Urteil als Vorbereitung für Zwangsverwaltung?
Der Ko-Bürgermeister der kurdischen Kreisstadt Qaxizman (tr. Kağızman), Mehmet Alkan, ist wegen Terrorvorwürfen zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Ein Gericht in der Provinzhauptstadt Qers (Kars) sah es am Donnerstag als erwiesen an, dass der DEM-Politiker Mitglied in einer bewaffneten Organisation - gemeint ist die PKK - sei, und verhängte sechs Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Alkan nahm wegen eines Unwetters nicht an der Verhandlung teil, einen Antrag seiner Verteidigung auf Terminverlegung wies das Gericht ab. Die Anwälte protestierten gegen das Vorgehen der Kammer und mahnten das Gericht, seine „falsche Entscheidung“ zu korrigieren. Während des Verfahrens kritisierten die Anwälte Alkans immer wieder, die von der Anklage präsentierten Beweise der Polizei seien manipuliert. Es habe keine Voraussetzung für ein Verfahren gegen den Politiker gegeben.
Auch Mehmet Alkan kritisierte die Entscheidung. Der 71-Jährige warf der Justiz vor, ein „vorgegebenes“ Urteil gefällt zu haben, um den Weg für seine Amtsenthebung freizumachen. „Wäre ich nicht der Ko-Bürgermeister dieser Stadt, hätte es einen Freispruch gegeben. Ich wurde nur deshalb verurteilt, weil im Rathaus von Qaxizman ein Zwangsverwalter der Regierung sitzen soll. Dies wäre eine Usurpation des Volkswillens, den die Bevölkerung von Qaxizman nicht akzeptieren wird“, so der DEM-Politiker.
Alkan hatte die Wahl zum Ko-Bürgermeister des Landkreises Qaxizman im März mit 32,68 Prozent gewonnen. Der zweitplatzierte Kandidat der ultranationalistischen MHP, die zuvor den Bezirk regierte und Qaxizman verkommen ließ, kam nur auf rund 25 Prozent. Die stellvertretende Vorsitzende der DEM-Fraktion im türkischen Parlament, Gülistan Kılıç Koçyiğit, bezeichnete das Urteil gegen den früheren Lehrer als „deutlichen Hinweis auf die Politisierung der Justiz“ und einer Instrumentalisierung der Gesetze. „Mehmet Alkan wurde unter Missachtung der Grundprinzipien des Rechts verurteilt.“
Seit Bekanntwerden des Urteils gegen den Ko-Bürgermeister wird in Qaxizman eine verstärkte Präsenz der Polizei in der Umgebung des Rathauses der Stadt beobachtet. Es wird befürchtet, dass die Stadt schon am Freitag unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt werden könnte. Seit der Kommunalwahl hat die türkische Regierung elf Kommunen unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt, mehrere der entlassenen Bürgermeister:innen befinden sich im Gefängnis. Neun der betroffenen Gemeinden wurden von der kurdischen DEM-Partei regiert, zwei weitere durch die republikanische Oppositionspartei CHP.