescheitert war, verständigten sich die Safawiden und die Osmanen untereinander und teilten Kurdistan untereinander auf. Nach diesem Abkommen sollten alle Festungen des Widerstands entlang der Grenze zerstört werden. Alle Erinnerungen an den Widerstand sollten ausgelöscht werden, damit kein solches Erbe an die kommenden Generationen weitergegeben werden könnte. Nach der Niederlage an der Festung Dim Dim ändert sich die politische Situation in Kurdistan vollständig. Mit neuen politischen Machtverhältnissen beginnt die Ära der Katastrophen in Kurdistan.

Die Geschichte von Sîdekan

Sîdekan ist ein Landkreis, der zu Soran (Diyana) gehört, und liegt etwa 144 Kilometer nordöstlich von Hewlêr. 1996 wurde er offiziell der Region Bradost angeschlossen. Vor 1996 als Bradostan bekannt, war die Region lange Zeit ein Zentrum, in dem sich die Handelsrouten kreuzten.

Die Geschichte von Sîdekan reicht weit in die Vergangenheit zurück. Möglicherweise handelt es sich um den Ort, an dem die Urartäer ihr heiliges Zentrum „Musasir“ errichtet hatten. Im Dorf Micêsara wurden die Überreste eines Tempels gefunden. Der assyrische König Sargon II hatte im Jahr 714 v.u.Z. einen Angriff auf Musasir ausgeführt und die heiligen Plätze und Tempel zerstört. Außerdem brachte er viele Dinge aus Musasir als Kriegsbeute mit nach Ninive. Die Inschriften aus Kelaşîn, die heute im Museum von Urmiye ausgestellt werden, und die Steininschriften aus Topzava, sind für die Darstellung der Geschichte Sîdekans erstrangige historische Quellen.

Die Abbasiden banden Sîdekan an die Provinzen Aserbaidschan und Mûsil (Mosul) an. Die Region wurde von den Provinzgouverneuren von Mûsil und Aserbaidschan regiert, dann auch eine Zeit lang von den Ayyubiden. Die Feudalherren von Zerza, welche die Region Kelaşîn regierten, schickten die eingezogenen Steuern nach Ägypten. In den historischen Aufzeichnungen ist immer wieder von Restaq (heute die am Berg Helqurt gelegene Ebene Rostê) und vom heutigen Deşta Hêrtê (Hêrtê-Ebene) und vom Dorf Metê die Rede.

Zur Zeit des Widerstands von Dim Dim wurden Sîdekan und Rawanduz vom Aşiret Zerza beherrscht. Danach wurde die Region vom Feudalherrn von Soran regiert. Nach dem legendären Widerstand von Dim Dim wurde der Kommandant Xanê Lepzêrîn zum Feudalherrn von Sîdekan ernannt. Zur Zeit der Feudalherrschaft von Rawanduz stand auch die Region Soran unter seiner Herrschaft (1830). Diese Region war dann auch für lange Zeit unter britischer Kolonialherrschaft. 1885 griff das iranische Militär von der Stadt Şino aus die Festung von Sîdekan an. Da das massive Artilleriebombardement keine Wirkung zeigte, zogen sie sich wieder zurück. 1882, zur Zeit der Revolution von Ebîdullahê Nehrî migrierten viele Kurd*innen aus Urmiye, Şemzinan, Rojhilat und Bakur nach Sîdekan. Als das russische Militär im Jahr 1917 Rawanduz angreift, befinden sich viele ausländische Kräfte mit Besatzungsambitionen in der Region. Die kurdischen Aşirets leisteten dennoch entschlossenen Widerstand. Als Simkoyê Şikakî 1930 nach Şino zurückkehrt wird er gemeinsam mit seinem Sohn Hüsrev ermordet.

Barzanî und die Menschen aus dem Bradost

Die Auseinandersetzungen zwischen den Menschen aus Bradost und dem Barzanî-Aşiret übten einen sehr negativen Einfluss auf Kurdistan aus. Der Krieg dauerte lange Jahre, die Auseinandersetzungen brachen immer wieder auf, da der Barzan-Aşiret nicht wollte, dass die „Bradostîs“ sich in der Region niederließen. Der Barzan-Aşiret bezeichnete die wegen des Krieges in die Region eingewandert Bradostîs als „Zugezogene“, d.h. als Einwanderer und beabsichtigte alle anderen Aşirets aus der Region zu vertreiben. Im jahrelang andauernden Krieg vermittelten der Irak und die britischen Regierungen. Der Barzan-Aşiret versuchte, die gesamte Bradost-Region von Hewlêr bis zur Grenze nach Rojhilat zu übernehmen und legte eine große Feindseligkeit gegenüber den anderen Aşirets und ihren Anführern an den Tag. Die Widersprüche zwischen den beiden Stämmen dauern bis heute fort.

In der ersten Zeit nach der Gründung er irakischen Republik wurde Sîdekan zur Kreisstadt. Obgleich Mehmûd Beg, der Herrscher der Region, in der Zeit der kurdischen Republik von Mahabad war, hatten die Kurden keine so große Macht mehr erringen können wie zuvor. 1958 musste der Anführer in der Region Şêx Reşîdê Lolanî aufgrund des Drucks der Regierung von Ebdulkerîm Qasim nach Rojhilat fliehen. In der Folgezeit wurde die Region von den damals Barzanî nahestehenden „Kommunisten“ kontrolliert. Zwischen den Jahren 1961 und 1975 wird die Region erneut zum Zentrum der Auseinandersetzungen. Insbesondere der Verrat von Kurd*innen, die mit den jeweiligen an der Macht befindlichen Regierung kollaborierten, und die Angriffe der Kolonialisten auf Kurdistan, verschärften die Kämpfe. Die Bevölkerung der Region musste erneut über die Grenze von Rojhilat nach Hewlêr und Kerkûk fliehen. Viele Kurd*innen flohen nach Şemzînan. Mit der Revolution der Barzanîs wurde die Region den Peschmerga übergeben. 1984 im Iran-Irak-Krieg fanden die heftigsten Auseinandersetzungen unter anderem in Sîdekan statt. Viele Kurd*innen haben in diesem Krieg ihr Leben verloren und wegen der unter Saddam Hussein gelegten Minen wurden viele Menschen verletzt.

Sîdekan ist eine Region mit Wasserquellen und fruchtbaren Böden. Die berühmtesten Bergweiden in Bradost sind die Bergweiden Mêrge Mîr und Mêrge Dukan. Der höchste Berg ist der Helgurt im Osten von Sîdekan. Darüber hinaus befinden sich noch viele hohe Berge in der Region.

Die Guerilla befindet sich seit 1984 in der Region. Der Vorsitzende der PKK, Abdullah Öcalan, hatte vor den Angriffen des Islamischen Staates (IS) auf die Bedeutung der Bradost-Region hingewiesen. Die Widersprüche um Bradost und warum die Kurd*innen immer noch keine Selbstbestimmung im Bradost erreicht haben, kann folgendermaßen zusammengefasst werden:

  • Es gibt keine Einheit unter den Kurd*innen.

  • Unzulänglichkeiten auf ideologischer und politischer Ebene.

  • Der Machtkampf zwischen den kurdischen Aşirets.

  • Die Aufteilung der kurdischen Bewegungen in Kurdistan.

  • Den Vorzug von familiären und Aşiret-Interessen vor gesamtkurdischen Interessen.

  • Die Abhängigkeit von den Kolonialmächten.

Die PKK im Bradost

Da der Kampf der PKK die Situation in der Region grundsätzlich veränderte, wurden viele Allianzen und Pläne gegen die PKK in Gang gebracht. Dass die kurdischen Kräfte nun die Bradost-Region selbst verwalteten, störte die Kolonialmächte wie den Irak, Iran und die Türkei. Die Grenzen von Bradost sind die kritischsten Grenzen dieser Staaten. Die Existenz der PKK in der Region bedeutete, dass all ihre Pläne in Bezug auf Kurdistan ins Wasser fallen würden.

Immer noch wird versucht, die Kurd*innen in der Region gegeneinander auszuspielen. So wie früher die Aşirets und die Feudalherren gegeneinander benutzt worden waren, so werden heute die politischen Parteien gegeneinander benutzt. Wieder werden die Widersprüche zwischen den Barzanîs und den Bradostîs von äußeren Kräften bewusst am Kochen gehalten. Im Namen des Schutzes der Aşiret-Gebiete, werden diese Kämpfe und Widersprüche sogar noch vertieft. Seit Beginn der 1990er Jahre, bis heute, wird die PDK gegen die PKK benutzt. Die PKK wird als eine Terrororganisation dargestellt, welche die Region verlassen müssen. Diese Politik ist eine Provokation von historischem Ausmaß.

Schmutzige Allianzen

In der Region Bradostan gibt ein bestimmtes Gebiet, das unter dem Namen Barzan bekannt ist. Gegen diese Region soll nicht nur Bradost sondern ganz Kurdistan geopfert werden. Dieser Plan soll in Zusammenarbeit zwischen der Türkei, der PDK, der irakischen Regierung und den internationalen Mächten umgesetzt werden. Nach diesem Plan wird die kleine Region mit dem Namen Barzan an die Barzanî-Familie übergeben, während der Rest unter den Kolonialmächten aufgeteilt wird.

Man will das Abkommen von Algerien, das 1975 zwischen den Iran und dem Irak geschlossen worden war und die Teilung des Bradost vorsieht, heute in die Praxis umsetzen. Mit den Angriffen des Iran 2011 auf die Medya-Verteidigungsgebiete war eine der Bedingungen, die man der kurdischen Freiheitsbewegung aufzwingen wollte, die Region zu verlassen. Da die PKK dazu nicht bereit war, gab es heftige Auseinandersetzungen, durch die der Iran das erhoffte Ergebnis nicht erzielen konnte. Heute wird erneut deutlich, dass der Iran, genauso wie die Kolonialmächte in der Region darauf abzielen, die PKK aus Kurdistan zu vertreiben und zu vernichten. Gegen die Region Bradost praktiziert der Iran eine spezielle Politik. Die Kurd*innen, die um zu überleben, die kolonialen, künstlichen Grenzen mit denen Kurdistan geteilt wurde überschreiten (Kolber, Lastenträger im Grenzhandel), werden systematisch ermordet, die Sicherheitskräfte aufgestockt und ein Dorfschützersystem eingerichtet, um die Widerstandstradition der Region zu brechen.

Bradost unterstützt die Guerilla

Der Widerstand der Guerilla gegen die türkische Besatzung in Bradost ist von großer Bedeutung. Am bedeutendsten ist die Unterstützung der Bevölkerung von Bradost für diesen Widerstand. Heute will das Erdoğan-Regime die kurdischen Berge, die Hochburg des kurdischen Widerstands, besetzen und seine kolonialen Festungen aufbauen. Mit ihrer technischen Überlegenheit kann die Türkei vielleicht ein paar Gipfel besetzen, aber die Guerilla Kurdistans wird eine dauerhafte Stationierung nie zu lassen. Das haben die teilweise mehrfach täglich stattfinden Aktionen am Lêlîkan gezeigt. Wenn die Bevölkerung von Bradost die Türkei nicht unterstützt, dann kann diese dort keinen Schritt unternehmen. Doch einige haben die Lehren aus der Geschichte immer noch nicht gezogen. Einige stellen den Vorteil des Aşirets oder der Familie in den Vordergrund und verkaufen Kurdistan in geheimen Abkommen.

Die Guerilla hat zur Befreiung von Bradost die Operation Şehîd Agirî und Şehîd Pîroz gestartet. Diese Offensive und der Widerstand der Bevölkerung Südkurdistans haben das Potential die Besatzung durch die Türkei zurückzuschlagen.