Asrîn Bawer, Rustem Serhed und Xwînda Çiya
Die Guerillakämpfer:innen Asrîn Bawer, Xwînda Çiya und Rustem Serhed sind im August bei Angriffen der türkischen Armee auf die Region Xakurke in Südkurdistan ums Leben gekommen. Das teilte das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) in einem Nachruf mit. Asrîn und Xwînda seien als Militante der „Jin Jiyan Azadî“-Philosophie gefallen, Bawer war vor seinem Beitritt zur Guerilla jahrelang in der kurdischen Freiheitsbewegung in Europa aktiv, so die HPG.
„Als Genossinnen und Genossen sprechen wir den wertvollen Familien von Asrîn, Xwînda und Rustem sowie dem kurdischen Volk unser Beileid aus und bekräftigen unser Versprechen, die Erinnerung an unsere Gefallenen in dem von ihnen ersehnten freien Kurdistan lebendig zu halten“, erklärten die HPG. Zur Identität der Gefallenen wurden folgende Angaben gemacht.
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Codename: Asrîn Bawer
Vor- und Nachname: Sevda Topçu
Geburtsort: Riha
Namen von Mutter und Vater: Ayhan – Şehmus
Todestag und -ort: 4. August 2024 / Xakurkê
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Codename: Xwînda Çiya
Vor- und Nachname: Necla Ahmed Silêman
Geburtsort: Dêrika Hemko
Namen von Mutter und Vater: Zeynep – Ahmed
Todestag und -ort: 4. August 2024 / Xakurkê
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Codename: Rustem Serhed
Vor- und Nachname: Şahin Pekür
Geburtsort: Îdir
Namen von Mutter und Vater: Gulçin – Salih
Todestag und -ort: 24. August 2024 / Xakurkê
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Asrîn Bawer
Asrîn Bawer ist in Riha-Wêranşar geboren und in einem PKK-nahen Umfeld aufgewachsen. Ihre Familie zog später nach Mersin, hielt jedoch an ihrer kurdischen Identität fest. In ihrer Jugend hinterfragte Asrîn die Rolle von Frauen in der Gesellschaft und setzte sich mit den Vorstellungen von Abdullah Öcalan über ein freies Leben auseinander. 2014 ging sie in die Berge und schloss sich dem Freiheitskampf an. Weil sie diese Entscheidung vor allem aus emotionalen Beweggründen getroffen hatte, fiel ihr die Anpassung an das Guerillaleben anfangs nicht immer leicht. Die damalige Zeit war von dem brutalen Feldzug des IS in Rojava und gegen die Ezid:innen in Şengal geprägt, und Asrîns vorrangiges Ziel war, eine ideologisch und militärisch gerüstete Kämpferin der Verbände freier Frauen (YJA Star) zu werden. Nach ihrer Grundausbildung in Xakurke blieb sie in der Region und nahm an der praktischen Arbeit teil. Neben ihrer Beteiligung an Guerillaaktionen gegen die türkische Armee zeigte sie großen Einsatz bei der Errichtung unterirdischer Verteidigungsanlagen und absolvierte eine militärische Fachausbildung. Als der türkische Staat 2021 mit einem neuen Konzept die Medya-Verteidigungsgebiete angriff, nahm sie an revolutionären Guerillaoperationen teil und trug maßgeblich zu ihrem Erfolg bei. Sie kämpfte in einer teilweise mobilen Einheit und verteidigte Xakurke mit großem Mut und Opferbereitschaft. „Hevala Asrîn lebte aufrichtig und kämpfte für die Grundsätze, an die sie glaubte. Am 4. August schloss sie sich zusammen mit unserer Weggefährtin Xwînda der Karawane der Gefallenen an und ging in die Geschichte des Freiheitskampfes unseres Volkes ein“, so die HPG.
Xwînda Çiya
Xwînda Çiya ist in Dêrik in Rojava zur Welt gekommen. Ihre Familie war in der kurdischen Bewegung aktiv und Xwînda daher bereits als Kind von der Guerilla begeistert. Im Zuge der Revolution in Rojava von 2012 beschäftigte sie sich intensiver mit den Vorstellungen von Abdullah Öcalan über das freie Zusammenleben der Völker und beobachtete mit eigenen Augen, wie sich die Rolle von Frauen veränderte. Angesichts des unter großen Opfern geführten Widerstands gegen die Terrormiliz IS empfand sie zunehmend die Verantwortung, zur Verteidigung der Revolution beizutragen. Sie entschied sich für den bewaffneten Kampf und schloss sich 2016 der Guerilla in den Bergen an. Nach einer Grundausbildung für neue Kämpferinnen und Kämpfer war sie an verschiedenen Orten in den Medya-Verteidigungsgebieten aktiv. Sie orientierte sich an der Frauenbefreiungsideologie und nahm zur Vorbereitung auf einen Kampfeinsatz an einer militärischen Fachausbildung teil. Danach kämpfte sie als opferbereite Militante der YJA Star in Xakurke und setzte ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in die Praxis um. Die HPG beschreiben Xwînda als intelligente und zutiefst aufrichtige Frau, die bis zum letzten Moment ihres Lebens für ihre Überzeugungen kämpfte.
Rustem Serhed
Rustem Serhed ist in Reşqelas in Nordkurdistan geboren und in einem von der Freiheitsbewegung geprägten Umfeld aufgewachsen. Er ging neun Jahre zur Schule und arbeitete danach auf dem Bau. Gleichzeitig wurde er in der kurdischen Jugendbewegung aktiv und lernte die PKK näher kennen. Die Revolution in Rojava motivierte ihn und er widmete sich mit großer Sorgfalt und Umsicht der politischen Arbeit. Davon ließ er sich auch durch die staatliche Repression nicht abhalten. Als der Druck nach dem Kampf um Kobanê im Jahr 2014 zunahm, verließ er die Türkei und kam nach Europa, um seine Arbeit hier fortzusetzen. Er übernahm drei Jahre lang Aufgaben in verschiedenen Bereichen und kehrte dem kapitalistischen System 2019 endgültig den Rücken zu. In den Bergen Kurdistans schloss er sich der Guerilla an und erfüllte sich damit einen langgehegten Wunsch. Die Eingewöhnung in das kollektive Guerillaleben fiel ihm nicht schwer und er profitierte dabei vom Wissen und der Lebenserfahrung seiner Weggefährt:innen. Nach einer intensiven Ausbildungsphase kam er als ideologisch und militärisch versierter Kämpfer nach Xakurke, wo er sich an den Vorbereitungen auf den Krieg beteiligte und zu vielen Aktionen beitrug. Am 24. August kam er bei einem feindlichen Angriff ums Leben. Den HPG bleibt er in Erinnerung als aufrichtig verbundener Genosse und Kämpfer, der ein Leben im System der kapitalistischen Moderne ablehnte und bei seinen Überzeugungen keine Kompromisse machte.