Die Fraueneinheiten YJŞ (Yekîneyên Jinên Şengalê) kämpfen im Şengal für die Verteidigung der ezidischen Bevölkerung. Eine ihrer Kämpferinnen ist Bêrîtan Delal. Sie ist ein Beispiel für die Universalität des Freiheitskampfes. Sie stammt aus einer arabischen sunnitisch-schiitischen Familie. Ihre Mutter kommt aus Bagdad, ihr Vater aus Salahaddin. Als der IS Şengal überfiel, ging sie in Salahaddin in die zweite Klasse. Aufgrund der IS-Angriffe musste die Familie innerhalb des Irak fliehen. Die Kämpferin erinnerte sich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur RojNews: „Wir lebten in Salahaddin, als der IS angriff. Ich war jung und ging damals noch zur Schule. Alle sagten, dass sie kommen würden, um uns zu ermorden. Alle unsere Schulen wurden in Basen des IS umgewandelt. Mein Vater hinderte mich daran, zur Schule zu gehen, weil er wusste, wie Frauen und Kinder dort missbraucht wurden. Obwohl ich diese Situation nicht mochte, musste ich sie akzeptieren.“
Flucht nach Mosul, dann nach Deir ez-Zor
Der IS griff die schiitische Bevölkerung, die nicht konvertierte und dem IS nicht die Treue schwor, an. Unzählige Schiit:innen wurden massakriert. Die Familie von Bêrîtan Delal machte sich auf den langen und gefährlichen Weg in die Freiheit, nach Rojava. Von Salahaddin ging es ins ebenfalls vom IS besetzte Mosul und anschließend nach Deir ez-Zor, um von dort in die selbstverwalteten Gebiete von Rojava zu gelangen. In Rojava lernte die Familie die kurdische Freiheitsbewegung und das apoistische Paradigma kennen. Nach der Zerschlagung des IS kehrte die Familie in den Irak/Südkurdistan zurück. Diesmal jedoch nicht nach Salahaddin, sondern nach Sengal.
Tief bewegt vom Guerillawiderstand
Durch ihren Vater lernte Bêrîtan die kurdische Freiheitsbewegung und ihren Kampf gegen den IS noch besser kennen. Insbesondere die bewaffneten Frauen beeindruckten sie. Sie erinnerte sich: „Als ich sah, wie Frauen zu den Waffen griffen, für ein freies Leben kämpften und sich selbst autonom organisierten, war ich tief beeindruckt, und das gab mir große Motivation. Besonders beeindruckt haben mich die Prinzipien und das Verhalten der Freundinnen. Sie haben den Boden für meine Suche nach der Wahrheit bereitet. Ich versprach mir selbst, dass ich, wenn ich mich ihnen anschlösse, ich die größte und schwerste Verantwortung auf mich nehmen würde.“
Vater in YBŞ, Tochter in YJŞ
Nicht nur Bêrîtan schloss sich in Şengal dem Kampf an. Ihr Vater trat den Widerstandseinheiten Şengals bei. Er wurde noch vor ihr Mitglied der YBŞ. Sie beschrieb die Beziehung zu ihrem Vater als eine genossenschaftliche und fuhr fort: „Geht zu meinem Vater, er wird euch unsere Geschichte erzählen. Mein Vater liebt Rêber Apo [Abdullah Öcalan] und seine Kämpferinnen und Kämpfer sehr. Er trat 2017 der YBŞ bei. Als ich ihm sagte, dass ich der YJŞ beitreten wolle, hat er mich in keiner Weise daran gehindert. Er machte mich sogar mit den Freundinnen bekannt. Er erzählte mir, dass die Freundinnen für ein freies und demokratisches Leben kämpfen und dass sie alles riskieren würden, um ihr eigenes Land zu verteidigen. So haben wir uns angeschlossen.“
Bêrîtan lernt Kurdisch
Sie übernahm den Kampfnahmen Bêrîtan Delal und entschloss sich, Kurdisch zu lernen. Sie berichtete: „Als ich an die Akademie kam, habe ich in der ersten Zeit nichts verstanden, weil ich kein Kurdisch sprach. Wenn ich die Freundinnen über etwas diskutieren und lachen sah, wollte ich auch diskutieren und lachen wie sie. Nachdem ich Kurdisch gelernt hatte, änderten sich viele Dinge in meinem Leben. Natürlich ist das Lernen kein einfacher Prozess. Meiner Meinung nach ist es nicht mehr schwer, etwas zu tun, wenn man es liebt. Auch wenn ich Kurdisch lerne, bin ich mir bewusst, dass ich meine Muttersprache nicht vergessen darf. Das gilt sowohl für das kurdische als auch das arabische Volk. Auch Rêber Apo hat dies gesagt.“
„Wenn man etwas liebt, dann kann man alle Hindernisse leicht überwinden“
Bêrîtan berichtete, dass sie nun ohne Probleme auf Kurdisch lesen könne und sagte: „Nachdem ich die Sprache gelernt hatte, wollte ich den Apoismus besser kennen lernen. Jeden Tag las ich in den Büchern von Rêber Apo und von den Gefallenen. Diese Lektüre stärkte meine Liebe zum Leben noch mehr. Wenn man etwas liebt, kann man alle Hindernisse leicht überwinden. Ich hatte immer gesagt, dass es für eine Frau schwierig sei, zu den Waffen zu greifen und ihr Land zu verteidigen, aber nachdem ich beigetreten war, habe ich erkannt, dass dieser Gedanke falsch war."
„Wir tragen die gleiche Wut auf den IS in uns“
Über das Verhältnis zu ihren ezidischen Mitstreiter:innen erzählte Bêrîtan: „In Gesprächen und Diskussionen sagen die ezidischen Freundinnen immer wieder, dass der IS nur sie angreife. Ich hingegen sage, dass der IS jeden angreift, der nicht so denkt wie er. Ich denke, wenn die Menschen vereint sind, kann niemand diese Macht brechen. Ich teile die Wut und das Rachebedürfnis meine ezidischen Genossinnen gegenüber dem IS. Wegen der Angriffe des IS konnte ich meine Kindheit nicht leben, ich wurde daran gehindert, Bildung in meiner Muttersprache zu erhalten und ich wurde aus meinem eigenen Land vertrieben. Meine Wut gegen den IS hat mich dazu gebracht, den Umgang mit Waffen zu erlernen. Ich nahm an Schulungen teil und lernte, mit allen Arten von Waffen umzugehen und jetzt bin ich eine Kämpferin.“ Sie schloss mit den Worten: „Ich bin verliebt in die Berge Kurdistans.“